Symbolbild digitale Inklusion
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Digitalisierung Pflege Gesundheit

Ohne digitale Inklusion keine Transformation

07.07.2023
von Calvin Huber

Das Internet ist ein Ort für alle. Seit seiner Erfindung ist dies eines der inoffiziellen Mottos der revolutionärsten Entwicklung der Neuzeit. Oder so sollte es zumindest sein. Jedoch sind Inhalte oder Anwendungen auf Internetseiten vorhanden, wovon nicht alle Menschen Gebrauch machen können. Wieso ist das problematisch und wie kann dagegen vorgegangen werden?

«Digitale Inklusion» ist ein Begriff mit zwei möglichen Definitionen. Zum einen beschreibt er die Zugänglichkeit von digitalen Inhalten für Menschen mit einer Behinderung. Ein Paradebeispiel dafür ist das Zur-Verfügung-Stellen von vertonten Alternativtexten, die sehbeeinträchtigten Menschen Grafiken und Bilder beschreiben. Zum anderen geht es darum, dass digitale Mittel von Menschen mit Behinderung genutzt werden, um sich in der Gesellschaft zurechtzufinden. So können zum Beispiel Menschen, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind, Behördengänge von zu Hause aus mit dem Computer erledigen. Der Förderung der digitalen Inklusion kommt eine enorme Wichtigkeit zu, wenn man bedenkt, dass der Anteil von Menschen mit einer Behinderung mehr als einen Fünftel der Schweizer Bevölkerung ausmacht: 22,5 Prozent, um genau zu sein.

Unter dem Radar

Aber was ist eine gelungene Umsetzung der digitalen Inklusion? Christopher Müller, Experte im Bereich digitale Inklusion, Gründer und Inhaber der Firma Die Ergonomen Usability AG, beschreibt es so: «Eine gelungene Umsetzung der digitalen Barrierefreiheit zeichnet sich dadurch aus, dass die Website oder Anwendung den geltenden Barrierefreiheitsstandards und Richtlinien wie zum Beispiel den Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) entspricht. Ferner berücksichtigt eine gelungene Umsetzung verschiedene Arten von Behinderungen, einschliesslich Seh- und Hörbehinderungen, motorische Einschränkungen und kognitive Beeinträchtigungen.» Vollumfängliche barrierefreie Gestaltung findet man grösstenteils erst auf Internetseiten des Bundes oder bei Unternehmen, die einen «Service public» erfüllen müssen. So haben zum Beispiel die Swisscom oder die Postfinance eine ausgereifte Darstellung der Seite für Menschen mit einer Behinderung. Bildungsinstitute wie Hochschulen oder Universitäten haben ebenfalls damit begonnen, ihre Onlineinhalte auf die Bedürfnisse von Menschen mit einer Behinderung anzupassen. Jedoch ist dieser Prozess noch nicht vollständig abgeschlossen.

Ein Kind mit Down-Syndrom nutzt ein Smartphone in der Klasse

Onlineinhalte und Technologien müssen an die Bedürfnisse von Menschen mit einer Behinderung angepasst werden. Bild: iStock/SolStock

Blickt man auf die Privatwirtschaft, sieht das Angebot an barrierefreien Inhalten mager aus. Ein Beispiel: Eine Untersuchung der Hochschule Luzern im April 2023 nahm 13 Schweizer Banken in Bezug auf Barrierefreiheit unter die Lupe. Das Resultat: Nur ein Drittel thematisiert Barrierefreiheit auf ihrer Website. Was sind die Gründe für diesen Zustand? Einer davon ist laut Müller ein mangelndes Bewusstsein: «Einige Unternehmen sind sich möglicherweise nicht vollständig bewusst, wie wichtig Barrierefreiheit ist und welchen Einfluss sie auf die Benutzererfahrung und die Kundenzufriedenheit hat.» Auch ist es eine Frage der Kosten. «Die Implementierung von barrierefreien Funktionen erfordert zusätzliche Ressourcen und Investitionen.» Und zuletzt ist es auch eine Frage der Prioritäten. «In einigen Fällen setzen Unternehmen ihre Prioritäten auf andere Aspekte wie Design oder Funktionalität, ohne die Bedeutung der Barrierefreiheit für bestimmte oder eigentlich alle Zielgruppen zu erkennen.» Unter betriebswirtschaftlichen Aspekten betrachtet, lässt sich dieser Zustand nicht erklären. Eine inklusive Gestaltung digitaler Inhalte erhöht massgeblich die Reichweite eines Unternehmens. Oder nach Müller: «Eine barrierefreie Gestaltung ermöglicht es Unternehmen, ihren Benutzerkreis zu erweitern und mehr Menschen anzusprechen.»

Zugriff verweigert!

Wie sieht es nun mit der Anwendung digitaler Mittel zur Inklusion aus? Um einiges besser, aber auch hier steht noch ein langer Weg bevor. Lösungen wie Screenreader, welche Texte in gesprochene Sprache übersetzen, sind bereits sehr ausgereift. Jedoch können diese Technologien noch nicht in allen Bereichen eingesetzt werden. Ist zum Beispiel kein Alternativtext für eine Grafik vorhanden, kann diese nicht beschrieben werden. Auch bei der allgegenwärtigen Prüfung (Captcha), ob sich gerade ein Mensch oder ein Roboter auf der Internetseite anmelden will, sind Menschen mit Behinderung auf Alternativen angewiesen. Sind diese aber nicht vorhanden, bleibt ihnen der Zugriff auf die Inhalte der Seite verwehrt. In der Verantwortung sind hier die Entwickelnden und Betreibenden der Internetseite selbst. Hilfe und Unterstützung findet man in diesem Bereich genug. Viele Stiftungen müssen aber noch Zeit damit verbringen, den Mehrwert einer inklusiven Gestaltung für die Unternehmen hinter den Internetseiten klarzumachen.

Mehrwert für alle durch digitale Inklusion

Was nicht in Vergessenheit geraten darf, ist die Tatsache, dass alle und nicht nur Menschen mit einer Behinderung von digitaler Inklusion profitieren. Müller nennt hier drei Vorteile für die Allgemeinheit: «Barrierefreie Websites und Anwendungen sind in der Regel benutzerfreundlicher und intuitiver gestaltet.» Explizit profitieren nebst Menschen mit Behinderung auch «ältere Menschen, Menschen mit vorübergehenden Verletzungen oder Menschen, die in einem störungsreichen Umfeld arbeiten müssen». Und es werden ethische und rechtliche Verpflichtungen erfüllt. «In einigen Ländern gibt es rechtliche Vorschriften, die Unternehmen zur Einhaltung von Barrierefreiheitsstandards verpflichten. Darüber hinaus signalisiert eine barrierefreie Gestaltung auch soziale Verantwortung und ethisches Handeln.» Es kann somit abschliessend gesagt werden, dass die digitale Inklusion nicht nur Menschen mit einer Behinderung den Zugang zur digitalen Welt ermöglicht. Sie steigert die Benutzererfahrung für die gesamte Gesellschaft und wappnet Unternehmen für die Zukunft.

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