christoph grainger-herr
Innovation Interview

Christoph Grainger-Herr:«Wir standen nie für opulenten oder lauten Luxus»

29.10.2021
von SMA

«Swiss made»: Mit diesem Begriff verbinden Menschen viel mehr als nur eine einfache Herkunftsdeklaration. Sie erwarten Präzision sowie höchste Qualität. Doch welche Faktoren zeichnen diese «Swiss Quality» konkret aus – und wie bewahrt man Tradition, ohne dabei die Innovation zu bremsen? 

Interview mit Christoph Grainger-Herr, CEO von IWC Schaffhausen

Christoph Grainger-Herr, was bedeutet für Sie der Begriff «Schweizer Qualität» – und welche Werte verbinden Sie damit?

Für mich liegt ein wesentliches Merkmal der schweizerischen Qualität in der Tatsache begründet, dass Produkte weiterentwickelt und Ideen weitergedacht werden als anderswo. Heute existieren unzählige Dinge, die mit tollen Designs überzeugen. Doch echte «Swiss Quality» hebt sich dadurch ab, dass noch weitere Schritte unternommen werden und es den Menschen hinter einem Produkt nicht allein darum geht, einen Verkauf zu erzielen. Sie tun mehr als nur das Notwendige und dies immer mit der Absicht, nicht nur einen oberflächlichen Effekt zu erzielen, sondern echten Tiefgang zu schaffen. Daraus hat sich in vielen Schweizer Betrieben ein hoher Anspruch an die eigene technische Raffinesse entwickelt. Und ich persönlich vertrete die Ansicht, dass gerade die Uhrmacherei diese Werte perfekt repräsentiert. 

2017 wurden Sie im Alter von 39 Jahren zum CEO von IWC Schaffhausen ernannt, einem Schweizer Traditionshaus. Welche Werte symbolisiert IWC für Sie?

Der Ingenieuransatz geniesst in unserem Haus einen enorm hohen Stellenwert. Wir entwickeln unsere Timepieces unter einem problemlösungsorientierten Engineering-Credo, das wir mit unserem typischen puren Designansatz kombinieren. Im Kern bilden Nutzbarkeit, Langlebigkeit sowie eine klare Gestaltung das unverwechselbare Fundament der IWC-Produkte. Wir nennen dies auch die «No-Nonsense Art of Watchmaking». IWC steht auch für Understatement und Eleganz, nie für opulenten oder lauten Luxus.

Wie verlief Ihr persönlicher Weg in die Welt der Luxusgüter?

Für mich begann die Reise bereits als Fünfjähriger, als mein Vater in meinem Beisein in einem Berner Geschäft eine Uhr der Marke Patek Philippe erwarb. Damals erfuhr ich zum ersten Mal etwas über den Wert einer mechanischen Uhr. Während meiner Studienzeit in englischen Bournemouth passierte ich immer wieder einen Uhrenhändler, wobei mich schon damals die Stücke von IWC Schaffhausen ganz besonders ansprachen. Diese Faszination festigte sich zunehmend. Im Praxisjahr meines Innenarchitekturstudiums designte ich Läden grosser Modemarken sowie das Geschäft eines Juweliers in London. Das fand ich hochinteressant und meine Affinität für Luxusgüter trat immer stärker zutage. Kurz nach meinem ersten Job als Projektarchitekt in Zürich wurde ich vom Luxusgüterkonzern Richemont mit der Gestaltung des Museums von IWC Schaffhausen beauftragt. Der ehemalige IWC-Chef bot mir daraufhin eine Stelle im Bereich Trade Marketing an – und mein Einstieg bei IWC war vollzogen.

IWC kann auf eine lange Geschichte zurückblicken. Wie wahrt man die Tradition eines solchen Unternehmens – und macht es gleichzeitig in Zeiten der Digitalisierung sowie neuer Kundenbedürfnisse fit für die Zukunft? 

Unternehmen wie das unsere müssen über den Willen verfügen, eine kontinuierliche Produktentwicklung zu vollziehen, ohne dabei aber den Luxusaspekt zu vernachlässigen. Unsere Kundschaft ist äusserst konsistenzaffin, weswegen sich auch unsere neuen Produkte in das bestehende Ganze einfügen müssen. Gleichzeitig durchläuft die Welt einen Wandel, der auch vor unserer Marke nicht Halt macht: Junge Käuferinnen und Käufer verfügen über ihre eigenen Erwartungen und hegen neue Ansprüche, die uns dazu veranlassen, uns kontinuierlich weiterzuentwickeln. Das führt unter anderem dazu, dass wir stets danach streben, das Kundenerlebnis in der digitalen Sphäre zu verbessern und dort zu den Vorreitern zu zählen. Wir vollziehen also eine kontinuierliche Entwicklung, während unsere DNA die gleiche bleibt. 

Wie steht es um die Innovationskraft?

Die ist für jedes Schweizer Unternehmen essenziell – und damit natürlich auch für uns.  

Es ist erstaunlich, welche gewaltigen Fortschritte unsere Werke erzielt haben, etwa im Bereich Langlebigkeit. Ein Paradebeispiel dafür ist unser Material «Ceratanium», welches sich durch äusserst hohe Kratzfestigkeit auszeichnet und dennoch extrem leicht ist. Ceratanium ist das Resultat von acht Jahren intensiver Forschung und Entwicklung. Zudem haben wir unter anderem ein neues Kupplungssystem entwickelt, dass wir gemeinsam mit der Universität Cambridge enormen Stresstests unterzogen haben. So ist das System in der Lage, eine Belastung von 30 000 G zu überstehen. 

Ein weiteres wichtiges Thema, auch in der Luxusgüterindustrie, ist die Nachhaltigkeit. Wie sieht das Engagement von IWC diesbezüglich aus?

Kontinuität und Langlebigkeit stellen für mich gelebte Nachhaltigkeit dar. Und genau dafür steht IWC Schaffhausen: Seit unser Gründer aus Amerika nach Schaffhausen kam, wurden die Uhren immer am gleichen Standort gefertigt. Unsere Time Pieces werden von Generation zu Generation weitergegeben und haben nicht nur einen hohen Wert für unsere Kundschaft, sondern auch für den hiesigen Wirtschaftsstandort. Zudem sind wir heute in der Lage, die Herkunft unserer Materialien über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg nachzuvollziehen, wodurch wir maximale Transparenz schaffen. Und mit Massnahmen wie neuen Verpackungskonzepten sorgen wir dafür, dass wir auch dem ökologischen Nachhaltigkeitsaspekt Rechnung tragen. 

Bild Juerg Kaufmann

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Über Christoph Grainger-Herr

Christoph Grainger-Herr wurde am 27. Februar 1978 in Frankfurt am Main geboren. Nach einem Innenarchitekturstudium in England und Basel führte sein Weg über verschiedene Stationen in die Schweizer Uhrenmanufaktur IWC Schaffhausen, deren Geschicke er seit 2017 als CEO leitet. 

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