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50+ Deutschland Gesundheit

Die biochemischen Prozesse des Alterns und was diese verlangsamen könnte

16.02.2024
von SMA

Wie in den meisten Industrienationen steht auch Deutschland vor vielfältigen Herausforderungen durch die zunehmende Alterung der Bevölkerung. Das Problem betrifft nicht nur staatliche Infrastrukturen wie die Gesundheitsversorgung, sondern insbesondere auch individuelle Schicksale. Doch die Forschung macht kontinuierlich Fortschritte bei der Suche nach einer Verlangsamung des Alterungsprozesses.

Biologische Alterungsprozesse sind ein komplexes Zusammenspiel verschiedener äußerer und innerer Einflüsse und von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich. Zum einen spielen die genetische Veranlagung und Krankheiten eine wichtige Rolle, zum anderen aber auch der Lebensstil wie beispielsweise die Bewegungs- und Ernährungsgewohnheiten sowie Suchtmittelkonsum. Gemeinsam mit weiteren Alterungsfaktoren führen diese Bedingungen dazu, dass Zellen, Gewebe und Organe im Laufe der Zeit ihre Funktionsfähigkeit verlieren. Diese Prozesse sind eng mit dem Auftreten altersbedingter Erkrankungen und letztendlich auch mit der Mortalität verbunden. Das Verständnis dieser biologischen Mechanismen ist entscheidend, um effektive Strategien und Behandlungen zur Verbesserung der Gesundheit und Lebensqualität zu entwickeln. 

Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind in Europa oft die Haupttodesursache älterer Personen. So auch in Deutschland: Laut Statistischem Bundesamt (Destatis) entfielen die meisten Verstorbenen im Berichtsjahr 2022 auf Krankheiten des Kreislaufsystems. Mit 358 219 Toten haben die Herz-Kreislauf-Erkrankungen einigen Abstand zu anderen häufigen Ursachen wie Krebs (231 533) oder Krankheiten des Atmungssystems (67 633). Schon länger stehen in einigen medizinischen Kreisen bestimmte Stoffe im Fokus, um den Alterungsprozess und seine Auswirkungen auf Körper – insbesondere auf das Kreislaufsystem – zu verstehen.

Oxidativer Stress

Als eine Mitursache hinter Alterungsprozessen wird oxidativer Stress vermutet. Dies bezeichnet ein Ungleichgewicht im Stoffwechsel zwischen oxidierenden und reduzierenden Substanzen – Letztere sind vor allem als freie Radikale bekannt. Diese Imbalance verursacht durch Oxidation Schäden an Zellen und deren Funktionen. So wird oxidativer Stress auch mit Alterung, Entzündungsbeschleunigung und eingeschränkter kardiovaskulärer Funktion in Verbindung gebracht. 

Ein Teil des oxidativen Stresses ist eine natürliche Folge biochemischer Prozesse im Körper, denn durch die Atmung entstehen freie Radikale. Die Zellen und Geweben können sich durch verschiedene Mechanismen davor schützen, zum Beispiel durch das antioxidative Schutzsystem, womit Radikalfänger und Antioxidantien die freien Radikale unschädlich machen. Allerdings nimmt die Effizienz dieser Mechanismen mit zunehmendem Alter ab.

Selen und Q10

Selen und das Coenzym Q10 sind wichtige Antioxidantien für den Schutz vor freien Radikalen und damit lebenswichtig für die Zellen in unserem Körper. Q10 ist eine vitaminähnliche Substanz, die in fast allen Geweben als Ubiquinon oder in der aktiven Form Ubiquinol zu finden ist. Q10 kann vom Körper selbst synthetisiert werden. Die körpereigene Herstellung beginnt ab dem 20. Lebensjahr zu sinken, bis schließlich ab dem 40. Lebensjahr der Q10-Gehalt in Zellen abnimmt. In der Folge sind die Zellen schwächer und anfälliger für Schäden. 

Selen ist ein essenzieller Mineralstoff und Spurenelement. Es muss über die Nahrung aufgenommen werden, da der Körper es nicht selbst herstellen kann. In Europa ist die Selenaufnahme allerdings niedrig, da die landwirtschaftlich genutzten Böden nur wenig davon aufweisen. Außerdem benötigt der Körper Selen, um die Reduzierung von Ubiquinon in die aktive Form Ubiquinol zu erleichtern. 

KiSel-10-Studie

Aufgrund dieser Gegebenheiten hat ein Team schwedischer und norwegischer Forschenden um Professor Urban Alehagen, Kardiologe am Universitätskrankenhaus Linköping in Schweden, versucht herauszufinden, ob Selen und Q10 den Alterungsprozess verlangsamen und kardiovaskuläre Funktionen verbessern kann. Die Ergebnisse der Studie »KiSel-10« wurden 2013 im International Journal of Cardiology veröffentlicht.

Oxidativer Stress wird mit Alterung, Entzündungs-beschleunigung und eingeschränkter kardiovaskulärer Funktion in Verbindung gebracht.

Für die Studie wurde an 443 Schwed:innen im Alter von 70 bis 88 Jahren eine randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudie durchgeführt. Die Teilnehmenden erhielten über vier Jahre entweder eine kombinierte Supplementierung mit 200 mcg Selen und 200 mg Coenzym Q10 – bestehend aus den Präparaten »SelenoPrecise« und »Q10 Bio-Qinon Gold« – oder ein Placebo. In regelmäßigen Abständen wurde die kardiovaskuläre Funktion der Proband:innen durch Echokardiografien und Biomarkermessungen untersucht. 

Die Echokardiografie zeigte eine signifikante Verbesserung der Herzfunktion bei der behandelten Gruppe im Vergleich zur Placebo-Gruppe. Zudem blieben die Konzentrationen an NT-proBNP (ein Herzinsuffizienzmarker) unverändert, während sie bei der Placebo-Gruppe im untersuchten Zeitraum um 20 Prozent zunahmen. Das aufsehenerregendste Ergebnis war jedoch, dass die behandelte Gruppe eine Senkung der kardiovaskulären Mortalität um 54 Prozent aufwies.

Unterstudien

Auf die vielversprechende KiSel-10-Studie folgten bis dato über 20 Unterstudien. Unter anderem vollzogen die Forschenden fünf und zehn Jahre nach der Hauptstudie Follow-ups. Diese bestätigten die Ergebnisse: Auch eine Dekade nach der Studie konnten die Forschenden eine schützende Wirkung durch die kombinierte Supplementierung von Selen und Q10 beobachten. Die kardiovaskuläre Mortalität der behandelten Gruppe war weiterhin signifikant tiefer als jene der Placebo-Gruppe – und das über alle Untergruppen wie Geschlecht oder Vorerkrankungen. Allerdings muss der genaue Mechanismus, warum und wie die Wirkung anhält, noch weiteren Forschungen unterzogen werden.

Die Länge der Telomere

Die mittlerweile 21. Unterstudie betrachtete die Telomere genauer und wurde 2022 in der Fachzeitschrift Nutrients veröffentlicht. Telomere gelten als Biomarker für Alter und befinden sich am Ender der Chromosomen (doppelsträngige DNA-Moleküle). Sie stabilisieren das Chromosom und schützen die DNA. Bei einer Teilung der Zelle verkürzen sich die Telomere, bis sie so kurz sind, dass sich die Zelle nicht mehr erfolgreich teilen kann und abstirbt. Aus diesem Grund steht die Telomerlänge für die restliche Lebenszeit einer Zelle und somit für das Fortschreiten des Alterungsprozesses.

Um herauszufinden, ob Selen und Q10 eine Wirkung auf die Telomerlänge haben, wurde das Blut der Teilnehmenden an der KiSel-10-Studie erneut untersucht. Tatsächlich zeigte sich, dass die behandelte Gruppe längere Telomere aufwies als die Placebo-Gruppe. Das bedeutet offenbar, dass die Supplementierung mit Selen und Q10 den Verkürzungsprozess der Telomere verlangsamen kann. Durch das längere Erhalten der Telomere könnte wiederum das Fortschreiten des Alterungsprozesses in Zaum gehalten werden. Die KiSel-10 und ihre Unterstudien geben einen starken Hinweis darauf, dass die Kombination aus Selen und dem Coenzym Q10 eine wichtige Rolle in Gesundheit und Lebensqualität spielen. Forschende und Mediziner:innen hoffen nun, dass die Ergebnisse dabei helfen, eine normale Körperfunktion bis in ein höheres Alter zu erhalten.

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