Pierre Wenger: «Wenn du etwas bewegen willst, wirst du Fehler machen»
Pierre Wenger, Unternehmensleiter bei Interdiscount, spricht über die Veränderungen im Supply-Chain-Management und betont die Wichtigkeit von Teamwork.
Herr Pierre Wenger, Ihre Eltern hatten ein kleines Radio- und TV-Fachgeschäft, heute sind Sie Unternehmensleiter von Interdiscount. Was fasziniert Sie an dieser Branche?
Die Branche verändert sich laufend stark, allein durch die technischen Innovationen. Neue Produkte und Technologien kommen in hoher Kadenz auf den Markt. Damit kann man immer neue Kundenbedürfnisse abdecken. Darum muss man als Händler natürlich auch dranbleiben und sich anpassen.
Auch die Vertriebswege befinden sich im stetigen Wandel. Vor 50 Jahren lag die Dominanz beim stationären Fachhandel, später kamen in der Elektronik die Grossflächenmärkte, dann kam E-Commerce als grosse Veränderung. Und das wird so weitergehen.
Welche Ihrer Charaktereigenschaften helfen Ihnen dabei, Ihre Aufgaben als Unternehmensleiter erfolgreich zu meistern?
Ich denke, dass man schlussendlich nur als Teamplayer Erfolg haben kann. Alleine bewegt man nichts. Man muss ein Team dabeihaben. Ich halte mich für einen Teamplayer, ich hoffe meine Mitarbeitenden stimmen mir da zu (lacht). Mir ist es wichtig, dass man über die Hierarchien und Abteilungen hinweg gut miteinander arbeiten kann. So kann man für die Kundschaft das beste Angebot erstellen und darum geht es schliesslich im Handel.
Wenn Sie auf Ihre Karriere zurückschauen: Was würden Sie anders machen?
Das ist eine spannende Frage. Ich bin nicht der Typ, der in der Vergangenheit lebt und mit dieser hadert. Die Vergangenheit ist wichtig, um von ihr zu lernen. Ich glaube, mein grosses Glück ist es, dass ich schon lange in dieser Funktion bin und schon viele Fehler machen durfte, aus welchen ich dann gelernt habe. Das gehört dazu: Wenn du etwas bewegen willst, wirst du Fehler machen.
Vor allem auch diese haben mich zu meinem Wissen und zu dem Punkt gebracht, an dem ich bin. Darum glaube ich nicht, dass ich etwas fundamental anders machen würde.
Können Sie ein Beispiel geben, wo Sie aus einem Fehler lernen durften?
Gerade im E-Commerce geschahen zuerst viele Fehler. Zu Beginn dieser Online-Entwicklung hat man noch nicht erkannt, wie wichtig Produktdaten für die Kundschaft sind. Der Fokus auf jene ist erst später entstanden. Das hätte man früher machen können. Dies könnte man als Fehler betiteln, ich sehe es jedoch eher als Erfahrung.
Der Bereich des Supply-Chain-Managements (SCM) wird für zukünftige Berufsleute immer attraktiver. Welche Skills sind im SCM besonders wichtig?
Ich denke, das Verständnis eines End-to-End-Prozesses ist zentral. Man muss die verschiedenen Stationen dieses Prozesses verstehen. Dieser deckt in der Regel mehrere Bereiche organisatorisch ab, daher muss man auch kommunizieren können, auf Leute zugehen und Einheiten zusammenbringen. Zudem ist ein gewisses analytisches Zahlenverständnis entscheidend. Koordination, Organisation und strukturiertes Arbeiten sind ebenfalls wichtig. Der Blick fürs Ganze darf nicht fehlen.
Die Digitalisierung verändert das SCM. Wie stellen Sie sicher, dass Ihr Wissensstand stets aktuell ist?
Aktuell haben wir ein grosses Transformationsprojekt und schauen in diesem Rahmen alle Prozesse an, auch mithilfe externer Fachpersonen. Es sind viele Mitarbeitende involviert. So stellen wir sicher, dass das Wissen nicht nur bei einer Person ist, sondern im Team gut verteilt ist.
Wir nutzen auch die Chance, um uns grundlegende Gedanken zu machen: Wohin geht unsere Entwicklung? Wie machen wir uns fit für die nächsten zehn Jahre? In diesen Fragen sind auch die externen Fachpersonen wichtig. Und natürlich gibt es auch Quellen wie Fachjournale, die dabei helfen, stets auf dem neuesten Stand zu bleiben. Da ich aus dem General Management komme, ist es für mich auch immer wichtig, die grossen Zusammenhänge zu verstehen.
Da ich aus dem General Management komme, ist es für mich auch immer wichtig, die grossen Zusammenhänge zu verstehen.
Pierre Wenger
Gibt es Entwicklungen und Innovationen im SCM, welche Sie als negativ empfinden?
Gerade wenn man die Heimelektronik anschaut, ist die Supply Chain sehr global aufgestellt. Durch die Pandemie-Herausforderung konnte innert kurzer Zeit ein wahnsinnig starkes globales Nachfragewachstum verzeichnet werden, mit Homeoffice als Stichwort. Das Nachfragewachstum, diverse temporäre Fabrikschliessungen, regionale und nationale Lockdowns und sehr knappe Transportkapazitäten haben die Grenzen der stark durchgetakteten Supply Chain aufgezeigt. Die konzentrierte Produktion und die stark integrierte Supply Chain hat natürlich auf die Nachfrageschwankung nicht so schnell reagieren können. Ich glaube, diese Entwicklung muss man sehr gut im Auge behalten. Es ist nicht nur auf kosteneffiziente, sondern auch auf resiliente Supply Chains zu achten. Und natürlich gibt es gerade in Punkto Nachhaltigkeit viele wichtige Aspekte. Ich glaube, die Welt wird in zehn Jahren ganz anders aussehen, als wir sie heute kennen.
Inwiefern?
In der Heimelektronik sind es die grossen Brands, die produzieren. Daher ist es interessant, wie diese sich aufstellen werden. Und ich gehe davon aus, dass diese sich viele Gedanken zur Resilienz der Supply Chain machen. Wie sie das machen werden, darüber kann ich nur spekulieren. Da spielen viele Themen eine Rolle wie beispielsweise die geografische Diversifikation der Produktion oder die Frage, wie viele Supplier man für gewisse Komponenten braucht. Es geht bis ins Geopolitische.
Interdiscount hat sich gegen das Outsourcen der Logistik entschieden. Welche Vorteile bringt es einem Unternehmen, die Logistik selber abzuwickeln?
Aus unserer Sicht ist die Logistik gerade im Onlinehandel ein zentrales Element für die Kundenerfahrung. Man kann hier in der Qualität und der Geschwindigkeit eine Differenzierung zur Konkurrenz erzielen. Dies ist im Handel generell schwieriger geworden. Preis und Sortiment nähern sich stärker an und da ist die Logistik eine Differenzierungsmöglichkeit, welche die Kundschaft auch wahrnimmt. Darum halten wir die Logistik für die Kernkompetenz des Omnichannel-Handels.

Sie sind bereits seit 13 Jahren in der Logistik tätig. Wie hat sich die Branche in dieser Zeit verändert?
Seit über zehn Jahren beschäftige ich mich als Unternehmensleiter nun bereits mit Fragen der Supply Chain und zuvor war ich als «Leiter Category Management & Beschaffung» schon nahe am Thema dran. Es hat natürlich eine gewaltige Entwicklung in Richtung Integration, Automation und Digitalisierung gegeben, aber in diesen Bereichen werden aus meiner Sicht noch grössere Schritte folgen. Diese Entwicklung ist noch lange nicht fertig. Für uns hat sich in der Arbeit schon vieles verändert, weil sich allein schon die Güter verändert haben.
Vor 15 Jahren haben wir noch mit Röhrenfernsehern hantiert. Diese waren zehnmal so schwer, dafür deutlich kleiner als die heutigen Geräte. Allein das stellt neue Ansprüche an die Logistik. Auf der anderen Seite steht natürlich die E-Commerce mit der Endverbraucher-Logistik: Wie kriege ich das Päckchen zur Endkundschaft? Mit welchen Dienstleistungsbetrieben macht man die letzte Meile? Bis zu den heute üblichen kurzen Lieferzeiten brauchte es grosse Entwicklungsschritte.
Auch dadurch, dass man viel grössere Sortimente hat, wird der Wareneingang fragmentiert; man hat viel kleinere Wareneingangsmengen. Früher hatte man vielleicht 2000 Stück eines Artikels im Lager, heute sind es 40 bis 50.
Ein weiterer Punkt ist die Steuerung der Zulieferung der Endkundschaft. Sie will nicht einfach irgendwann mal Post erhalten, sondern das Päckchen steuern, tracken und den Ankunftsmoment bestimmen.
Shoppen Sie privat online oder lieber im Ladengeschäft? Warum?
Ich bin jemand, der sehr nach Convenience sucht. Anfangs mache ich, wie jeder Konsumierende, Vorabklärungen online und lese Produktbewertungen. Manchmal bestelle ich auch online, weil das öfters schlichtweg einfacher ist. Ich bin Hobby-Handwerker, da bestelle ich vieles online. Zu einem TV-Kauf gehe ich jedoch typischerweise in ein Ladengeschäft, weil ich das Bild sehen möchte. Es kommt immer stark auf das Produkt an. Denn es geht um ein möglichst gutes Resultat mit möglichst geringem Aufwand. Convenience, eben.
Interview Fatima Di Pane Bilder Urs Troesch
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