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Editorial Innovation Transport & Logistik

Dr. Beat Michael Duerler: Viele Faktoren bestimmen die Entwicklung der Logistik

15.03.2021
von SMA

Dr. Beat Michael Duerler
Präsident der Stiftung Logistik Schweiz (SLS) und Präsident der ASFL SVBL – Schweizerische Vereinigung für die Berufsbildung in der Logistik

Dank der enormen Zunahme des «Shopping at Home» – zuletzt zusätzlich wegen dem Shutdown auch in der Schweiz – hat der Onlinehandel einen richtigen Boom erlebt. Aber sind diese Entwicklungen wirklich so neu, war dies nicht in einem gewissen Sinne auch absehbar?

Die Logistik als Funktion in einer Unternehmung oder als überbetriebliche Supply Chain hat sich fest etabliert, doch die verschiedenen Flussgrössen der logistischen Prozesse haben sich teilweise entkoppelt und diese Entwicklung wird sich noch weiter akzentuieren. Der Informationsfluss findet heute weitgehend in der virtuellen Welt statt. Ein aktuelles Beispiel dazu ist der Onlinehandel. Millionen von Bestellungen werden online abgewickelt und die entsprechenden Warenflüsse ausgelöst. Vor allem im Endkundengeschäft, zum Beispiel im boomenden Fashion- oder Elektronikhandel, wird bei der Bestellung auch der Werte- oder Geldfluss digital abgewickelt. Geld im ursprünglichen Sinne des Wortes fliesst schon lange keines mehr. Ein moderner Wertefluss führt zu direkter Buchung via Kredit- oder Debitkarte. Bleibt noch der Warenfluss als dritte Flussgrösse der Logistik. Hier ist immer noch eine physische Lösung verlangt, die Waren werden kommissioniert, verpackt, verschickt, transportiert und über die letzte Meile ausgeliefert.

Das vergangene Jahr hat diese stetige Digitalisierung der Versorgungsketten sehr differenziert beeinflusst. Nach einer geordneten Entwicklung folgte eine Phase der beschleunigten Anpassung der logistischen Versorgungsketten und in den letzten Jahren – zusätzlich verstärkt durch die Auswirkungen von Covid-19 – kam es zu einem fast explosionsartigen Wachstum der logistischen Netzwerke. Unternehmen wie Amazon oder Zalando konnten unvorstellbare Wachstumsraten verbunden mit neuen Warenflüssen im Bereich der Paketdienstleister generieren. Aber heutige Supply-Netzwerke engagieren sich auch für Nachhaltigkeit. Bei der Umsetzung sind die Fragen der Dekarbonisierung der Warenflüsse genauso zu beachten wie die Entsorgung beziehungsweise das Recycling innerhalb einer modernen Supply Chain. Überdies müssen zusätzliche Risiken der globalen Versorgungsketten berücksichtigt werden und dabei auch eine lückenlose Rück- und Nachverfolgbarkeit sicherstellen.

Das letzte Jahr hat diese stetige Digitalisierung der Versorgungsketten sehr differenziert beeinflusst.

Dr. Beat Michael Duerler Präsident der Stiftung Logistik Schweiz (SLS) und Präsident der ASFL SVBL – Schweizerische Vereinigung für die Berufsbildung in der Logistik

Es zeigt sich, dass drei Thesen, welche bereits vor über 30 Jahren in einem Forschungsprojekt der Uni Zürich hervorgegangen sind, heute ebenso wichtig sind:

  • Dank der Integration der Logistik in die strategischen Entscheide einer Unternehmung und die hierarchische Gleichstellung dieses Bereichs mit anderen betrieblichen Funktionen, können heute modernste Unternehmenskonzepte äusserst erfolgreich wachsen. Amazon hat nicht ein neues Produkt erfunden, sondern ein Netzwerk geschaffen, von dem unzählige Kunden und Anbieter profitieren können. Damit ist dies im eigentlichen Sinne eine Logistikunternehmung.
  • Die aufgezeigten Entwicklungen lassen die Logistik- und Supply-Chain-Ausbildung immer wichtiger werden. Die vor über 30 Jahren geschaffene Berufslehre Logistiker hat sich fest etabliert und heute werden in der Weiter- und Fortbildung für die Supply Chain durch spezifische universitäre Studiengänge auf die neuen Anforderungen vorbereitet.
  • Damit bleiben die Berufsaussichten für Logistiker ausgezeichnet. Verlangt sind weiterhin Generalisten, welche die globalen Versorgungsnetze mit Informations-, Finanz- und Güterflüssen verstehen und optimieren. Ebenso wichtig sind aber Fachleute, welche die Anforderungen an Technologie (z. B. Dark Warehouse, Tiefkühlkette) und der Informatik (Digitalisierung, Automatisierung) in den Supply Chains der Welt einbringen und umsetzen können.

Wurde die Logistik vor über 30 Jahren als eine mögliche Wachstumsbranche bezeichnet, stellen wir heute fest, dass es die Wachstumsbranche der Gegenwart ist, und diese Tendenz in der nächsten Zukunft eher noch zu- als abnehmen wird.

In diesem Sinne viel Spass bei der Lektüre ganz aktueller Tendenzen in der Entwicklung lokaler und globaler Logistiknetzwerken.

Txt Dr. Beat Michael Duerler

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