Formula E: Nach sechs Jahrzehnten kommt der Motorsport zurück in die Schweiz
In weniger als zwei Monaten ist es soweit: Die «Formula E» trägt im Juni eines ihrer Rennen in Zürich aus. Dabei stehen aber nicht nur die schnellen Elektro-Boliden im Zentrum der Aufmerksamkeit, sondern auch Themen wie Nachhaltigkeit und erneuerbare Energien. Der einzige Schweizer im Fahrerfeld kann zudem in doppelter Hinsicht auf die Unterstützung seiner Landsleute hoffen.
Ob Sébastien Buemi wohl schon etwas nervös ist? Wahrscheinlich nicht, in seinem Beruf muss man schliesslich ruhig Blut bewahren können. Am 10. Juni 2018 wird er auf jeden Fall als erster Schweizer Rennfahrer seit über 60 Jahren ein Heimrennen bestreiten. Die Formula E gastiert in Zürich. Und Buemi ist nicht irgendwer im Elektro-Rennsport, sondern der erfolgreichste Fahrer dieses Wettbewerbs seit dem Start vor vier Jahren. 2016 gewann der Westschweizer die Meisterschaft, in der aktuellen Saison steht er derzeit auf Rang 4. Der ehemalige Formel-1-Pilot (55 Rennen) wird trotzdem als einer der Favoriten antreten und für seinen Auftritt in der Limmatstadt garantiert bis in die Haarspitzen motiviert sein. Ein Schweizer Sieger gleich bei der ersten Austragung des «Zürich E-Prix» – das wäre für Sébastien Buemi genauso ein Traum wie für die Organisatoren.
Früh geplant, lange gekämpft
Verantwortlich für die Austragung des Rennens ist der eigens zu diesem Zweck gegründete Verein «e-mobil Züri». Die Veranstalter mussten einige Hürden überwinden, um den Anlass nach Zürich zu holen. Ein erster Schritt war die Ausnahmebewilligung, welche der Bundesrat Ende 2015 erteilte. Ein halbes Jahr später folgte die offizielle Bewerbung bei der Formula-E-Organisation. Mit Erfolg, Zürich wurde für die Saison 2017/2018 in den Rennkalender eingetragen. Die Zustimmung der Stadt erfolgte im Herbst 2017.
Wichtige Eckpunkte des Rennens waren bereits frühzeitig geplant worden. Die mögliche Streckenführung in der Zürcher Innenstadt wurde bereits vor drei Jahren vorgestellt. Sie wurde letztlich ^ mit wenigen Abänderungen definitiv übernommen. Die temporäre Rennstrecke führt auf 2,5 Kilometern der Seepromenade entlang und durch das Bankenviertel. Start und Ziel des Rundkurses befinden sich beim Hafen Enge am Mythenquai. Zwischen der Startgerade und der als Gegengerade dienenden Alfred-Escher-Strasse ist eine enge Spitzkehre zu bewältigen. Danach folgen zahlreiche herausfordernde 90-Grad-Kurven in Zürichs Innenstadt und eine Schikane. Die Piloten werden in ihren Elektroboliden mit bis zu 220 Kilometern pro Stunde unterwegs sein. Das Rennen startet um 18 Uhr, es wird etwa eine Stunde dauern. Die Veranstalter rechnen mit bis zu 50’000 Zuschauern vor Ort, für die auch Tribünen zur Verfügung stehen werden. Gesichert wird die Strecke durch «Safer Walls» und Gitterabsperrungen – der Sicherheits-Aspekt war von Behördenseite ausdrücklich betont und gefordert worden.
Die mögliche Streckenführung in der Zürcher Innenstadt wurde bereits vor drei Jahren vorgestellt und letztlich auch mit wenigen Abänderungen definitiv übernommen.
Trendige Themen im Fokus
Die Stadt Zürich verband die Bewilligung für die Durchführung des E-Prix zudem mit der Auflage, das Bewusstsein der Bevölkerung für erneuerbare Energien und Innovationen in diesem Bereich zu fördern. Die Organisatoren kommen dieser Vorgabe nach, indem sie im Vorfeld des Rennens ein spezifisches Rahmenprogramm mit dem Namen «eDays» durchführen, das sich ebendiesen Themen widmen wird. Vom 7. bis 9. Juni finden verschiedene Anlässe statt; so etwa an der ETH, wo ein öffentliches Symposium mit dem Schwerpunkt «Intelligente Wege zur Mobilität der Zukunft» stattfindet. Weitere «eDays»-Veranstaltungen sind ein Startup- und ein Networking-Event für E-Mobilität-Aficionados. Die «eDays» passen damit bestens zum Konzept der Formula E, die sich bewusst als Gegenpart zur teuren und ressourcenintensiven Formel 1 positioniert.
Nachhaltigkeit geniesst einen hohen Stellenwert: «Wir wollen unseren ökologischen Fussabdruck soweit wie möglich reduzieren und einen positiven Einfluss auf die Menschen und den Planeten haben», heisst es auf der Webseite der Organisation. Dazu gehört zum Beispiel, dass man mit erneuerbarer Energie den verwendeten Glyzerin-Treibstoff herstellt und keine schädlichen Emissionen abgibt. Die Reifen wiederum sollen ein ganzes Rennen halten und danach rezykliert werden können, darüber hinaus entfällt wegen der Durchführung auf bestehenden (Stadt-)Strassen der Neubau von Rennpisten. Auch wenn Kritiker einwenden, dass man letztlich doch nur Werbung für das Autofahren betreibt: Für die Entwicklung der elektronischen Mobilität ist die Formula-E-Meisterschaft bestimmt ein positiver Werbeträger.
Innovativer Wettbewerb
Die Rennserie setzt nicht nur auf nachhaltig angetriebene Fahrzeuge, sondern auch auf einige spezifische Aspekte, welche die Meisterschaft ausgeglichen und spannend machen sollen. Die Fahrzeuge beispielsweise basieren alle auf dem eigens für die Formula E entwickelten Modell «Spark-Renault SRT 01_E» und alle zehn Teams übernehmen es zum gleichen Preis. Der Antrieb der Boliden dürfen die Renställe selber entwickeln, beim Chassis sowie der Batterie sind hingegen einheitliche Standard-Lösungen vorgeschrieben. Die Fahrzeuge bleiben dadurch aber trotzdem viel billiger als etwa die Rennwagen in der Formel 1 – und die Meisterschaft ist ausgeglichener. Acht von zehn Teams konnten in den letzten drei Jahren mindestens einen Sieg einfahren. In der langjährigen «Königsklasse» des Motorsports gelang dies im gleichen Zeitraum nur drei Equipen.
Die Rennserie setzt nicht nur auf nachhaltig angetriebene Fahrzeuge, sondern auch auf einige spezifische Aspekte, welche die Meisterschaft ausgeglichen und spannend machen sollen.
Fans können Rennverlauf beeinflussen
Im Gegensatz zur Formel 1 haben die Elektro-Flitzer zwar eine auf 180 kW (ca. 245 PS) begrenzte Höchstleistung, sie beschleunigen aber trotzdem in gerade mal drei Sekunden von 0 auf 100. Ausserdem haben die Fans die Möglichkeit, durch ein Voting-Verfahren ihren Lieblingspiloten eine Extraportion Power zu schenken. Die Abstimmung läuft vor jedem Rennen. Anschliessend erhalten die drei beliebtesten Cockpit-Cracks für den zweiten Rennteil 100 Kilojoule Zusatzenergie. Dies entspricht etwa 40 PS. Diese zusätzlichen Pferdestärken können die Fahrer in einem Zeitfenster von fünf Sekunden entweder für einen kurzen oder längeren Extraschub einsetzen. Dieses als «Fanboost» bezeichnete Konzept mit dem aktiven Einbezug der Zuschauer in den Rennverlauf ist gemäss Aussage der Verantwortlichen weltweit einzigartig.
Global hin oder her, Sébastien Buemi freut sich hauptsächlich auf die Austragung in seiner Heimat. «Ich kann es kaum erwarten», erklärte er schon vor der Saison. «Dass mich bei einem Rennen heimische Zuschauer anfeuern, habe ich bisher noch nicht erlebt. Damit wird ein Traum von mir wahr.» Zürich darf sich auf einen topmotivierten Fahrer freuen und wird Buemi sicherlich einen ordentlichen «Fanboost» bescheren – sowohl durch das Voting als auch durch frenetischen Support an der Rennstrecke.
Text: Remo Bürgi
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