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Schutz für ältere Arbeitnehmende?

04.03.2018
von Gerold Bruetsch-Prevot

Wer im Alter zwischen 50 und 60 Jahren seine Arbeitsstelle verliert, ist nicht mehr vermittlungsfähig, so die weitläufige Meinung. Muss man ältere Arbeitnehmende rechtlich schützen?

So selbstbewusst, lebensfreudig und zufrieden über 50-Jährige grundsätzlich mit ihrem Leben sind, so kritisch stehen sie ihrem Alter gegenüber, wenn es um den Job geht. Und das, obwohl man auch mit 70 Jahren noch Präsident der USA werden, mit bald 80 Jahren die Strategie der stärksten Schweizer Partei vorgeben kann und das durchschnittliche Alter der CEOs in der Schweiz bei rund 53 Jahren liegt. Und auch die Arbeitslosigkeit ist in diesem Alterssegment tiefer als bei den 20 bis 30-Jährigen. Ausserdem entschärft die Überalterung der Gesellschaft das Problem mehr und mehr – ganz einfach, weil in ein paar Jahren junge Fachkräfte immer rarer werden.

Kündigungsschutz gefordert

Tatsächlich werden die älteren Stellensuchenden immer noch oft ausgeschlossen, obwohl die Bundesverfassung eine Diskriminierung wegen Herkunft, Rasse, Geschlecht oder Alter verbietet. Das beispielsweise, wenn in einer Stellenanzeige ein Mitarbeiter zwischen 30 und höchstens 40 Jahren gesucht wird. Braucht es deshalb Gesetze, die ältere Arbeitnehmer schützen? Gewerkschaften, Interessenvertreter der Generation 50 plus und auf das Arbeitsrecht spezialisierte Anwälte fordern einen besonderen Schutz für die ältere Generation. Konkret meinen sie damit einen Kündigungsschutz oder wenigstens längere Kündigungsfristen. Könnte sich das nicht als Bumerang erweisen, weil die Unternehmen dann gar kein älteres Personal mehr einstellen, weil man sie nicht mehr los wird? Die Arbeitgeber lehnen den Ausbau des Kündigungsschutzes auf gesetzlicher Ebene ab. Es wird darauf hingewiesen, dass das Bundesgericht bereits bei mehreren Entscheiden festgehalten hat, dass für langjährige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schon heute ein spezieller Schutz gelte.

Auch der Bund findet einen gesetzlichen Kündigungsschutz nicht nötig und verweist auf Beispiele in der Wirtschaft. So sei seit rund zehn Jahren im Gesamtarbeitsvertrag (GAV) der Basler Chemie- und Pharmaindustrie eine Kündigungsfrist ab 45 Jahren von sechs statt drei Monaten festgehalten, die ab 55 auf zwölf Monate erhöht werden könne.

In den liberalen Wirtschaftskreisen sind staatliche Vorgaben und Regeln nicht gerne gesehen.

Auf eigene Stärken setzen

Von Gesetzes wegen wird sich in den nächsten Jahren nicht viel ändern. Ein besonderer Schutz wird es für ältere Arbeitnehmende auch in Zukunft eher nicht geben. In den liberalen Wirtschaftskreisen sind staatliche Vorgaben und Regeln nicht gerne gesehen. Der Markt soll es richten. Abwarten und auf gesetzlichen Schutz warten ist also nicht die richtige Strategie. Besser ist es, sich auf die Stärken zu besinnen, auf die immense berufliche Erfahrung und die Sozialkompetenz. Ältere sind ungebundener als Jüngere, haben die Familienplanung abgeschlossen und sind deshalb entspannter. Allzu oft resignieren ältere Arbeitssuchende zu früh und bewerben sich gar nicht erst auf eine ausgeschriebene Stelle. Sie denken, sie seien dafür sowieso zu alt. Dabei haben sie gerade in KMU gute Chancen auf Anstellung.

Wichtig ist bei der Jobsuche, die positiven Eigenschaften und die eigenen Vorteile herauszustreichen. Denn Arbeitgeber wissen genauso, dass es nicht primär die Lebensjahre sind, die einen motivierten Mitarbeiter ausmachen. Das zeigt auch die Statistik: Es sind nicht in erster Linie ältere Arbeitnehmende, die stellenlos sind. Entscheidend für den Arbeitsverlust sind andere Faktoren wie Branche, Geschlecht und vor allem die Ausbildung. Ältere Akademiker sind zum Beispiel die Gruppe mit der geringsten Arbeitslosenrate.

Babyboomer sind nun 50 plus

Auch das SECO (Staatssekretariat für Wirtschaft) beschäftigt sich mit älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und hat dieses Thema letztes Jahr an einer nationalen Konferenz aufgegriffen. Dabei wurde davon ausgegangen, dass die Bedeutung von älteren Arbeitskräften für den Schweizer Arbeitsmarkt in den kommenden Jahren weiter wachsen wird. Hinter diesem Trend steht einerseits die demografische Entwicklung – der bevölkerungsstärkste Jahrgang der Schweiz hat 2014 das 50. Altersjahr erreicht und die sogenannten Babyboomer gehören nach und nach zu den älteren Arbeitnehmenden. Hinzu kommen auch qualitative Veränderungen. Die älteren Arbeitskräfte sind besser ausgebildet als noch vor zehn Jahren. So kommt auch das SECO zum Schluss, dass ältere Arbeitskräfte insgesamt einen sehr wichtigen Beitrag zur Deckung der wachsenden Fachkräftenachfrage in der Schweiz leisten.

Eine Frage des Willens

Alles kann nicht dem Staat überlassen werden. Natürlich kann er Druck aufsetzen, dass die Sozialpartner mehr in ältere Arbeitnehmende investieren. Doch über allen Gesetzen und Regelungen steht der Wille, für dieses Segment Beschäftigungsmöglichkeiten zu schaffen. Die Vermittlungsversuche der Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) fruchten nicht, wenn sich keine Unternehmen finden lassen, die auch ältere Arbeitnehmende einstellen und entsprechend fördern. Es muss Teil der Unternehmensstrategie sein, diese einzugliedern und damit vorzubeugen, dass Fachkräfte nicht unfreiwillig aus dem Arbeitsprozess ausscheiden müssen oder sich vorzeitig pensionieren lassen.

Text: Gerold Brütsch-Prévot

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