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Editorial Reisen

«Reisen ist heute nicht mehr ein Privileg, sondern ein Grundbedürfnis»

23.01.2024
von SMA
Hans R. Amrein, Publizist & Gesellschafter Hotel Inside


Hans R. Amrein
Publizist & Gesellschafter Hotel Inside

Das Jahr 2023 war eine hervorragende Zeit für den Schweizer Tourismus sowie die Hotellerie. Grindelwald und die gesamte Jungfrau-Region erreichten im Zeitraum Mai bis September eine Bettenbelegung von 97 bis 100 Prozent, um nur ein Beispiel zu nennen. Viele Hotels waren stets ausgebucht, und die Zimmerpreise erreichen ein hochalpines Niveau (plus 20 bis 30 Prozent). Aber auch Städte wie Zürich, Genf oder Luzern erzielten wieder Auslastungszahlen, die über dem Rekordjahr 2019 lagen. Dabei muss man allerdings sagen, dass Destinationen und Hotels, die traditionell vom Schweizer Markt leben und beispielsweise 70 oder 80 Prozent Schweizer Gäste beherbergen, diesen Sommer etwas weniger gute Zahlen als im Vorjahr aufwiesen. Der Grund dafür ist, dass die Schweizer:innen wieder vermehrt ins Ausland reisen (vor allem in den Süden Europas), was während der Pandemie nur beschränkt möglich war. Hotels und Tourismusorte, die primär von ausländischen Märkten leben, erzielten 2023 Rekordzahlen (siehe Jungfrau-Region). Und noch eine Besonderheit: Gäste aus Südostasien (Südkorea, Thailand, Indonesien usw.) sorgten in vielen Schweizer Ferienorten für einen wahren «Boom». Das sind aufstrebende Wachstumsmärkte – neben China und Südamerika. Zudem waren die USA 2023 ein starker Markt. Gerade Städte wie Zürich profitierten von wohlhabenden amerikanischen Gästen, die hier viel Geld ausgaben. Amerika ist und bleibt weiterhin einer der stärksten Wachstumsmärkte im Schweizer Tourismus.

Reisebüros bestätigen mit ihren Studien, dass der Schweizer Durchschnitt 2023 wieder vermehrt ans Meer reiste.

Die Tatsache, dass die Menschen weltweit wieder «normal» reisen und dass sich immer mehr Menschen Reisen und Ferien leisten können, ist positiv zu bewerten. Es zeichnen sich allerdings an manchen Orten bereits wieder Situationen ab, die in Richtung Massentourismus gehen. Reisen ist heute nicht mehr ein Privileg, sondern ein Grundbedürfnis. Vor allem für junge Menschen (Generation Z) ist das Reisen schon fast existenziell. Dies belegen auch die jüngsten Studien und Umfragen. Hinzu kommt, dass Europa und die Schweiz immer begehrter werden – vor allem aus der Perspektive Asiens und Amerikas. Erfreulich ist, dass immer mehr Menschen «nachhaltig» reisen wollen, sofern dies überhaupt möglich ist. Gerade in der Hotellerie wird das Thema Nachhaltigkeit langsam, aber sicher zu einem Verkaufsargument. Allerdings: Der Gast setzt Nachhaltigkeit, das heisst umweltgerechtes Handeln voraus.

Reisebüros bestätigen mit ihren Studien und Umfragen, dass der Schweizer im Jahr 2023 wieder vermehrt ans Meer reiste (Italien, Spanien, Südfrankreich). Begehrt sind auch Städtereisen, vor allem im Rahmen von Wochenendtrips. Dabei spielen Städte wie Paris, Rom, Wien und London nach wie vor eine zentrale Rolle. Doch auch Schweizer Städte profitieren von diesem Trend: In Zürich zeigen die Zahlen im Leisure- oder Freizeitbereich stark nach oben. Ganz nach dem Motto: Es muss nicht immer London oder Paris sein!

Für die Zukunft gehen Tourismusexpert:innen davon aus, dass der weltweite Reiseboom auch 2024 anhält. Beliebte Reiseziele werden, so wie 2023, südliche Länder in Europa sein. Dabei spielen die klassischen Badeferien am mediterranen Mittelmeer noch immer eine grosse Rolle. Sollten aber die Temperaturen im Sommer 2024 extrem ansteigen, gehen Expert:innen davon aus, dass die milden Berggebiete davon profitieren werden. Schon 2023 erlebte der Bergsommer im Alpenraum so etwas wie eine Renaissance. Die Menschen flüchteten vor der Hitze, um sich bei milderen Temperaturen gut zu erholen. Die Zukunft des Sommertourismus hängt also stark mit der Klimaerwärmung zusammen. Mein persönlicher Tipp für Ferien und Reisen im kommenden Jahr: kurzfristig buchen und von den günstigeren Raten profitieren. Das hören die Hoteliers nicht gerne, aber die Konsument:innen können so viel Geld sparen. Dies gilt vorwiegend für Hotelbuchungen, denn bei den Fluggesellschaften sieht es ganz anders aus. Empfehlenswerte Ferienorte sind eher kleinere und ruhigere Destinationen, die noch keinen medialen Hype geniessen. Meine Favoriten: Toskana, Ligurien, das Tessin, Wien, Salzburg und Südengland.

Das Fliegen wird immer aufwendiger und komplizierter. Einerseits vergeudet man in Flughäfen wertvolle Zeit. Andererseits ist das Fliegen stressig, unangenehm und mühsam, vor allem wenn man ein normales Economy-Ticket besitzt. Deshalb: Wenn möglich nicht in den Flieger steigen. Die beste Alternative: Die Eisenbahn, insbesondere die 1. Klasse. Bezüglich Hotels lohnt es sich, kleine, private Hotels mit Charme und guter Atmosphäre zu buchen. Denn Hotels sind mehr als reine Unterkünfte.

Zu guter Letzt werden 2024 Abenteuerreisen stark zunehmen. Die Menschen suchen ein Erlebnis, sie wollen verrückte und einzigartige Dinge oder Situationen erleben – und die Erlebnisse später über Social Media teilen. Ich sage: Tourismus und Hotellerie sind Erlebnis- und Erinnerungsbranchen. Es geht nicht nur um das Wegsein. Es dreht sich also um das Erlebnis und später um die Erinnerung…

Text Hans R. Amrein, Publizist & Gesellschafter Hotel Inside, www.hotelinside.ch

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