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Nachhaltigkeit Innovation

Die Kultivierung unseres Essens

22.04.2021
von SMA

Was bei uns auf dem Teller oder im Mund landet, das interessiert alle. Ist zumindest die Vermutung des Autors. Gewisse weniger und gewisse mehr. In erster Linie muss es geschmacklich stimmen, da stimmt wohl jede*r zu, doch damit ist die Neugier bei den wenigsten schon befriedigt. 

Zunehmend interessieren die Konsumierenden auch die Nährwerte oder die Produktionsart. Wie viel Zucker, Fett, Protein oder Mikronährstoffe drin sind oder ob es Bio, Fairtrade oder regional produziert und verarbeitet wurde. Vielen Konsument*innen ist dies wichtig, denn damit wird der wahre Wert des Lebensmittels definiert. Ist es gesund und tu ich damit Gutes, mir selbst, der Umwelt, ist es etwas Nachhaltiges.

In der Schweiz wurden laut Bundesamt für Landwirtschaft (BWL) im Jahr 2020 29.9 Milliarden Schweizer Franken im Schweizer Detailhandel für Lebensmittel ausgegeben. Davon wurden 10.7 Prozent in Bio-Qualität produziert und verarbeitet. Das entspricht fast 3.2 Milliarden Schweizer Franken, die von der Bevölkerung für Bio-Lebensmittel ausgegeben werden. Das ist noch lange nicht der grosse Teil, doch ist es viel. Denn die Entscheidung für Bio-Lebensmittel wird bewusst getroffen und widerspiegelt damit das Interesse an der Produktion der Lebensmittel. Doch woher kommen die Lebensmittel auf dem Teller? Dies ist zwar auf der Verpackung deklariert, doch spielt es noch eine untergeordnete Rolle, zumindest bei vielen generellen Produkten wie Getreide, Snacks oder Gemüse. Bei anderen Produkten wie Fleisch, Kartoffeln oder auch Dinkel hingegen ist die Herkunft Schweiz sehr gewünscht. Das hängt vor allem mit den Fördermitteln, Importregelungen und gezielter Kommunikation von den Branchen zusammen. Gegenüber anderen Ländern in Europa fühlt man sich in der Schweiz dennoch sehr der inländischen Herkunft und Produktion verbunden. Seit einigen Jahren bewerben die Detailhändler zunehmend die inländische Herkunft und auch die Bio-Produktion. 

Doch was heisst inländisch, regional und bio? Wo liegen die Grenzen? Da helfen Labels, welche die Bedingungen definieren und den Konsument*innen klar aufzeigen sollen, wo und wie das Lebensmittel produziert worden ist. Klar erkennbar und verständlich. Das ist keine leichte Aufgabe und birgt viele Risiken zur Täuschung. Das Vertrauen in Labels ist ähnlich gross wie zu Marken. Laut Labelinfo sind 82 Labels im Lebensmittelbereich in der Schweiz auffindbar. Die bekanntesten sind IP Suisse, Knospe BioSuisse, Migros Bio, Aus der Region für die Region (der Migros) oder Miini Region (der Coop). Es gibt einige gesamteuropäische Labels wie EU Bio oder aus einzelnen europäischen Ländern wie Demeter oder BioLand aus Deutschland. Zudem gibt es einige Labels, die spezifische regionale Herkunft zeigen sollen. Wie Culinarium, Alpinavera oder Terroir Fribourg. Oder das Label Pro Montagna von Coop, welches die Herkunft aus Bergzonen schildern soll. Und ganz gross im Trend ist das Label Vegan. Alles in allem also ein ziemlicher Dschungel und dennoch sind die meisten Labels vielen Leuten bekannt.

Die Lebensmittelindustrie war bis vor ca. einem Jahrzehnt sehr wenig an diesen Labels interessiert. Die Detailhändler hingegen erkannten deren Nutzen für den Verkauf. Doch gegenüber dem Detaillisten stehen beim Produzenten vor allem die Kosten für den Rohstoff hoch im Kurs. Denn deren Einkaufspreis hat einen direkten Einfluss auf die Marge. Der Detaillist interessiert sich für tiefe Einkaufspreise, dennoch aber für Labels, die ein Verkaufsargument mehr liefern. Mit Labels lassen sich Produktpreise besser rechtfertigen und insgesamt gut Werbung machen. Bei den beiden Aspekten Preis und Label liegen sich die Produzenten und Vertreiber in den Haaren oder gehen gute Geschäfte ein.

Was dabei den vielen Beteiligten in der Wertschöpfungskette jedoch zu oft oder gar immer vergessen geht, ist, dass Kund*innen zunehmend der eigentliche Wert des Lebensmittels wichtig ist. Dass es eben entscheidend für eine Wahl für das eine oder andere Lebensmittel ist, wie und wo produziert wird. Welchen Einfluss die Produktion auf die Umwelt hat. Wie gesund das Lebensmittel ist. Wie gesund und nachhaltig der Boden ist, aus dem das Lebensmittel entwachsen ist. Worin das Lebensmittel verpackt ist. Wie es transportiert wurde. Welchen CO2-Fussabdruck es mit sich bringt. Dieser Aspekt für den wahren Wert eines Lebensmittels wird gleichzeitig den Konsument*innen, wie auch kleinen Produzierenden bewusst. Die grosse Industrie merkt es erst, wenn der Trend bereits da ist. So gesellen sich neue Akteure oder Businessmodelle mit alten, neuen und anderen Produkteangeboten auf den Markt. Das ist gut so und bringt die Lebensmittelwelt in Schwung und voran. Die Kundschaft hat die Wahl und kann sich nach ihren Wertvorstellungen das Lebensmittel aussuchen. Endlich findet in der Schweizer Lebensmittellandschaft eine grosse Veränderung statt und verändert damit die Akteure, auch die Grossen – getrieben von den Kund*innen. Neue Produzenten probieren was Neues, indem sie Lebensmittel auf den Markt bringen, die kaum bekannt sind, momentan vor allem im veganen Bereich. Die innovativ sind und dennoch traditionell. Wichtig ist den meisten dieser Produzenten, dass die Herstellung hier in der Schweiz stattfindet. Die Wertschöpfung in der Region und Inland verbleibt. Deren Produkte nachhaltig, ökologisch, gesund und gut sind. Gut für den Menschen in der Ernährung, gut für die Umwelt, gut für das Gewissen, gut im Geschmack. Das sind Lebensmittel, die Sinn machen.

 Text Carlo Weber

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