Firmen, welche auf ein nachhaltiges Wachstum im Sinne von Klimaschutz, Arbeitsverhältnissen und ethischer Geschäftsführung setzen, sollen unterstützt werden. Das ist zumindest die Absicht der Investierenden, wenn sie ihr Geld in ESG-Fonds stecken. Jedoch wird diese Erwartung in den wenigsten Fällen erfüllt.
Moderne Investitionsmöglichkeiten richten sich immer mehr auf die Ideale junger Investierenden aus. Sogenanntes «Impact Investing» liegt hoch im Trend. Das Kapital von Shareholdern soll in Firmen fliessen, die sich dem Vorantreiben des Wirtschaftswandels in Richtung Kreislaufwirtschaft und ökologischer Wende verschrieben haben. Nachhaltige Geschäftspraktiken sollen gefördert werden. Teil davon ist das neue Angebot von ESG-Fonds, die auf Nachhaltigkeit setzen. Entweder als klassischer Fonds oder auch als ETF. Dennoch taucht immer mehr der Vorwurf auf, dass es sich bei solchen ESG-Fonds um Greenwashing handelt. Sind diese Vorwürfe berechtigt? Was können Investoren:innen tun, um wirklich nachhaltig zu investieren?
Gute Miene zum bösen Spiel machen
Der Titel ESG ist eine Abkürzung für die drei Standards, die ein nachhaltiger Fonds als Haupteigenschaft aufweisen muss. «E» steht für Environment, «S» für Social und «G» für Governance. Ein Fonds, der sich selbst als ESG betitelt, weist somit nur Firmen auf, die sich der Nachhaltigkeit, dem Verfolgen von fairen Arbeitsverhältnissen und einer transparenten und moralisch vertretbaren Geschäftsführung verschrieben haben. Zumindest wird damit ein solcher Eindruck suggeriert. Betrachtet man aber den ersten ESG-Fonds, der im Portfolio der Investmentgesellschaft BlackRock aufgelistet ist, muss man unweigerlich die Stirn runzeln. Firmen wie Amazon und Tesla sind aus vielen Gründen, aber definitiv nicht wegen ihrer guten Arbeitsverhältnisse in den Schlagzeilen. Novartis macht mit vielen positiven Aspekten von sich reden, aber nicht mit moralischer Unternehmensführung. Trotzdem sind genau diese Firmen unter den zehn grössten Positionen innerhalb des Fonds aufgelistet. Wie kann das sein?
Das Ziel ist, dass in der Schweiz nur mit dem Label Nachhaltigkeit geworben werden darf, wenn das Finanzprodukt mindestens ein spezifisches Nachhaltigkeitsziel erfüllt oder es dazu beiträgt, dieses Ziel zu erreichen.
Wunsch und Realität
Die Erklärung für diesen Widerspruch ist in der Beschreibung des Fonds zu finden. Ist es nicht anders vermerkt, muss es nicht heissen, dass der Fonds ESG-orientierte Anlageziele verfolgt oder einer ESG-Strategie folgt. Es wird lediglich Rücksicht auf ESG-Daten und Informationen genommen. Rücksicht ist hier ein sehr schwammiger Begriff. Bei Überprüfung der Fondsstruktur und seiner Performance kann es gegebenenfalls Diskussionen zum Thema Einfluss auf ESG-Faktoren geben. Ab wann dieser Fall gegeben ist, bleibt unklar. Das Problem ist das ESG-Label selbst. ESG ist ein Label, das von der Privatwirtschaft kreiert wurde. Was die Kundschaft vom ESG-Label erwartet, hängt stark davon ab, was Investmentgesellschaften darunter verstehen. Und die Einstufung, ob ein Fonds nun ESG-Standards erfüllt oder nicht, überprüft die Fondsgesellschaft selbst. In den meisten Fällen geschieht dies durch vollautomatische Bewertungstools, welche Nachhaltigkeit nach empirischen Werten vergleichen. Wenn das System nun einen Rohstoffhändler mit einem Tech-Unternehmen vergleicht, wird es sich für das Tech-Unternehmen entscheiden. Deshalb findet man unter dem ESG-Label Unternehmen wie Tesla oder Amazon, weil sie im direkten Vergleich zu Produktionskonzernen oder Rohstoffförderern nachhaltigere Zahlen vorweisen können. Weiter konnten mit dem Beginn des Ukrainekriegs zwei weitere Veränderungen in den Portfolios der ESG-Fonds beobachtet werden. Unternehmen wie Hensoldt, welches unter anderem Zieloptiken für leichte Waffen wie Sturm- oder Maschinengewehre herstellt, wurden in Portfolios aufgenommen. Die Aktien weisen dank des Konflikts eine hohe Attraktivität und Rentabilität auf. Ob dies ethisch vertretbar ist, sei allen selbst überlassen, aber nach klassischen ESG-Kriterien ist der Konzern unbedenklich. Auch dem Ukrainekrieg zu verschulden ist der Zukauf von Aktien, welche Gewinne aus fossilen Energieträgern schöpfen. Laut einer Studie der Analystinnen Alison Schulz und Magdalena Senn wurden im Zeitraum von Dezember 2021 bis März 2022 940 Millionen Dollar zusätzlich in den fossilen Sektor investiert. Dies, um Verluste in der Tech-Branche auszugleichen und die Attraktivität der Fonds zu wahren. Performanceoptimierung überwiegt hier den Nachhaltigkeitsgedanken.
Ein gutes Urteil ermöglichen
Der Bundesrat hat deshalb an seiner Sitzung vom 16. Dezember 2022 klare Standpunkte gegen Greenwashing im Finanzsektor bekannt gegeben. Derzeit ist eine Arbeitsgruppe damit beauftragt, einen Plan zur Umsetzung dieser Punkte zu erarbeiten. Dieser wurde kürzlich, am 30. September 2023, abgegeben. Das Ziel ist, dass in der Schweiz nur mit dem Label Nachhaltigkeit geworben werden darf, wenn das Finanzprodukt mindestens ein spezifisches Nachhaltigkeitsziel erfüllt oder es dazu beiträgt, dieses Ziel zu erreichen. Ein klarer Gegensatz zu den heutigen Gegebenheiten. ESG-Fonds, welche Risikoreduktion oder Performanceoptimierung als einziges Ziel haben, können sich so nicht mehr als nachhaltig betiteln. Zur Definition, was ein Nachhaltigkeitsziel ist, wird der Rahmen für nachhaltige Entwicklung der UNO-Agenda 2030 als Basis genutzt. Am Ende können die Investierenden anhand der veröffentlichten Nachhaltigkeitsstrategien Produkte einfach vergleichen und einen faktenbasierten Entscheid treffen, ohne dass Unklarheiten bestehen. Damit verfolgt die Schweiz weiterhin ihr Ziel, international eine Führungsrolle als nachhaltiger Finanzplatz einzunehmen.
Schreibe einen Kommentar