
Isabel Sattler
Psychologin und Yogalehrerin in Bern
Die Entscheidung ein Kind bekommen zu wollen und eine Familie zu gründen, ist einer der tiefgreifendsten Entscheidungen in unserem Leben. Ein Kind kann unser Leben unglaublich bereichern sowie gleichzeitig komplett auf den Kopf stellen. Die Familiengründung bedeutet nicht nur eine persönliche Veränderung, sondern beeinflusst zusätzlich die Partnerschaft sowie das gesamte Lebensumfeld. Daher ist es essenziell, sich zunächst sowohl individuell als auch gemeinsam als Paar intensiv mit diesem Wunsch zu beschäftigen: Welches Lebenskonzept bevorzuge ich? Wie möchten wir als Eltern sein? Welche Werte möchten wir vermitteln? Wie verändern sich unsere Rollen?
Entsteht bei dem Paar ein gemeinsamer Kinderwunsch, startet die gemeinsame Reise. Neben körperlichen Vorbereitungen, wie beispielsweise einer ausgewogenen Ernährung, Verzicht auf Substanzen wie Alkohol oder Nikotin sowie ärztlicher Termine und Untersuchungen, ist auch die mentale Vorbereitung bedeutsam. Diese beinhaltet sowohl eine individuelle als auch eine gemeinsame Auseinandersetzung mit der bevorstehenden neuen Lebenssituation. Eine offene und ehrliche Kommunikation über Gefühle, Erwartungen und Ängste ist hier der wichtigste Stützpfeiler. Wenn sich dies als ungewohnt oder herausfordernd gestalten sollte, kann man sich als Paar auch einen gemeinsamen wöchentlichen Termin setzen und somit ein festes Zeitfenster für einen Austausch einplanen. Dies kann helfen, Hürden zu überwinden und bietet beiden Zeit, sich auf ein Gespräch vorzubereiten. Durch einen regelmässigen Austausch festigt sich das Team-Gefühl. Auch Aktionen wie das gemeinsame Vorbereiten des Kinderzimmers oder kleine Gesten können unterstützend sein. Finanzielle Planung sowie die Schaffung eines stabilen sozialen Umfelds spielen eine wichtige Rolle. Zusätzlich unterstützen Organisationen wie ProFamilia Schweiz bei diversen Fragen und Anliegen.
Fehlgeburten und Schwangerschaftsabbrüche sind nach wie vor ein Thema, über das in der Gesellschaft wenig gesprochen wird, aber dennoch keine Seltenheit darstellt. Ein solcher Verlust kann Gefühle von Trauer, Wut oder Ohnmacht hervorrufen. Eine Stütze kann der Austausch mit der Partnerin oder dem Partner, der Familie oder mit Psycholog:innen sein. Auch Selbsthilfegruppen oder Beratungsstellen, wie kindsverlust.ch, bieten Unterstützung an.
Das «Abenteuer Familie» ist eine Reise voller aufregender Momente und spannender Herausforderungen. – Isabel Sattler
Die Schwangerschaft bietet einen Zeitraum, um sich mit Themen wie der bevorstehenden Geburt auseinanderzusetzen. Geburtsvorbereitungskurse sowie erste Kontakte mit Hebammen und Ärzt:innen geben einen guten Überblick und informieren über weitere Anlaufstellen. Während der Schwangerschaft lohnt es sich, immer mal wieder zur Ruhe zu kommen und mit sich selbst und dem veränderten Körper der Frau in Verbindung zu bleiben. Körperübungen wie Schwangerschaftsyoga, beruhigende Atemübungen oder das simple Auflegen der Hand auf den Bauch, können hier unterstützen. Auch gemeinsam über mögliche Kindernamen und Zukunftsvisionen zu sprechen, kann die Vorfreude steigern. Ebenfalls sollten «praktische Themen» spätestens während der Schwangerschaft Raum finden: Wie gestaltet sich die Kinderbetreuung nach der Geburt? Wer bleibt wie lange zu Hause für die Care-Arbeit und wie wird als Familie finanziell geplant? Wie wird die Beziehung im neuen Familiengefüge Platz finden? Was sind Wünsche und Ängste?
Spätestens mit der Geburt eines Kindes verändert sich das Leben dann grundlegend. Neben einer hormonellen Achterbahn können Ängste, Freude und Glücksgefühle parallel existieren. Auch der Schlafmangel sowie der ständige Bedarf an Aufmerksamkeit können herausfordernd sein. Trotz guter Vorbereitung können die Veränderungen überwältigend sein. Es kann auch Trauer auftreten, da die neue Lebenssituation gleichzeitig einen Abschied der «alten Lebenssituation» darstellt. Zu diesem Zeitpunkt ist es wichtig, sich selbst mit viel Geduld, Akzeptanz und Nachsicht zu begegnen. Wie in jedem Abschnitt dieses Abenteuers bleibt auch hier die offene Kommunikation eine wichtige Ressource.
In einem Familiengefüge braucht es zugleich verlässliche Absprachen, Routinen sowie Flexibilität und eine Anpassung an die verschiedenen Lebensphasen des Kindes. Dabei wird es viele wunderschöne, zugleich unvermeidbar auch herausfordernde Situationen geben. In solchen Momenten ist es wichtig, sich immer wieder Unterstützung zu suchen – sei es durch Familie, Freund:innen oder professionelle Organisationen, wie beispielsweise die Mütter- und-Väterberatung.
Die Eltern übernehmen die hauptsächliche Erziehungsarbeit und unterliegen gewissen Rechten und Pflichten. Eine ausgewogene Mischung aus Spiel, Lernen und Ruhe sowie ein bedürfnisorientiertes Eingehen auf das Kind bieten sich an. Auch gemeinsame Aktivitäten wie Vorlesen, Basteln und Ausflüge stärken die Bindung und fördern die individuelle Entwicklung. Die Eltern sind wichtige Bezugspersonen, jedoch alleinig nicht ausreichend. Das bekannte afrikanische Sprichwort «um ein Kind aufzuziehen, braucht es ein ganzes Dorf» ist auch auf unsere Schweizer Gesellschaft anwendbar. Weitere Bezugspersonen wie Grosseltern, Erzieher:innen, Lehrer:innen, Freund:innen sowie zusätzliche soziale Umfelde und Netzwerke beispielsweise in der Kita oder Schule, sind ergänzende essenzielle Ressourcen. Auch kann sich eine Begleitung per psychologischer Einzel-, Paar- oder Familienberatung/therapie anbieten.
Wie Sie feststellen dürfen, das «Abenteuer Familie» ist eine Reise voller aufregender Momente und spannender Herausforderungen. Erstellen Sie für dieses Abenteuer Ihre ganz persönliche Reisekarte, gehen Sie Ihren Weg mit all den Freuden und Hürden und zögern Sie nicht, sich immer wieder auch Unterstützung zu suchen oder Ihren Weg auch einmal anzupassen. Gute Reise!
Text Isabel Sattler, Psychologin und Yogalehrerin in Bern, Expertin im Bereich Paarbeziehung, Kinderwunsch, Schwangerschaft, Geburt und das Leben danach
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