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Innovation Transport & Logistik

Verkürzte Lieferzeiten durch digitalisierte Lieferketten

15.03.2021
von SMA

Auch die Logistik für den E-Commerce ist von der Digitalisierung betroffen. Kurze Lieferzeiten und Flexibilität sind wichtiger denn je. Doch wie sehen die Entwicklungen am Beispiel von Versandlieferungen unterwegs aus?

Ein Klick und nur zwei Tage später steht ein Paket vor der Tür. Was für die Kundschaft einfach und angenehm ist – man muss nicht einmal das Haus verlassen – stellt für das Versandunternehmen eine komplexe Aufgabe dar. Nach dem Klick muss das bestellte Objekt aus der bereitstehenden Lagerung geholt, verpackt und abgeschickt werden. Meist wird das Paket zu einem Distributionszentrum geliefert. Erst von dort aus findet es den Weg zur Kundschaft nach Hause.

Ein grosser Aufwand, um Bestellende zufriedenzustellen. Und noch immer ist es nicht genug. 

Im europäischen Durchschnitt erwarten 24 Prozent, dass eine Bestellung vor 20 Uhr am Folgetag geliefert wird. In Deutschland erwarten 78 Prozent der Bestellenden, dass sie die Lieferung nach höchstens drei Tagen in Händen halten. Für Online-Shops ist es folglich ein wichtiges Anliegen, die Auftragsabwicklung – den Weg zwischen Lager und Kundschaft – zu verkürzen und zu vereinfachen. Dies jedoch nicht ohne die Wirtschaftlichkeit zu vernachlässigen. E-Logistik eröffnet dafür neue Möglichkeiten.

Auf dem Weg in die Zukunft

Der naheliegende Aspekt, den es zu optimieren gilt, ist die Flotte. Man hört häufig von Experimenten mit Drohnen oder mobilen Robotern, welche die bestellten Pakete für die sogenannte «letzte Meile» ausliefern. Sie würden also für die letzte Distanz zwischen Verteilungszentrum und Endverbrauchenden eingesetzt werden. Dies verkürzt vor allem in Städten die Lieferungszeit, da Verkehr und komplizierte Wegführung bei herkömmlichen Fahrzeugen zu unnötigen Verzögerungen führen. Allerdings bezweifelt Patrick Kessler, Präsident des Verbands des schweizerischen Versandhandels, dass diese Art der Auslieferung massentauglich ist. «Drohnen eignen sich besser für regelmässige Lieferungen auf Standardstrecken oder in Notsituationen, wo andere Transportmittel versagen.»

Für die längeren Wege können die Einführung von autonomen Lastwagen in der Logistik und vor allem das «Truck Platooning» zur verbesserten Wirtschaftlichkeit des Treibstoffverbrauchs beitragen. «Platoon» bedeutet Zug oder passender Konvoi. Mit smarter Technologie können sich mehrere Trucks miteinander verbinden. Der vorderste Lastwagen im Konvoi übernimmt die Führung, die anderen folgen ihm automatisch. Bremst der erste, bremsen die anderen mit einer Reaktionszeit von 0,2 Sekunden. Ein Mensch braucht durchschnittlich eine Sekunde dafür. Dadurch können sie dem jeweils Vorderen näher auffahren und von seinem Windschatten profitieren. Eine weitere Möglichkeit, die eine Schwarmintelligenz eröffnet, ergibt sich bei Güterbahnhöfen. Die aufeinander abgestimmten Lastwagen einer Flotte vereinfachen die Koordination des Be- und Entladens. Dadurch beschleunigen sich die Vorgänge und die Carriers können sich früher auf den Weg machen. 

Wenn ein Carrier ausfällt

Doch was passiert, wenn es zu unvorhersehbaren Unterbrüchen in der Lieferkette kommt? Dafür bietet das «Digital Freight Matching» eine Lösung. Das beinhaltet Apps, die helfen, verfügbare Lastwagen in der Nähe zu finden. Diese Trucks lassen sich mit einem Klick ganz einfach buchen. Dies ermöglicht es, einen lästigen Unterbruch schnell und unkompliziert zu überbrücken. Die Zahlung erfolgt ebenfalls digital und geht innerhalb von zwei Tagen über die Bühne. So erhalten auch Lastwagenfahrende oder die jeweiligen Unternehmen einen Vorteil davon.  

Die digitale Spur

Bisher nahm Treibstoff den grössten Einfluss auf die Entscheidungen in der Logistik. Laut der «Analysis on the Future of Logistics» von Frost und Sullivan wird dieser Platz zukünftig von Daten eingenommen werden. Damit sind nicht nur die zuvor angesprochenen Daten über die Lieferung gemeint, sondern auch diejenigen über die Endkundschaft. Genauer gesagt sind die Daten interessant, weil E-Stores damit das Einkaufsverhalten der Kundschaft analysieren können. Um ihr Ziel, sofort «Gratification» anzubieten, damit ist der umgehende Besitz des eingekauften Objekts gemeint, zu erreichen, versucht Amazon nicht nur seine Flotte zu optimieren. Mit seinem Patent, dem «anticipatory shipping», analysiert das Unternehmen zudem die Kaufdaten der Kundschaft mit dem Ziel ihr Verhalten voraussagen zu können.

Ziel ist, ein Produkt bereits in der Nähe der Kundschaft zu haben, bevor diese überhaupt weiss, dass sie das Produkt kaufen wollen. Dafür will Amazon Lieferungen an unvollständige Adressen senden. Sobald dann jemand eine Bestellung getätigt hat, wird die Adresse vervollständigt, währenddessen das Paket unterwegs ist. So könnte die heute angebotene Same Day Delivery in Zukunft zu einer «Same Hour Delivery» werden. In der Schweiz spricht man davon eher als Dezentralisierung der Waren. «Ich kann mir vorstellen, dass bestimmte Waren in Stadtgebiete gesendet werden, deren Bewohner*innen diese Produkte regelmässig in Massen konsumieren», erwägt Patrick Kessler, «anstatt die Waren in einem grossen Zentrum zu lagern, wird es dann mehrere kleine Lagerhäuser in Nähe der Konsumierenden geben.»

Am Ende des Weges

Wohin werden diese Entwicklungen schlussendlich führen? Natürlich zu einer Verkürzung der Lücke zwischen Bestellung und Besitz. Ebenfalls können sich noch andere Veränderungen daraus ergeben. Zum Beispiel könnte sich durch die Dezentralisierung der Waren das Stadtbild wandeln. Ausserdem besteht die Möglichkeit, dass in einigen Jahren 50 Prozent der Flotten autonom oder halbautonom unterwegs sein werden. Dies könnte unser Verständnis von Verkehr vollständig über den Haufen werfen. Wenn es möglich ist, dass sich Lastwagen miteinander verbinden, weshalb nicht gleich alle Verkehrsteilnehmenden, die gemeinsam eine Strasse nutzen? Der Weg dorthin scheint jedoch noch lang und kurvenreich.

Text SMA

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