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Investment Nachhaltigkeit Finanzen

Iwan Deplazes: «Die Schweiz ist hinsichtlich Sustainable Finance eine Pionierin»

16.10.2023
von SMA

Institutionelle Anleger investieren gewaltige Summen. Die Frage, wie sich diese Gelder nicht nur sicher, sondern auch nachhaltig anlegen lassen, rückt vermehrt in den Fokus. Welche konkreten Folgen hat dies für die Marktteilnehmenden – und welche Chancen ergeben sich daraus?

Iwan Deplazes,Präsident der Asset Management Association Switzerland AMAS

Iwan Deplazes
Präsident der Asset Management Association Switzerland AMAS

Iwan Deplazes, welche Aspekte sind für institutionelle Anleger heute entscheidend, um einen Investmententscheid zu fällen?

Institutionelle Anleger haben, wie Privatanleger:innen auch, sehr individuelle Bedürfnisse, auf die Asset Managerinnen und Manager eingehen müssen. Diese richten sich nach Anlagerichtlinien, Anlageziel sowie «Liabilities» – so haben etwa Versicherungen, Pensionskassen und Stiftungen spezifische Zahlungsverpflichtungen, die sie beim Anlegen berücksichtigen müssen. Grundsätzlich suchen institutionelle Anleger nach Investitionen, die stabil sowie vorhersehbar sind und ein angemessenes Risikoniveau aufweisen. Dies trifft besonders auf Schweizer Pensionskassen zu, ein sehr wichtiges Kundensegment für Schweizer Asset Manager.

Welche Trends liessen sich in den letzten Jahren in der Sphäre der institutionellen Anlegerschaft beobachten?

Grundsätzlich ist Diversifikation weiterhin das bestimmende Element einer risikogerechten Asset Allocation. Das bedeutet, man investiert in unterschiedliche Anlageklassen, Währungen, Sektoren sowie Regionen. In der Schweiz war in den letzten Jahren ein Trend zu höherer Aktiengewichtung sowie Immobilien zu erkennen. Pensionskassen legen heute rund 30 Prozent in Immobilien an – das ist Weltrekord. Doch auch alternative Anlagen, vor allem Private Equity, erfreuen sich zunehmender Beliebtheit. Mit der Zinswende rücken auch Obligationen stärker in den Fokus, gleiches gilt für Geldmarktfonds. Ein grosser Trend war und ist weiterhin Nachhaltigkeit, zunehmend springen auch Schweizer Pensionskassen auf diesen Zug auf. Anlagen mit Nachhaltigkeitsbezug erreichen in der Schweiz mittlerweile ein Volumen von 1,6 Billionen Franken, was gemäss Swiss Sustainable Finance mehr als 50 Prozent der von Schweizer Asset Managern verwalteten Vermögen entspricht.

Die ESG-Kriterien sind also ein entscheidendes Investmentkriterium?

Ja, denn der Nachhaltigkeitsgedanke ist heute sehr wichtig. Bis 2022 wurde ein jährliches Wachstum von 30 Prozent verzeichnet. Der Rückgang 2022 war in erster Linie performancebedingt. Nachhaltiges Anlegen ist auch Teil einer kollektiven Verantwortung der Asset-Management-Industrie, die Geldströme von Investorinnen und Investoren dergestalt in die Realwirtschaft zu lenken, damit die Klima- und Nachhaltigkeitsziele der UN erreicht werden können. Gleichzeitig werden die Anlagebedürfnisse in diesem Feld laufend komplexer: Das Spektrum reicht von der Integration von ESG-Kriterien über den Ausschluss problematischer Unternehmen und Sektoren aus einem Portfolio bis hin zu mehr Impact durch Investing.

Wir verfolgen die strategische Priorität, den Schweizer Finanzplatz führend im Bereich Sustainable Finance zu machen. Iwan Deplazes

Heute sieht sich die Branche allerdings zunehmend mit dem Vorwurf des Greenwashings konfrontiert. Berechtigterweise?

Es gibt durchaus «schwarze Schafe», aber die gesamte Branche deswegen in Sippenhaft zu nehmen, erachte ich als falsch. Die meisten Asset Manager, zumal diejenigen in der Schweiz, machen einen guten Job. Die Schweiz ist bezüglich Sustainable Finance eine Pionierin! Das Greenwashing-Problem ergibt sich durch einen Mangel an Definitionen und Standards sowie einen Mangel an vergleichbaren Daten aus der Unternehmenswelt. Auch die Qualität der vorliegenden Daten ist nicht ideal. Oft werden Anlageansätze auch schlicht falsch verstanden. Ein Beispiel: Um eine effektive Senkung des CO2-Ausstosses zu erzielen, ergibt es mehr Sinn, ein Anlageportfolio mit Unternehmen zu führen, die einen CO2-Senkungspfad verfolgen, als nur Firmen aus dem Portfolio auszuschliessen, die dies nicht tun. Dies wird oftmals nicht verstanden und provoziert Greenwashing-Vorwürfe.

Wie sorgt die Asset Management Association Switzerland AMAS für Vergleichbarkeit und Transparenz in diesem Handlungsfeld?

Wir verfolgen die strategische Priorität, den Schweizer Finanzplatz führend im Bereich Sustainable Finance zu machen. Dieser Anspruch ist unvereinbar mit Greenwashing und muss auf Glaubwürdigkeit, Transparenz und Integrität beruhen. Wir tun dies unter anderem durch «Hilfe zur Selbsthilfe»: 2020 haben wir die Publikation «Kernbotschaften nachhaltiges Asset Management» und 2021 «Empfehlungen zu Mindestanforderungen und Vermeidung von Greenwashing» veröffentlicht. 2022 folgten «Selbstregulierung zu Transparenz und Offenlegung bei Kollektivvermögen mit Nachhaltigkeitsbezug» und 2023 der «Swiss Stewardship Code». Letztere Publikation entstand zusammen mit Swiss Sustainable Finance und stellt eine gemeinsame Leitlinie für Asset Manager, Asset Owner und Finanzdienstleister dar, welche die aktive Ausübung von Aktionärsrechten durch Investoren in der Schweiz fördern soll. Alle diese Veröffentlichungen haben zum Ziel, der Investment-Branche wirkungsvolle Instrumente für nachhaltiges Investieren an die Hand zu geben. Zudem trat am 30.Septemer die für AMAS-Mitglieder bindende Pflicht zur Selbstregulierung in Kraft. Diese setzt auf höhere Standards für die Qualität und die Transparenz von Kollektivvermögen mit Nachhaltigkeitsbezug und definiert die Anforderungen an die Organisation eines Finanzinstituts sowie an die Produktgestaltung und -angaben gegenüber Anlegerinnen und Anlegern. Bereits 85 Prozent der Schweizer Asset Manager, dies entspricht rund 1,3 Billionen Franken an verwaltetem Vermögen, wenden die freiwillige Selbstregulierung an.

Warum agiert man hierzulande nach dem Prinzip der Selbstregulierung?

Dieser Ansatz gibt der Industrie die Möglichkeit, im Spannungsfeld zwischen Ökologie und Ökonomie einen nachhaltigen Beitrag zu leisten. Eine Taxonomie wie in der EU ist hingegen schwerfällig und starr. Die Selbstregulierung erlaubt Anlagelösungen, die EU-Vorschriften erfüllen – sich aber gleichzeitig rascher umsetzen lassen.

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