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Editorial Gesundheit

Das Geheimnis unseres psychischen Immunsystems

29.01.2022
von SMA
Thomas Mattig

Prof. Dr. iur. Thomas Mattig, Direktor Gesundheitsförderung Schweiz

Seit fast zwei Jahren dominiert ein und dasselbe Thema und wir leben mit stetig wechselnden Einschränkungen; das Licht am Ende des Tunnels rückt immer wieder in die Ferne. Wer ist nicht müde und ausgelaugt von diesem hartnäckigen gesellschaftlichen Stresstest?

Gerade jetzt ist es wichtig, dass wir uns nicht nur mit unserem körperlichen, sondern auch mit unserem psychischen Wohlbefinden auseinandersetzen. Corona mag die grosse Spielverderberin sein, ohnmächtig sind wir jedoch keineswegs. Im Gegenteil. Das Zauberwort heisst Resilienz. Resilienz ist die Widerstandskraft, die uns positiv mit Veränderungen und Krisen umgehen lässt.

Der Begriff stammt aus dem Lateinischen «resilire», übersetzt: «zurückspringen» oder «abprallen». Heute wird er meist mit «Widerstandsfähigkeit» übersetzt. Resilienz ist die Fähigkeit, seine psychische Gesundheit während Widrigkeiten aufrechtzuerhalten oder danach schnell wiederherzustellen. Menschen mit hoher Resilienz fällt es leichter, Krisen zu bewältigen und daraus zu lernen. Sie setzen sich aktiv mit solchen Situationen auseinander, analysieren Auslöser, vertrauen der eigenen Selbstwirksamkeit, schreiben der Krise einen Sinn zu und erkennen bestenfalls eine Chance darin.

Zugegeben: Das mag aktuell etwas gar viel verlangt sein. Aber ein besserer Umgang ist allemal möglich. Dabei kommt uns zugute, dass die Resilienz keine angeborene Eigenschaft ist. Unser «psychisches Immunsystem» entwickelt sich vielmehr im Verlauf unseres Lebens und kann gezielt aufgebaut werden.

Widerstandskraft aufbauen, Selbstwirksamkeit erlernen

So wie das Coronavirus unser physisches Immunsystem angreift, so belasten Stress und Krisen unser psychisches Immunsystem. Letzteres lässt sich aber gezielt stärken, sodass wir schwierigen Situationen nicht ausgeliefert sind. Vereinfacht ausgedrückt lässt sich sagen: Wer sich mit seinen Problemen, mit Ursachen und mit Lösungen bewusst auseinandersetzt, kann sein Denken und Handeln aktiv beeinflussen. Dadurch erleben wir Krisen als weniger bedrohend, finden Lösungen und gehen weniger geschwächt oder sogar gestärkt daraus hervor.

Es braucht wenig, um Veränderungen anzustossen. Prof. Dr. iur. Thomas Mattig

Indem wir lernen, Impulse und unsere Emotionen zu verstehen, entwickeln wir unsere Resilienz. Wichtig ist auch, eine optimistische Einstellung gegenüber sich selbst und seinen Mitmenschen aufzubauen. Das bedeutet nicht, Negatives gutzureden. Resiliente Menschen glauben aber eher, dass sich Dinge zum Positiven wenden lassen. Auch ist es möglich zu lernen, Gefühle und Situationen einzuordnen und daraus die richtigen Schlüsse abzuleiten. Das ermöglicht es einem, sich auf das zu fokussieren, was gelingt, und künftig zu vermeiden, was nicht funktioniert. Durch Beobachten, Ausprobieren und Auswerten eignen wir uns so ein Repertoire von geeigneten Lösungsstrategien an. Ebenfalls elementar ist, die eigene Selbstwirksamkeit zu fördern. Selbstwirksamkeit ist die Überzeugung, schwierige Situationen und Herausforderungen aus eigener Kraft erfolgreich bewältigen zu können. Dies geschieht vor allem dann, wenn wir selber die Erfahrung machen – uns also bewusst wird, dass wir Herausforderungen bewältigen können, oder wenn andere Menschen an einen glauben.

Hinfallen, aufstehen, weitermachen

Die Pandemie stresst uns und kann Angst, Unsicherheit und Frustration auslösen. Es wird uns aber auch bewusst, wie wichtig es ist, unserer Psyche Sorge zu tragen, damit wir mit einem gesunden Geist in einem gesunden Körper («mens sana in corpore sano») leben. Beides hängt voneinander ab und diese Wechselwirkung zu erleben, ist motivierend. Es braucht ausserdem wenig, um Veränderungen anzustossen. Das gilt für einen selbst wie auch im Austausch mit anderen. Jeder Schritt – auch im wörtlichen Sinn – hilft uns und fördert die psychische und physische Gesundheit. Versuchen Sie es.

Text Prof. Dr. iur. Thomas Mattig, Direktor Gesundheitsförderung Schweiz

Eine Antwort zu “Das Geheimnis unseres psychischen Immunsystems”

  1. Margrit Beck sagt:

    Danke für Ihren ermutigenden und inspirierenden Text! Hilfreiche Schlüsselgedanken zu „Resilienz“, präzis auf den Punkt gebracht. Vertrauen in die „Selbstwirksamkeit“entwickeln, ja, immer wieder. Danke auch dass der Artikel aus einer Tagesanzeiger-Beilage im Net zu finden und zu haben ist! Ich werde ihn weiterempfehlen!

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