fabienne wernly baby im arm
Karriere Kinder

Wie ich durch die Geburt meines ersten Kindes selbst neu geboren wurde

12.05.2022
von SMA

Moderieren, Feste feiern und die Welt bereisen – so stellte ich mir mit 14 Jahren mein unmittelbares Erwachsenenleben vor. Sicher sah ich mich nicht vollzeit zu Hause Wäsche waschen, Windeln wechseln und Duplo spielen – doch genau so kam es. Aber beginnen wir von vorn. 

Mein Kindheitstraum wurde wahr und durch viel Fleiss und Ehrgeiz arbeitete ich mich von der Praktikantin hoch zur Moderatorin in die Morgenshow von Energy Zürich. In vollen Zügen genoss ich es, dort meine Leidenschaft auszuleben, illustre Persönlichkeiten zu interviewen, spannende Reportagen durchzuführen und interessante Schicksalsschläge einem breiten Publikum zu präsentieren.

Unabhängig und mit viel Passion führte ich mein Leben. Mal hier, mal dort – stets ungebunden und so, wie es für mich gerade passte. Meine Arbeit war mein Leben und auch die sozialen Kontakte beschränkten sich meist auf meine Teamkollegen. Es war eine abenteuerliche Zeit. 

Sohn Emilio freut sich über die Steinplatten im Wasser. quelle: zvg

Ende 20 lernte ich meinen Ehemann am Sechseläuten kennen – auch dank meines Radiojobs. Mein Beruf verschaffte mir nämlich als Ehrengast Zutritt ins Zunfthaus und so einen Platz im Herzen meines Riesbächlers. 

2019 kam unser Wunschkind Emilio auf die Welt und mit ihm wurde auch ich irgendwie neu geboren. Es zeigten sich plötzlich zahlreiche Gefühle, die ich so nicht kannte. Einerseits war da diese überwältigende und unbeschreibliche grösste Liebe überhaupt. Andererseits machte sich ein enormes Verantwortungsgefühl breit und die teils einvernehmende Sorge, diesem kleinen Wesen könnte etwas zustossen.

Ich liebte meinen Beruf und spürte gleichzeitig diese gegenseitige Abhängigkeit von Mami und Kind.

Ein zartes Neugeborenes ist aber auch in höchstem Masse angewiesen auf immerwährende Zuwendung und Nähe. Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, mehr als zwei Tage zu arbeiten. Am liebsten hätte ich mir die Betreuung mit meinem Mann geteilt – das ist aber aufgrund seiner Position im Familienbetrieb nicht möglich. Ich fühlte mich zerrissen. Ich liebte meinen Beruf und spürte gleichzeitig diese gegenseitige Abhängigkeit von Mami und Kind. 

Zwischen zwei Welten

Zurück aus der Babypause war dann alles etwas anders als zuvor. Meine Stelle wurde teilweise besetzt und mit 40 Prozent war das Jobprofil logischerweise nicht mehr vergleichbar mit früher. Ich fühlte mich nirgends genügend. Gerne hätte ich meine alte Leidenschaft für den Beruf wieder zu 100 Prozent entfacht, wäre gerne flexibel für jede Reportage und jeden «Radio-Seich» zu haben gewesen.

Meine Gedanken waren aber auch immer wieder daheim bei meinem Sohn und ich wollte weder an Abenden noch an Wochenenden an Events teilnehmen und lieber bei der Familie sein. Ich fühlte mich im Dilemma. 

Warm eingepackt, verschläft Baby Matteo den Ausflug zum Sächseläutenplatz. quelle: zvg

Damals konnte ich diesen Zustand nicht akzeptieren und kündigte schliesslich sogar, um mich voll und ganz für die Familie zu entscheiden und wenigstens wieder etwas richtig gut und mit vollem Herzblut zu tun. Diese Entscheidung bereute ich später in gewisser Weise. Mir fehlte dieser Teil meines alten Lebens.

Ich wurde unzufriedener und unausgeglichener. So gründete ich den Podcast «Two Moms», der sich mit Elternthemen auseinandersetzt und sie kontrovers diskutiert. Ich richtete zu Hause ein Studio ein und konnte dadurch physisch daheim anwesend sein und ein Stück meines alten Ichs wieder finden. Win-win sozusagen, und doch fehlten mir das Team und der Tapetenwechsel.  

Familienplanung vs. Karriere

Mein zweites Wunder erblickte erst vor wenigen Monaten das Licht der Welt. Er ist ein kleines Koalabärchen und mehr oder weniger rund um die Uhr auf mir. Ich geniesse das Kuscheln im Bewusstsein, wie schnell diese magische Babyzeit vorübergeht und versuche, jeden Moment intensiv zu erleben.

Denn die Realität holt einen ziemlich schnell wieder ein, lediglich 14 Wochen Mutterschaftsurlaub (ha, «Urlaub») sind gesetzlich vorgeschrieben und so warten auf mich als Selbstständige bereits erste Jobs. Mein drei Monate altes Baby schon fremdbetreuen zu lassen, Milch abzupumpen und auf Wiedersehen zu sagen, das stimmt für mich emotional noch nicht. Meine berufliche Laufbahn will ich aber auch nicht ganz vernachlässigen. Die Tatsache, dass man den «5er und s’Weggli» nicht haben kann, bleibt.

Schlüsselwort Balance

Eines hat sich aber für mich nach der Geburt des zweiten Kindes geändert: Die Überraschung über diese Welle an Gefühlen blieb aus und mein selbstauferlegter Druck, dass ich überall genügen muss, habe ich mir genommen. Ich schaffe mir bewusst Auszeiten von den Kindern, um mich zu erholen und beispielsweise zu meditieren. Im Job habe ich zudem nicht mehr den Anspruch, an vorderster Front dabei sein zu müssen. Viel mehr ist Achtsamkeit bei mir zum Thema geworden.

Stets mit dabei: Grace fehlt bei keinem Familienausflug. quelle: zvg

Wenn ich mit den Kindern zusammen bin, versuche ich, voll und ganz physisch und mental da zu sein. Wenn ich arbeite, bin ich weg von zu Hause und auch mit den Gedanken vor Ort. Und wenn ich mir meine täglichen 15 Minuten fürs Meditieren herausnehme, dann bin ich auch da gedanklich nur bei meinem Mantra. Das hilft mir, lockerer zu sein und mein Vertrauen in mich und die Welt zu stärken.

Dadurch hat sich meine Lebensqualität unglaublich schnell verbessert. Ich freue mich, neben meiner Selbstständigkeit ab Herbst wieder zwei Tage pro Woche in einem Team zu arbeiten und dann wirklich loszulassen. Ein komplett sorgloses und freies Leben werde ich nicht mehr haben, aber dafür eines gefüllt mit unglaublich viel Liebe, Sinn und Erfüllung. 

Text Fabienne Wernly 

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