Die Prostata – eine walnussgrosse Drüse, verborgen im Innern des männlichen Körpers – rückt oft erst dann ins Bewusstsein, wenn sie Beschwerden auslöst. Doch gerade in Zeiten des medizinischen Fortschritts und wachsender Lebenserwartung ist sie ein zentrales Thema der Männergesundheit geworden. Wenn sie erkrankt, gerät nicht nur die Gesundheit, sondern das gesamte Selbstbewusstsein ins Wanken. Besonders deutlich zeigt sich das am Beispiel von Prostatakrebs – der häufigsten Krebserkrankung bei Männern.
Früherkennung: Wissen rettet Leben
Jährlich erkranken in der Schweiz über 7000 Männer an Prostatakrebs. Die gute Nachricht: Wird er früh erkannt, sind die Heilungschancen sehr hoch. Die Herausforderung: Prostatakrebs verursacht im frühen Stadium kaum Beschwerden. Daher ist die Früherkennung durch den PSA-Test (Prostataspezifisches Antigen) sowie die digitale rektale Untersuchung von zentraler Bedeutung – insbesondere für Männer ab 50 oder bei familiärer Vorbelastung bereits ab 45 Jahren.
Doch hier beginnt das Dilemma: Viele Männer scheuen den Gang zur Vorsorge. Scham, Unwissenheit oder das Gefühl, «unverletzlich» sein zu müssen, führen dazu, dass wertvolle Zeit vergeht. Dabei ist es genau diese Zeit, die im Falle einer Diagnose über die Prognose entscheidet.
Die unsichtbare Last
Eine Krebsdiagnose ist immer ein Einschnitt. Und Prostatakrebs trifft einen besonders verletzlichen Bereich der männlichen Identität. Die Prostata ist ein Sexualorgan – sie produziert das Sekret, das die Spermien transportiert, beeinflusst die Erektionsfähigkeit und spielt auch eine Rolle beim Orgasmus. Eingriffe an ihr können deshalb weitreichende körperliche Folgen haben: Erektile Dysfunktion, Inkontinenz und Libidoverlust sind mögliche, wenn auch nicht unvermeidbare Konsequenzen einer Operation oder Bestrahlung.
Diese körperlichen Veränderungen bleiben nicht ohne psychische Wirkung. Viele Männer berichten von Schamgefühlen, einem Verlust an Männlichkeit, Isolation und depressiven Verstimmungen. Die Erkrankung wird nicht selten zur existenziellen Krise. Sie bedroht nicht nur die körperliche Unversehrtheit, sondern auch die Rolle als Partner, Vater, Liebhaber – und letztlich als Mann.
Zwischen Stigma und Stärke
Vielen Männern fällt es schwer, über Prostatakrebs zu sprechen. Der gesellschaftliche Diskurs über Männlichkeit ist geprägt von Stärke, Leistung und Kontrolle. Eine Erkrankung an einem Organ, das eng mit Sexualität und Potenz verbunden ist, steht diesem Ideal diametral entgegen. Doch gerade ein offener Umgang kann entlasten. Psychologische Begleitung, Gespräche in Selbsthilfegruppen oder professionelle Sexualberatung bieten Betroffenen und ihren Partnerinnen und Partnern wertvolle Unterstützung.
Viele Männer scheuen den Gang zur Vorsorge. Scham, Unwissenheit oder das Gefühl, «unverletzlich» sein zu müssen, führen dazu, dass wertvolle Zeit vergeht.
Es zeigt sich: Die psychischen Auswirkungen sind nicht nur Nebeneffekte der Erkrankung – sie sind integraler Bestandteil des Krankheitsbildes. Ein ganzheitlicher Therapieansatz, der körperliche und seelische Dimensionen einbezieht, ist daher essenziell.
Das Leben danach
Viele Männer überleben Prostatakrebs – und sie kehren nicht nur in ein funktionierendes, sondern in ein oft bewusster gelebtes Leben zurück. Der Körper hat sich möglicherweise verändert, das Selbstbild ebenso. Doch genau in dieser Neuorientierung liegt eine Chance. Zahlreiche Betroffene berichten davon, dass sie nach der Therapie nicht nur körperlich genesen sind, sondern auch eine neue Tiefe im Umgang mit sich selbst und in ihrer Partnerschaft gefunden haben.
Ein zentraler Aspekt ist die Sexualität. Zwar können erektile Dysfunktionen oder veränderte körperliche Empfindungen nach Operation oder Bestrahlung auftreten – doch bei vielen Männern erholt sich die sexuelle Funktion mit der Zeit. Dank moderner nervenschonender Operationsmethoden, gezielter Rehabilitationsprogramme und unterstützender Therapien erleben viele Betroffene eine Rückkehr zu einem erfüllten Sexualleben. Nicht selten entwickeln Paare in dieser Phase ein neues Verständnis von Nähe, Intimität und gegenseitiger Zuwendung.
Das Leben nach einer Prostatakrebserkrankung ist kein Zurück, sondern ein bewusstes Vorwärts. Mit medizinischer Begleitung, Geduld und einem offenen Blick auf die eigenen Bedürfnisse gelingt es vielen Männern, nicht nur gesund zu werden, sondern auch neue Lebensqualität zu gewinnen – körperlich, seelisch und sexuell.
Weitere Erkrankungen der Prostata
Prostatakrebs ist die prominenteste, aber bei Weitem nicht die einzige Erkrankung dieses Organs. Viele Männer leiden im Laufe ihres Lebens unter einer gutartigen Prostatavergrösserung (benigne Prostatahyperplasie). Diese kann zu häufigem Harndrang, nächtlichem Wasserlassen oder einem schwachen Harnstrahl führen – Beschwerden, die die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen können. Auch hier gilt: Frühzeitige Diagnose eröffnet Handlungsspielraum. Moderne medikamentöse und minimalinvasive Therapien können eine Operation häufig vermeiden.
Darüber hinaus kann es zu entzündlichen Erkrankungen kommen – etwa der Prostatitis –, die häufig bei jüngeren Männern auftreten und starke Schmerzen verursachen. Auch diese Krankheitsbilder haben psychische Auswirkungen: Sie beeinträchtigen Sexualität, Partnerschaft und das allgemeine Wohlbefinden.
Zeit, über Männergesundheit zu sprechen
Prostataerkrankungen gehören zu den zentralen Herausforderungen der Männergesundheit. Sie sind medizinisch gut behandelbar – wenn sie früh erkannt werden. Doch die wirkliche Herausforderung liegt oft nicht in der Therapie, sondern im Umgang mit der Diagnose. Es braucht mehr öffentliche Aufklärung, ein stärkeres Bewusstsein für die psychischen Belastungen und vor allem: Räume, in denen Männer offen über Ängste, Beschwerden und Intimität sprechen können.
Denn Gesundheit ist mehr als das Fehlen von Krankheit – sie ist die Voraussetzung für ein selbstbestimmtes, erfülltes Leben. Und dieses beginnt mit dem Mut, sich um sich selbst zu kümmern.
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