lieferkette, güterversorgung
Supply Chain Management Industrie

Weltweite Güterversorgung in Bedrängnis

04.02.2022
von SMA

Unternehmen stehen weltweit vor grossen Herausforderungen, wenn es um die Beschaffung von Rohmaterialen, Einzelteilen und Komponenten geht. Dazu gehören z.B. das begrenzte Angebot an Rohstoffen, die erhöhte Importnachfrage aus China und den USA, die gesunkenen Transportkapazitäten und dadurch gestiegenen Transportkosten sowie die internationalen staatlichen Erschwernisse aus der Coronapandemie.

Der partielle Mangel an Rohstoffen und industriellen Vorprodukten kombiniert mit reduzierten Transportkapazitäten behindert die Versorgung. Diese geschieht über die sogenannten Lieferketten, die heute ein Netzwerk von Unternehmen, Zulieferern und deren Zulieferer sowie Verkehrsträgern mit ihren Transportmitteln bilden. Dass in diesen Lieferketten bereits kleinste Störungen grosse Ausfälle und Risiken bedeuten, ist klar. Die Komplexität und Störanfälligkeit der ineinander verzahnten internationalen Logistikketten, die Digitalisierung sowie gleichzeitig die umwelt- und sozialpolitischen Anforderungen und die Situation der Transportbranche trafen auf eine bereits zunehmende Verknappung der Rohstoffe und steigende Preise. 

Gründe für Lieferengpässe

Der Beschaffungsmarkt stöhnt und ächzt weltweit. Dabei hat der massive Anstieg der Transportkosten sowie das dringende Bedürfnis der Firmen ihre Lager zu erhöhen, massgeblich dazu beigetragen. «Der Einbruch des verfügbaren Frachtvolumens in den Flugzeugen, der weltweite Containermangel und der Stau von Containerfrachtschiffen in den USA führt aktuell zu zusätzlichen Lieferproblemen», erklärt Dr. Peter Acél, renommierter Fachexperte im Bereich internationale Supply-Chain-Managementberatung und Dozent an der ETH Zürich. Einzelne Rohstoffe und Vorprodukte sind weiterhin knapp, die Engpässe führen zu steigenden Preisen und längeren Lieferzeiten. Gründe dafür werden im Auslöser Coronapandemie gesucht. 

Dr. Peter Acél sieht die Schwierigkeiten in den Lieferketten jedoch vielschichtiger:

– Die Erholung nach der Coronakrise steigert die Nachfrage, aber die Knappheit der Zulieferprodukte hält weiter an. Das Angebots- und Nachfrageniveau ist höchst sensibel. Es mangelt an Stahl, Holz, Aluminium und Kupfer sowie einzelnen Halbleitern. Die Preise steigen.

– Nachfragesog: Weltweit wurden Produktionen und Häfen während der Pandemie geschlossen. Jetzt soll das Ganze wieder hochgefahren und auch die Lagerbestände erhöht werden, nachdem diese aufgrund der Pandemie abgebaut wurden.

– Auch der Handel trägt seinerseits zur Angebotsverknappung durch das eigene Marketing und das fehlende Risikomanagement bei. Das treibt die Preise ebenfalls hoch.

– Die Pandemie hat sich auf bereits zuvor schwach organisierte Schnittstellen in den Lieferketten besonders stark ausgewirkt. Zudem haben die besonderen Arbeitsschutz- und Hygienebestimmungen aufgrund der Pandemie viele Abläufe verändert, was zu Verzögerungen und Zusatzbelastungen führte. Die Industrie muss hier grundlegende Hausaufgaben machen.

– Subventionen und bis im letzten Sommer tiefe Zinsen führten in den USA zu einem Boom an Hausbauten. Dies führte dazu, dass der Rohstoff Holz in einem Mass nachgefragt wurde, wie seit Jahrzenten nicht mehr; entstanden ist daraus eine weltweite Verknappung. Als Folge kauft China grosse Mengen in Europa ein, was nun auch hier zu einer Verknappung führte.

– Zudem befindet sich der Stahlmarkt je nach Qualität in einem Engpass; nicht zuletzt aufgrund des Wachstums in vielen asiatischen Ländern, die bereit sind, für Stahl und weitere Rohstoffe aus China höhere Rohstoffpreise zahlen.

– Die psychologischen Aspekte dürfen auch nicht ausser Acht gelassen werden. So führt ein Horten aus Furcht vor Engpässen bei den Rohmaterialen zu zusätzlichen Engpässen und Preisanstiegen.

Lösungsansätze und Trends

Aufgrund der drohenden weiteren Vorprodukt- und Rohstoffknappheiten müssen für die Industrie neue Lösungen gefunden werden. Die Pandemie hat dem Handel und der ganzen Industrie gezeigt, wo die Schwachstellen liegen. So gilt es künftig gemäss Dr. Peter Acél:

Risikomanagement: frühzeitig zur Chefsache erklären und umsetzen. Dazu gehört auch ein mindestens jährliches Review. Zu den Risiken gehören entsprechende Massnahmepläne, welche z.T. auch beübt werden müssen. Besonders kritisch sind Vorprodukte, welche aus Gründen des Kostendrucks weltweit nur noch an einem Ort hergestellt werden z.B. Wasserchemie, medizinische Vorprodukte.

Widerstandsfähigkeit: Die Lieferketten müssen widerstandsfähiger werden. Alternative Lieferanten müssen gesucht und gepflegt werden. Dabei ist je Warenart zu beachten, dass nicht alle aus derselben Region z.B. aus China kommen. Auch alternative, evtl. nicht ganz optimale Vorprodukte sind zu berücksichtigen.

– Agilität: in der Transportbranche ist mehr denn je Agilität gefragt. D.h. kurzfristig reagieren und Sendungen umleiten z.B. mit der Bahn ab China nach Europa oder via See Air über Dubai.

– Datenmanagement: Aktuelle digitale Daten zur Verfügbarkeit von Ressourcen (Rohstoffe, Vorprodukte und Transportkapazitäten) über die ganzen Lieferketten hinweg in Konzernen, aber auch über Organisationen, zentral bereitstellen. Wird bei Knappheit nicht übergreifend agiert, werden Engpässe unlösbar.

– Technologisierung: In vielen Bereichen der Technologieanwendung sind aus Sicherheitsgründen oder aus Haftungsgründen Zertifizierungen vorgeschrieben. Auch hier gilt es frühzeitig oder dann möglichst schnell Parallelzertifizierungen anzustreben. Bemerkt ein Grossunternehmen nach 1,5 Jahren Pandemie, dass seine zertifizierten Computerchips ausgehen und hat noch keine Parallelzertifikate, dann liegen grobe Versäumnisse vor.

Fazit

«Unternehmen und Liefernetzwerke sind gefordert, eine intensive Analyse der Risiken und ein netzwerkübergreifendes Risikomanagement mit Massnahmen vorzubereiten. Dabei wird klar, ob mit oder ohne Pandemie wird es weiterhin zu punktuellen Verknappungen in den Lieferketten und bei den Rohstoffen kommen. Mit entsprechend flexibel geplanten Prozessen und mehr Kreativität jedoch können Unternehmen diese besser meistern», meint Acél abschliessend.

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