cocktail cocktails: der ursprung  süssen mixgetränke
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Cocktails: Der Ursprung der süssen Mixgetränke

24.07.2020
von Flavia Ulrich

Cocktails, die wahren Stars im Ausgang, trumpfen abwechslungsreichen Mischungen und köstlichen Aromen. Obwohl sie oftmals mit dem weiblichen Geschlecht in Verbindung gesetzt werden, ist für jeden Geschmack etwas dabei. So vielfältig die Möglichkeiten, so interessant ist auch die Ursprungsgeschichte der süssen Mixgetränke. «Fokus» begibt sich auf die Spuren der ersten Cocktails.

Ein Name – viele Bedeutungen

Der Ursprung des Wortes «Cocktail», welches heutzutage für eine süsse Mischung verschiedener Getränke steht und dennoch auf eine spezielle Rezeptur hinweist, ist umstritten. Das erste Mal fiel dieser Begriff Mitte des 18. Jahrhunderts in Frankreich. Laut dem Centre national des ressources lexicales et textuelles definierte der Schriftsteller Antoine-Francoise Prévost das Wort «Cocktail» als eine verdorbene Person. Auf der anderen Seite bedeutet der Begriff in der anglo-amerikanischen Etymologie neben dem Mixgetränk auch den gekürzten Schweif eines Rennpferdes, wobei es sich hier um ein Kofferwort bestehend aus dem Verb to cock (aufrichten) und dem Nomen tail (Schweif).

Wortwörtlich übersetzt bedeutet der Begriff «Cocktailed horse» also «ein Pferd, dessen Schweif auf eine solche Art und Weise abgeschnitten wurde, dass er in die Höhe zeigt». Dieser spezielle Schnitt ist jedoch nur üblich, um Vollblüter von anderen Pferden zu unterscheiden. Das Wort «Cocktail» hat somit mehr Bedeutungen und wird nicht nur als Begriff für eine Mischung benutzt. Ob ein Mann mit einem fragwürdigen Benehmen, ein reinrassiges Pferd oder ein Getränk aus einem Mix von verschiedenen Komponenten – all diese unterschiedlichen Begrifflichkeiten erschienen 1806 im amerikanisch-englischen Wörterbuch.

Die Mythen hinter dem Cocktail

Neben den oben genannten Begriffserklärungen existieren noch weitere Legenden über den Ursprung des Wortes «Cocktail». Eine davon erwähnt den Brauch, eine Hahnenfeder in ein Getränk zu legen – hauptsächlich als Dekoration, aber auch um die Präsenz von Alkohol zu signalisieren. Weiterhin könnte das Wort durch eine Umformulierung des französischen Begriffs «coquetier» ins Englische entstanden sein. Dieses Wort lässt nämlich auf einen Behälter zurückschliessen, in dem in New Orleans zu Anbeginn des 19. Jahrhunderts schicke Getränke serviert wurden. Ein weiterer Mythos zur Begriffsbedeutung erzählt von einer Prinzessin namens Coctel, deren Vater mysteriöse Gemische herstellte.

Alles begann mit Gin

Trotz der heutigen Popularität der Cocktails, stiessen sie in der breiten Bevölkerung nicht von Beginn an auf Begeisterung. Mit der Erscheinung des Gins in England kamen die ersten Mixgetränke auf, denn dieser rudimentär produzierte Korn verfügte über keinen besonders guten Gout. Seinerzeit konnte man den Gin nur mit viel Aufwand pur trinken, sodass es sich lohnte ihn zu süssen und mit Wacholderbeere und Koriander zu aromatisieren, um den ungeniessbaren Geschmack zu überdecken. Als besonders beliebt bei englischen Matrosen entpuppte sich 1750 der Gin Tonic. Sie konsumierten den Gin mit Chinin, um Fieber zu bekämpfen. Nach mehreren Ausflügen in ihre Kolonialreiche popularisierten die Offiziere der britischen Armee bei ihrer Rückkehr das Getränk im eigenen Land.

Unter der Herrschaft der Königin Victoria traten viele neue Etablissements zu Tage. Es war der Gin Palace, eine luxuriöse Bar mit einer Vertäfelung aus exotischem Holz und samtweichen Fauteuils, welche als erste den London Dry Gin auf seiner Karte aufführte. In Begleitung mit Soda, fein geschnittenen Zitronenschnitzen und Chininwasser wurde dieser Drink zu einem wahren Renner. Während sich England in der Blütezeit seines Einflusses wähnte und verschiedene alkoholische Mixgetränke etablierte, war die Bevölkerung Frankreichs sehr arm. Hier trank man deshalb verschiedene Vermouths oder Ratafia, einen süssen und handgemachten Likör, hergestellt durch langsames Einweichen von Früchten oder Traubenmost in Alkohol und Zucker.

Der berühmte Gin Tonic mit Wacholderbeere und Erdbeeren.

Der berühmte Gin Tonic mit Wacholderbeere und Erdbeeren.

Schicke Getränke für einen neuen Lebensstil

Ein wenig später in derselben Zeitperiode, kamen in amerikanischen Bars die ersten Cocktails auf. Jerry Thomas veröffentlichte in 1862 in New York den Bartender’s Guide, das erste Buch über Cocktails mit mehr als 236 Rezepten. In den Siebzigerjahren führte die Erfindung der Eismaschine zu einem Wendepunkt in der Geschichte des Cocktails. In kürzester Zeit sah man die raffinierten Getränke an allen Orten, die von einem reichen Klientel frequentiert wurden – ob auf Passagierschiffen oder in Flugzeugen.

Der Manhattan und der Dry Martini avancierten zu den Klassikern auf beiden Seiten des Atlantiks und repräsentierten Ende des 19. Jahrhunderts die Entdeckung von neuen Welten. Der italienische Vermouth, der amerikanische Bourbon und der britische Gin symbolisierten durch ihre Vermischung eine Union und damit einhergehend einen neuen Lebensstil.

Verrückte Jahre, Prohibition und die Geschichte der Gangster

Nach dem Krieg brannte in Europa das Verlangen sich zu amüsieren und das Leben in vollen Zügen zu geniessen. In den verrückten Jahren rollte eine Welle des Optimismus bis in die Vereinigten Staaten, wo sie sich als «Gay Twenties» einen Namen machten. 1921 wurde in Paris der Bloody Mary kreiert, dicht gefolgt vom Sidecar, der drei Jahre später den Weg in die Bars fand. Obwohl andere Cocktails wie der Americano von der ganzen Welt genossen wurden, gelten die Zwanzigerjahre in der USA auch als Symbol für die Prohibition.

Diese herrschte von 1919 bis 1933 vor und trug weiter dazu bei, dass Cocktails in Nordamerika an Bedeutung gewannen: Um den strengen Alkoholgeruch der gepanschten Schmuggelware zu überdecken, griffen die Barkeeper zu Fruchtsäften aller Art. Die Vereinigten Staaten kämpften vor der Prohibition gegen die Trunksucht an. Diese war – nach Ansicht einiger politischer Parteien, die sich als progressiv verkannten – ein Übel der dekadenten europäischen Gesellschaft.

Um das Land zu seiner ursprünglichen Unverdorbenheit und Demokratie zurückzuführen, wurde staatenübergreifend ein Gesetz verabschiedet, dass den Konsum von Alkohol verbot. Parallel dazu entstanden illegale Brennereien und Speakeasys, um die Ware an den Mann zu bringen. Es war die Ära von Gangstern und rivalisierenden Banden, von Al Capone und Verbrechersyndikaten, die gepanschten Alkohol günstig verkauften. Mit verschiedenen Zutaten und Säften deckte man den beissenden Gestank der Liköre ab – Cocktails waren somit die perfekte Lösung, um zu verhindern, dass die Polizei aufgrund des starken Alkoholgeruchs Wind von illegalen Schenken bekam.

Feuchtfröhlicher Tourismus

Um der radikalen Prohibition zu entkommen, spezialisierten sich amerikanische Reisebüros deshalb auf feuchtfröhliche Wochenendtrips nach Kuba, wo das Trinken erlaubt war. Havana mauserte sich zur Cocktailmetropole; heutzutage populäre Drinks wie der Daiquiri oder der Cuba Libre erblickten hier das Licht der Welt. Barkeeper aus aller Welt liessen sich von der kubanischen Cocktailschule inspirieren, um ihre eigenen exotischen Getränke zu kreieren.

1933 entschieden sich die amerikanischen Behörden schlussendlich zur Abschaffung des 18. Amendments, weil das Gesetz nicht eingehalten wurde. Bis in die Siebzigerjahre bereitete man die Cocktails dann hauptsächlich mit Gin, Whisky oder Rum zu. Erst anfangs der Achziger wurde der Wodka zu einer beliebteren Basis für Drinks und ersetzte immer häufiger den Gin. Cocktails erfreuen sich noch immer grosser Beliebtheit: Klassiker interpretiert man heutzutage neu und Mocktails, die alkoholfreien Alternativen, sind angesagter denn je.

Havana, Kuba: Die Bar Floridita ist bekannt als der Geburtsort des Daiquiris.

Havana, Kuba: Die Bar Floridita ist bekannt als der Geburtsort des Daiquiris.

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Text Laetizia Barreto
Übersetzung Flavia Ulrich

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