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Editorial Industrie

Der Mensch im Zentrum

04.02.2022
von SMA

 

Prof. Dr. Gian-Luca Bona, Direktor Empa

Prof. Dr. Gian-Luca Bona, Direktor Empa

Die Schweizer Industrie ist Weltklasse; sie bringt regelmässig bahnbrechende Innovationen auf den Weltmarkt. Wussten Sie etwa, dass Schweizer Firmen seit über 100 Jahren herausragende Beschichtungen entwickeln, die in unzähligen Produkten weltweit zum Einsatz kommen? Dadurch können etwa Automotoren zuverlässig und dauerhaft enorme Leistungen erzielen und so günstig in Millionen Stückzahlen hergestellt werden. Aber auch in der Nahrungsmittel- und Verpackungsindustrie spielen Oberflächenbeschichtungen eine wichtige Rolle, und Schweizer Firmen gehören zu den Weltmarktführern. Man kann sogar mit Fug und Recht behaupten, dass bei der Herstellung jeder Mahlzeit eine Schweizer Innovation im Spiel ist. In zunehmendem Masse ermöglichen Beschichtungen auch in der Medtech-Branche neuartige Lösungen. Wir werden immer älter und – leider – auch schwerer, brauchen «Ersatzteile», etwa für abgenutzte Gelenke. In der westlichen Welt erhält bald jede:r Zweite mindestens einmal im Leben ein (mehrfach beschichtetes) Implantat, das über Jahre einwandfrei funktionieren soll.

Man könnte ein Buch über Schweizer Innovationen schreiben, die durch hochmotivierte, erstklassig ausgebildete Menschen dank Neugierde und Vorstellungskraft entwickelt wurden. Diese Lösungen waren und sind die Grundlage unseres Wohlstands. Es sollte uns aber bewusst sein, dass diese Entwicklungen auch Schattenseiten haben. Verbrennungsmotoren und Industrieanlagen stossen Kohlendioxid aus. Die Umstellung auf erneuerbare Energie ist daher eine der zentralen Herausforderungen, aber auch eine riesige Chance, die wir gemeinsam anpacken müssen. Nur so können wir den bald zehn Milliarden Menschen auf der Welt eine lebenswerte Perspektive bieten.

Dank enger Zusammenarbeit zwischen Universitäten und Forschungsinstitutionen mit der Industrie gibt es derzeit keine Anzeichen für einen Rückgang der Schweizer Innovationskraft. Zum Glück, denn sonst würden wir unsere Wettbewerbsfähigkeit einbüssen. Mehr denn je müssen wir jetzt in die Zukunft investieren und die Grundlagen für eine nachhaltigere, umweltfreundlichere Industrie schaffen. Dabei geht es im Kern darum, in geschlossenen Kreisläufen zu denken und handeln. Wir leben schliesslich in einer Welt mit endlichen Ressourcen, die wir zum Wohle aller nachhaltig nutzen, also immer wieder neu verwenden sollten.

Es gilt sicherzustellen, dass die Entwicklung der Industrie, einschliesslich neuer Produktionstechniken, mit unseren gesellschaftlichen Prioritäten im Einklang steht – für eine Schweiz, die fit ist für das digitale Zeitalter, und eine Wirtschaft, für die der Mensch im Zentrum steht. Die Digitalisierung erlaubt die intelligente Steuerung und sichere Überwachungen zahlreicher Produktionsprozesse, etwa über künstliche Intelligenz (KI) und Sensor-Netzwerke, die auch vermehrt im «Internet-of-Things» (IoT) zum Einsatz kommen.

Auf den ersten Blick scheint die Welt dadurch komplexer zu werden. Bei genauerem Hinsehen ist dies aber gerade eine Chance für die stark diversifizierte Schweizer Industrie. Konzepte aus der einen Branche lassen sich hier relativ rasch in eine andere übertragen: Was heute für Lösungen in der Automobilindustrie entwickelt wird, kann schon morgen die Medtech-Branche beflügeln.

Gerade an den Grenzflächen verschiedener Disziplinen entsteht oft Neues. Die Schweiz hat es dank ihres ausgezeichneten dualen Bildungssystems und ihrer privaten und öffentlichen Forschungs- und Entwicklungsförderung immer wieder verstanden, einen fruchtbaren Boden für Innovation zu schaffen. Nun müssen wir alles daransetzen, diesen gemeinsam zu «düngen». Nur so kann unsere Industrie in einer zunehmend globalisierten, sich rasant wandelnden Welt auch weiterhin unseren Wohlstand sichern – und dabei gleichzeitig die Grenzen unseres Planeten respektieren und das Wohlergehen Aller in den Mittelpunkt stellen

Text Prof. Dr. Gian-Luca Bona, Direktor Empav

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