«Gemeinsam sind wir stark» – das ist der Slogan von EnsembleStark, einem Verein, der leer stehende Räumlichkeiten in Biel zur Zwischennutzung vermittelt. Anthony Pittet gehört zu den Gründern des Vereins. Im Interview erzählt er, inwiefern die Institution sowohl der Stadt Biel als auch der Bevölkerung Vorteile verschafft und weshalb ihm der Verein am Herzen liegt.
Der Verein EnsembleStark wurde zu Beginn des Jahres 2020 gegründet. Das Ziel ist es, leer stehende Räumlichkeiten in Biel für soziokulturelle Zwecke nutzen zu können. Somit können beispielsweise Künstler:innen, die für wenig Budget Räumlichkeiten für ihr Atelier suchen, über EnsembleStark fündig werden.
Anthony Pittet, inwiefern profitieren EnsembleStark und die Stadt Biel voneinander?
Die Stadt Biel profitiert von EnsembleStark insofern, dass Räumlichkeiten wie beispielsweise alte Industriegebäude, die leer stehen, gebraucht werden, bis sie abgerissen oder erneuert werden. Somit wird Kulturraum geschaffen, was wiederum den Zusammenhalt der Stadt fördert. EnsembleStark und somit alle Personen, die für ihr Projekt eine günstige Räumlichkeit suchen, profitieren von der Stadt Biel, indem die Stadt diese Räumlichkeiten für die Zwischennutzung erlaubt – eine Win-Win-Situation.
Was kostet eine Zwischennutzung?
Es gibt keine Mietpreise. Die Nutzenden müssen lediglich eine Pauschale von sechs Franken pro Quadratmeter an den Verein bezahlen, damit die Neben- und Verwaltungskosten gedeckt werden können. In Biel gibt es seit Beginn des Jahres 2020 ein neues Reglement, das besagt, dass gewerbliche Räumlichkeiten, die länger als drei Monate leer stehen, gemeldet werden müssen. Dann werden sie zur Zwischennutzung weitervermittelt. Dieses Reglement ist unsere Grundlage. Der Verein kümmert sich um die Organisation und die Verwaltung der Räumlichkeiten.
Seit Beginn von EnsembleStark war die Nachfrage nach solchen Freiräumen sehr hoch. Anthony Pittet
Du bist selbst in deiner Freizeit künstlerisch tätig und vollziehst deine Kunst in einem soziokulturellen Freiraum. Hattest du Mühe, einen geeigneten Raum für die Kunst zu finden?
Ja, es war sehr schwierig, etwas Geeignetes zu finden, denn die Mietpreise sind überall sehr hoch. Das war mitunter auch ein Grund für die Gründung von EnsembleStark und dem Engagement für die Schaffung von soziokulturellen Freiräumen in Biel. Mein Atelier befindet sich im Obergeschoss einer Industriehalle, das ich mir mit anderen Künstler:innen teile. Wir haben ein Konzept erstellt, wie wir diesen Raum nachhaltig nutzen und die Kosten gleichzeitig tragbar machen können. Wir nennen es: OAO – «offenes Atelier ouvert». Nebst dem eigenen Bereich gibt es Gemeinschaftsräume, die als Begegnungs- und Kreationszonen dienen. Das funktioniert sehr gut und alle teilen ihr Wissen und ihre Materialien. Seit Beginn von EnsembleStark war die Nachfrage nach solchen Freiräumen sehr hoch.
Für welche Zwecke können die gewonnenen Zwischenräume genutzt werden?
Grundsätzlich können die Zwischenräume für alle kulturellen Formen wie Kunst, Vereinstätigkeiten, persönliche Projekte und vieles mehr genutzt werden. Die Ideen für die Zwischennutzung werden zusammengetragen und anschliessend an einer Sitzung besprochen. Danach wird entschieden, für welchen Zweck die Räumlichkeit genutzt wird.
Wieso liegt dir der Verein am Herzen und was sind deine Aufgaben?
Die Zusammenarbeit mit anderen Menschen und der Einsatz für eine gute Sache hat mir schon immer Freude bereitet. Ausserdem kann ich mit EnsembleStark die Kunstszene unterstützen. EnsembleStark setzt sich für eine nachhaltige Kultur in Biel ein und fördert den Zusammenhalt von Biel und der Bevölkerung – das entspricht meinen Werten. Im Verein bin ich unter anderem für die PR-Arbeit, die Kommunikation und das Marketing zuständig. Meine Aufgaben sind sehr vielfältig.
Ist der Verein EnsembleStark in Biel ein Vorreiter für die ganze Schweiz?
In Zürich und Basel gibt es bereits ähnliche Kulturinstitutionen, die sich ebenfalls für die Zwischennutzung von leer stehenden Räumlichkeiten einsetzen. EnsembleStark ist der erste Verein der Region, der auf der neuen Regelung der Zwischennutzung basiert, somit sind wir für die Stadt Biel ein ideales Testprojekt. Inzwischen konnten wir bereits eine positive Synergie mit den Politiker:innen schaffen und deren volle Unterstützung gewinnen. Was den Rest der Schweiz betrifft, wäre es schön, wenn sich andere Städte eine Scheibe von Biel und EnsembleStark abschneiden würden.
Was sind Schwierigkeiten, denen ihr euch stellen müsst?
Wie für jede neue Institution gehört es zu den Schwierigkeiten, Legitimation für unser Anliegen in der Bevölkerung zu schaffen. Mit der Kommunikationsarbeit gelingt uns dies aber fortan. So konnten wir bereits von ursprünglich zehn Personen auf 150 Mitglieder anwachsen. Das wiederum stellt sich manchmal jedoch auch als Schwierigkeit heraus, da wir alles gemeinsam an einer Sitzung besprechen. Bei so vielen Personen wird das langsam schwierig.
Wie sieht die Zukunft von EnsembleStark aus?
Die Zukunft wird hoffentlich so aussehen, dass alle leer stehenden Räumlichkeiten in Biel genutzt werden können und unser Verein noch grösser wird. Ein nächstes Ziel ist sicherlich, dass wir auch leer stehende Wohnungen für die Zwischennutzung brauchen können, denn es gibt sehr viele Wohnungen und Häuser, die nicht gebraucht werden. Vielleicht können wir irgendwann sogar politisch etwas bewegen und die allgemeinen Mietpreise senken.
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