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Familie Kinder

Das grosse Glück, acht Fehlgeburten später

12.05.2022
von Elma Pusparajah

Valentina Livian und ihr Mann wissen, was es bedeutet, mehrere Jahre ungewollt kinderlos zu sein. Die Kinderwunsch-Therapeutin erzählt, wie sie damit umgegangen ist und was ihr in dieser schweren Zeit geholfen hat. 

Frau Valentina Livian, wie früh kam der Kinderwunsch bei Ihnen auf? 

Mein Mann und ich sind seit 2015 zusammen und haben schon früh über Kinder und die Gründung unserer eigenen Familie nachgedacht. Dies waren jedoch Zukunftswünsche und keine konkreten Pläne. Mein Mann hatte auch immer davon geträumt, früh Vater zu werden. Zu dieser Zeit ahnten wir noch nicht, dass wir erst nach acht Fehlgeburten unser erstes Wunschkind in den Armen halten werden. 

War Ihre erste Schwangerschaft geplant? 

Nein, unsere erste Schwangerschaft war nicht geplant. Ich wurde trotz der Pille schwanger. Nach dem ersten Überraschungsmoment haben wir uns jedoch enorm darüber gefreut. 

Wann haben Sie gemerkt, dass Sie Mühe hatten, schwanger zu werden? 

Bei der ersten Schwangerschaft erlitt ich nach elf Wochen eine Fehlgeburt, was bereits ernüchternd war. Allerdings dachten wir zunächst, dass wir lediglich einen Misserfolg hatten. Unsere Meinung änderte sich spätestens nach der dritten Fehlgeburt, denn nach drei aufeinanderfolgenden Aborten sinkt die Chance, ein Kind zu bekommen, enorm. 

Wie hatten Sie sich nach den Fehlgeburten jeweils gefühlt? Was hat Ihnen geholfen?

Die Kinderwunschzeit war für uns eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Bei jedem positiven Schwangerschaftstest war die Freude enorm, jedoch wuchs mit jeder Fehlgeburt auch die Angst. Wir sind oft von Hoffnung in eine bodenlose Trauer gefallen und fühlten uns hilflos. Wir fokussierten uns auf eine mögliche Schwangerschaft und die Welt rundherum stand still.

Mit dem Wissen wurde unsere Wartezeit auf die nächste Schwangerschaft immer kürzer und ich wurde im ersten oder zweiten Übungszyklus schwanger.

Letztendlich konnten wir uns gegenseitig Kraft und Halt geben, um durchzuhalten. Unser Motto wurde: «Für Wunder muss man beten, für Veränderung muss man arbeiten.» Diese Zeit war gewiss nicht einfach für uns, aber am Ende haben sich all die Arbeit und Schmerzen gelohnt.

Haben Sie in dieser Zeit eine Therapie besucht oder anderswo Hilfe bekommen?

Irgendwann merkte ich, dass ich mentale Unterstützung brauchte. Ich war kraftlos und brach im Alltag unkontrolliert in Tränen aus. Daraufhin habe ich eine Therapeutin aufgesucht, welche mich dabei unterstützt hat, klar zu denken und meine Gefühle zu ordnen. Somit habe ich gelernt, einen anderen Blickwinkel einzunehmen, statt von Zyklus zu Zyklus zu leben. Dies hat mir geholfen, durchzuhalten.

Was haben Sie unternommen, um Ihre Chancen auf eine Schwangerschaft zu steigern?  

Ich suchte überall nach Informationen über das richtige Timing im Zyklus, die Unterstützung des Hormonsystems, die Optimierung der Eizellen- und Spermienqualität, den Einfluss der Psyche auf die reproduktive Hormonachse und mögliche körperliche Einschränkungen und Krankheiten. Mit dem Wissen wurde unsere Wartezeit auf die nächste Schwangerschaft immer kürzer und ich wurde im ersten oder zweiten Übungszyklus schwanger.

Wie hilfreich waren dabei die Ärzt:innen? 

Wir haben uns oftmals alleingelassen gefühlt. Unsere Ärzt:innen sind in ihren Fachgebieten spezialisiert, doch selten hat jemand den Überblick über das Ganze. Der Endokrinologe schaut die Hormonwerte an, der Rheumatologe die Antikörper und der Diabetologe die Zuckerwerte. Wenn in diesen Bereichen nichts gefunden wurde, hiess es dann: «Mit Ihren Werten ist alles in Ordnung, ich kann Ihnen leider nicht helfen.» Glücklicherweise hatte ich einen guten Frauenarzt, der mich stets unterstützte und mich an die entsprechenden Expert:innen weiterleitete. 

Wie lange hat es gedauert, bis Sie auf natürliche Weise erfolgreich schwanger wurden? 

Nach 3,5 Jahren hielt ich endlich einen positiven Schwangerschaftstest für meine Tochter Amelie in den Händen. Diese neunte Schwangerschaft war erfolgreich und unkompliziert. Mittlerweile haben wir zwei Töchter und sind mit dem dritten Kind schwanger.

Welche Faktoren haben geholfen? 

Bei mir hat die Bekämpfung der Killerzellen meines Immunsystems geholfen, da diese den Embryo fälschlicherweise angegriffen hatten. Zudem wurden die Gerinnungsstörungen behandelt. Ich habe selbst darauf geachtet, positiv auf meine Eizellenqualität einzuwirken.

Letztlich habe ich an meinem persönlichen Gemütszustand gearbeitet, um den Stress sowie den Zustand von Angst und Panik zu reduzieren. Denn dies kann auch Auswirkung auf die Hormone und das reproduktive System haben. Diese Veränderungen führten zu meiner ersten erfolgreichen Schwangerschaft.

Heute helfen Sie anderen Frauen mit einem Ratgeber und ihrer Kinderwunsch-Therapie. Wie kam Ihnen die Idee dazu?

Dies hat sich alles im Laufe der Zeit entwickelt. Ich hatte am Anfang die Facebook-Gruppe «Kinderwunsch-Ladies» gegründet, um mich selbst mit Gleichgesinnten auszutauschen. Dort konnte ich über meine Erfahrungen berichten und wurde von anderen Frauen oftmals nach Rat und Unterstützung gefragt.

Diese Anfragen häuften sich und ich konnte sie nicht mehr einzeln beantworten. Deshalb hatte ich die Idee, einen kostenlosen Ratgeber für alle Interessierten zu verfassen. Mittlerweile konnte ich mit meinem kostenlosen Ratgeber sowie mit meiner 1:1-Betreuung und einem Gruppenprogramm zahlreichen Paaren zu ihrem Wunschkind verhelfen. 

Was ist Ihr Geheimtipp, um schwanger zu werden?

Es ist wichtig, stets nach der Ursache zu suchen und nicht nur die Symptome zu bekämpfen. Unser Reproduktionssystem ist komplex und hängt von vielschichtigen Faktoren ab. Deshalb ist es effektiver, wenn die Ursache vollumfänglich untersucht wird. Andernfalls kann das Problem in einer anderen Form und Stelle erneut auftreten. Zudem sollte man aufhören nach der Wunderpille zu suchen, denn die existiert nicht. Meist muss eine Kombination von Faktoren behandelt werden, damit man fruchtbar wird. 

Was würden Sie anderen unfreiwillig kinderlosen Personen weitergeben? 

Gebt nicht auf, werdet aktiv, sucht selbst nach Ursachen und vernachlässigt nicht euren Kopf. Am Ende war es jede Anstrengung Wert, wenn ihr dann euer Wunschkind in den Armen halten könnt. 

Text Elma Pusparajah

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