zellnahrung
Gesundheit

Vitamine und Zellnahrung

29.01.2022
von Melanie Cubela

Vitamine, Supplemente, Eisenpräparate und jetzt kursiert seit Neuestem auch noch Zellnahrung. Was hat es mit Letzteren  auf sich? Wann sind Nahrungsergänzungsmittel sinnvoll? Und soll man chemische Medikamente wählen oder  doch jene auf pflanzlicher Basis? Gemeinsam mit einer Biowissenschaftlerin und einem Arzt räumt «Fokus» die Irrtümer auf.

Schwäche, trockene Haut, Konzentrationsstörungen, brüchige Nägel, Haarausfall – die Liste möglicher Anzeichen eines Nährstoffmangels ist endlos. Inwiefern können Medikamente hier Abhilfe schaffen?

Wann Nahrungsergänzungsmittel einzunehmen sind

Die Auswahl an Nahrungsergänzungsmitteln ist riesig. Sie sollen vor Krankheiten schützen und die körperliche sowie auch geistige Leistungsfähigkeit optimieren. Wenn man sich jedoch ausgewogen ernährt, so sind im Normalfall keine zusätzlichen Mittel nötig. «Es gibt gewisse Nährstoffe, die trotz einer abwechslungsreichen Lebensmittelauswahl nicht immer in ausreichender Menge aufgenommen werden, sodass eine Supplementation dieser durchaus sinnvoll sein kann», informiert Noreen Neuwirth, Biowissenschaftlerin vom Fachblog ernaehrungsmedizin.blog. So sind beispielsweise Vitamin-B12-Supplemente dringend empfohlen, wenn man sich vegan ernährt. Aber auch bei Mischköstler:innen könne es durch eine einseitige Ernährung zu Mängeln kommen. Neuwirth rät jedoch von einer unspezifischen Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln ab, da zu viele gewisser Nährstoffe gesundheitsschädlich sein können.

Pflanzlich oder chemisch?

Oft heisst es, Medikamente auf pflanzlicher Basis seien schlechter als die chemische Variante. Stimmt das? «Anders als bei der Zulassung von Arzneimitteln, muss die Wirksamkeit der traditionellen pflanzlichen Arzneimittel nicht durch klinische Studien belegt sein», stellt Neuwirth fest. Im Unterschied zu chemischen Arzneimitteln seien die meisten pflanzlichen Arzneimittel nicht rezeptpflichtig und eignen sich daher zur Anwendung in Eigenregie. «Unter anderem wegen ihrer unbedenklichen Stärke und Dosierung weisen sie in der Tat kaum oder nur geringe Nebenwirkungen auf, verglichen mit den synthetisch hergestellten Alternativen», teilt Neuwirth mit.

«Nichtsdestotrotz sollte man sich dem pharmakologischen Grundsatz ‹Keine Wirkung ohne Nebenwirkung› bewusst sein. Dieser besagt, dass die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Nebenwirkungen geringer ist, wenn die Substanz selbst keine oder kaum eine pharmakologische Wirkung hat», informiert Neuwirth. Demnach können pflanzliche Arzneimittel zur Behandlung geringfügiger Beschwerden oder leichter Infekte eine nebenwirkungsfreie Alternative zu klassischen Medikamenten bieten. Jedoch bedeuten weniger Nebenwirkungen laut Neuwirth unter Umständen auch weniger pharmakologische Wirkung. Aus diesem Grund soll bei schwerwiegenden Erkrankungen stets ein Arzt oder eine Ärztin konsultiert werden und keine Eigenmedikation mit pflanzlichen Arzneimitteln erfolgen.

Zellnahrung ist ernährungsmedizinisch nicht genau definiert.

Was ist Zellnahrung?

Die Zelle ist die kleinste lebende Einheit des Körpers. Sie ist für lebenswichtige Grundlagefunktionen zuständig, beispielsweise den Stoffwechsel oder das Wachstum. Was ist nun die Zellnahrung? «Darunter wird Nahrung für die Zellen verstanden, damit sie optimal funktionieren können. Diese sollten nicht wachsen und sich teilen, sondern ihre Aufgabe im entsprechenden Gewebe erfüllen. Ist das gewährleistet, sind wir gesund», erklärt Dr. med. Claudio Lorenzet, Facharzt für Allgemeine Innere Medizin. Bei Zellnahrung handelt es sich laut Neuwirth jedoch nicht um ein Arzneimittel im Sinne des Azneimittelgesetzes (AMG). Aus diesem Grund sei auch kein klinischer Nutzen nachzuweisen. Hier merkt Dr. med. Lorenzet an, dass er aus seinen eigenen Untersuchungen wisse, wie sehr sich differenzierte Zellen von Zellen unterscheiden, die sich teilen. Dies sei der Grund, weshalb Medikamententests an Zellkulturen keine für die Klinik relevanten Ergebnisse liefern.

Zellnahrung ist laut Neuwirth ernährungsmedizinisch nicht genau definiert. «Zellnahrungs-Präparate sollen die für eine optimale Zellfunktion erforderlichen Substanzen liefern und so zum Erhalt der Gesundheit beitragen», sagt Neuwirth. Jedoch sei die Studienlage laut Neuwirth noch recht dünn und der gesundheitliche Nutzen für den Menschen nicht belegt.

Wann ist Zellnahrung sinnvoll?

Das Lebensmittelangebot wird immer verstärkt durch industrielle Fertignahrung dominiert. Diese Produkte erhalten laut Dr. med. Lorenzet Stoffe, welche die Wachstumsprozesse ankurbeln und den Wunsch erzeugen, mehr davon zu konsumieren. «Die Zellen beginnen, Speicher anzulegen und sind irgendwann so damit beschäftigt, den Überfluss zu verwalten, dass sie andere wichtigere Aufgaben nicht mehr wahrnehmen können. Die Zellnahrung setzt genau hier an. Die vielen Signalmoleküle, die in den Inhaltsstoffen vorhanden sind, greifen auf verschiedenen Ebenen und an unterschiedlichen Orten gleichzeitig in den Zellstoffwechsel ein, bremsen nachteilige Syntheseprozesse und kurbeln Abbauprozesse an.» Dr. med. Lorenzet ergänzt, dass die Zellen dadurch schlanker, fitter und energiereicher werden würden und besser auf die speziellen Anforderungen, die an sie gestellt werden, reagieren können. «Dadurch unterscheidet sich die Zellnahrung wesentlich von Medikamenten und Nahrungsergänzungsmitteln», sagt Dr. med. Lorenzet.

Die Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung ist, sich beim Essen zurückzuhalten und weniger zu essen, jedoch dabei möglichst viel Gemüse und Ballaststoffe zu sich zu nehmen sowie auch, sich mehr zu bewegen. Laut Dr. med. Lorenzet sieht die Praxis jedoch anders aus, da sich fast niemand daranhält. «Die Zellnahrung könnte gerade hier einen wichtigen Beitrag leisten und es leichter machen, diese Regeln zu befolgen», hält er fest.

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