hr-managerin interviewt einen männlichen interviewpartner
Portra
Ausbildung Editorial Jugend

In den Passionen liegen die Stärken

22.11.2022
von SMA

 

Isabelle Santamaria,Geschäftsführerin des Nationalen Zukunftstags

Isabelle Santamaria
Geschäftsführerin
des Nationalen Zukunftstags

«Aber Sie sind eine Frau», sagte die Personalverantwortliche in ihrem Büro zu mir. Als solche würde ich kaum je als Rohstoffhändlerin arbeiten können, prophezeite sie mir, nachdem ich ihr von meinem Traumberuf erzählt hatte. «Rohstoffhändler», sagte sie, «ist ein Männerjob».

Ihre Aussage liegt rund 30 Jahre zurück. Doch ihr Satz ist mir in Erinnerung geblieben. Er gehört zu den Sätzen, die mich und meine berufliche Laufbahn prägten.

Ich war damals Anfang zwanzig, hatte auf einer Bank eine kaufmännische Lehre absolviert und mich zur Importfachfrau und zur Exportleiterin weitergebildet – wie ein Kollege aus dem gleichen Dorf auch. Ich sprach vom Elternhaus aus Deutsch und Italienisch, hatte nach einem Aufenthalt in England das Proficiency abgelegt, in Frankreich mein Französisch perfektioniert und in Mexiko mein Spanisch. Kurzum: Ich hatte alles mitgebracht, was ich für den Handel mit Rohstoffen benötigt hätte – wie mein Kollege auch. Nur dass er nicht nur davon träumte, sondern es auch wurde.

Die Einschätzung der HR-Fachfrau hätte mich in meinen Berufswünschen entmutigen können. Das Gegenteil war der Fall. Ihr Satz bestärkte mich darin, meinen Fähigkeiten nachzugehen – ungeachtet von Geschlechterklischees.

Heute erfüllt es mich mit Freude, wenn junge Frauen auf Podien über ihre Ausbildungen als Handwerkerinnen, Informatikerinnen, Technikerinnen oder Ingenieurinnen sprechen. Sie arbeiten in Berufen, die gemeinhin nicht als typische Frauenberufe gelten. Aber sie sind ihren Talenten gefolgt. Wie wenn junge Männer entgegen dem gängigen Rollenbild einen Beruf in der Pflege ergreifen, weil sie sich dort bestens einbringen können.

Eine selbstbewusste Berufswahl zeugt von Reife. Und wird belohnt mit Erfüllung. Deshalb lohnt es sich, den eigenen Passionen nachzugehen. In ihnen liegen die Stärken für die persönliche Entwicklung.

Ich selber wurde nicht Rohstoffhändlerin, erhielt aber eine Stelle im «Traffic» und verschiffte Blei, Zink, Zinn und andere Rohmaterialien über alle Weltmeere.

Indem ich auch später bei meinen grossen beruflichen Entscheidungen auf meine innere Stimme hörte, trage ich heute ein wenig dazu bei, dass junge Frauen und Männer unabhängig von ihrem Geschlecht ihrer beruflichen Passion nachgehen können. Und weil ich meinen Sehnsüchten folgte, führte mich mein Werdegang nahe zu dem, wer ich bin als Mensch.

Text Isabelle Santamaria, Geschäftsführerin des Nationalen Zukunftstags 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Vorheriger Artikel Netzwerke – die leisen Riesen hinter Innovationen
Nächster Artikel Mathilde Gremaud: «Wir müssen losstürmen und unser Bestes geben»