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Men Interview

Carlo Janka: «Psychisches ist immer noch ein hartes Tabu-Thema»

25.11.2023
von Sara Davaz

Carlo Janka kommt aus dem bündnerischen Obersaxen und wohnt derzeit auch dort. Der 36-Jährige erwartet im Februar «Baby Nummer drei» mit seiner Frau Jennifer. Im Interview spricht der ehemalige Skiprofi über sein anfängliches Desinteresse für Ernährung, darüber, wie er nie Mühe mit dem Aussehen seines Körpers hatte und über den starken Mann, den jede Familie braucht.

Carlo Janka, bis im letzten Jahr waren Sie als aktiver Profi im Bereich Ski Alpin unterwegs. Wie hat sich Ihr Leben als Familienvater seither verändert?

Seit meinem Karriere-Ende hat sich schon einiges verändert – vor allem die Zeit, die ich zu Hause verbringe. Davor verpasste ich schon viel. Vieles von meiner Tochter Ellie habe ich gar nicht mitgekriegt. Das merkt man allerdings erst jetzt, wenn man zu Hause ist. Zuvor war mir das gar nicht so bewusst. Diese Momente miterleben zu dürfen, bedeutet auf jeden Fall einen Mehrwert – die Kinder sind schliesslich nur einmal so klein.

Wie hat sich das Karriere-Ende auf die Beziehung mit Ihrer Frau Jennifer ausgewirkt?

Auch wir haben mehr Zeit, uns um unsere Partnerschaft zu kümmern. Jedoch müssen wir uns die Zeit für Zweisamkeit freischaufeln. Das heisst, wir planen die Zeit zu zweit aktiv ein und engagieren beispielsweise die Grosseltern, um auf unsere Kinder aufzupassen.

Gemeinsam mit Ihrer Frau bieten Sie Ernährungsberatung an. Seit wann achten
Sie auf Ihre Ernährung?

Mit Mitte zwanzig habe ich angefangen, auf meine Ernährung zu schauen. Dies tat ich nur, weil mein Körper nicht mehr so gut funktionierte. Vorher habe ich eine gesunde Ernährung nie richtig ernst genommen. Das Bewusstsein für diesen wesentlichen Teil im Leben eines Sportlers musste ich zuerst entwickeln. Zuvor ernährte ich mich oft vom Falschen, was dazu führte, dass ich mich nicht mehr gut fühlte. So wurde ich gewissermassen von meinem Körper gezwungen, meine Ernährung umzustellen.

Worauf achten Sie heute bei Ihrer Ernährung?

Mahlzeiten sollten einfach sein, die Zutaten saisonal und regional. Zudem kaufen wir viele Bio-Produkte. Fleisch essen wir nur selten und wenn, dann von hoher Qualität. Der Fleischkonsum ist unserer Meinung nach definitiv in die falsche Richtung gegangen: Die Massentierhaltung ist in keiner Hinsicht vertretbar. Deshalb essen wir mehrheitlich Wildfleisch, das entspricht unseren Anforderungen besser. Zusätzlich versuchen wir eher weniger Kohlenhydrate, dafür mehr Proteine und Fett zu essen. Unser Ziel ist, den Körper mit der Ernährung möglichst wenig zu belasten, damit er Energie für anderes hat, wie z. B. die sportliche Leistung.

Wie häufig treiben Sie Sport?

Ich versuche, so viel wie möglich Sport zu treiben. Jedoch liegt es einfach nicht mehr so oft drin. Jetzt steht die Familie im Vordergrund. Und auch das Coaching, das wir nebenbei aufbauen, erfordert Zeit. Eigentlich nehme ich mir vor, drei- bis viermal wöchentlich zu trainieren, allerdings gelingt dies nicht immer. Gerade nach meinem Rücktritt gab es eine Phase, in der ich deutlich weniger gemacht habe. Dann habe ich realisiert, dass es ein gewisses Mass an Bewegung braucht, um in Schuss zu bleiben.

Was bedeutet es denn, gesund zu sein?

Schlussendlich geht es um das eigene Gefühl – und um das Energielevel. Ich sage immer: Die optimale Gesundheit erreicht zu haben, bedeutet einen Überschuss an Energie zu haben. Gesundheit bedeutet nicht nur die Abwesenheit Krankheit, sondern das Optimum bei allem herauszuholen. Zu Beginn war das auch für mich ein Kampf. Insbesondere das Körpergefühl und die eigene Wahrnehmung muss man trainieren.

Gibt es Momente, in denen Sie mit
Ihrem Körper unzufrieden sind?

Unzufrieden mit dem Äusseren meines Körpers war ich noch nie. Aber mein Körper hat nicht immer so funktioniert, wie ich es gerne gehabt hätte. Es war schwierig für mich zu akzeptieren, dass der Körper nicht so weit geht, wie es der Kopf will.

Was machen Sie, um diesem
Frust entgegenzuwirken?

Ich musste lernen, diesen Umstand zu akzeptieren. Ich bin eher introvertiert und habe mich in diesen Phasen noch mehr zurückgezogen als sonst. Es dauerte meist lange, bis ich mich mit dem neuen Status quo abgefunden habe. Erst dann konnte ich nach Lösungen suchen.

Was hilft Ihnen, wenn Sie gestresst sind?

Mir hilft vor allem der zwischenmenschliche Austausch. Jeder braucht eine Ansprechperson, mit der man über alles reden kann, egal ob über Privates, Geschäftliches, Mentales oder Körperliches. Bei mir ist das sicher meine Frau. Wir können uns alles sagen – ohne Hemmungen und ohne Angst, nicht verstanden zu werden.

Wie können Frauen Männer allgemein
besser unterstützen?

Ich glaube, für Männer ist es immer noch ein hartes Tabu-Thema, über Psychisches zu sprechen. Viele haben Mühe, psychische Probleme anzusprechen, obwohl es alle betrifft. Mütter, Ehefrauen und Kolleginnen können versuchen, ihre männlichen Artgenossen abzuholen. Ein Mann kommt nicht von sich aus, weil er keine Schwäche zeigen will. Er möchte Stärke verkörpern und diese in der Familie und auch ausserhalb ausstrahlen. So kann es helfen, wenn die Frau ihm auf diesem Weg einen Schritt entgegenkommt und versucht, ihn aus der Reserve zu locken.

Was denken Sie über das stereotypische Rollenbild des Mannes?

Es braucht schon einen starken Mann zu Hause. Allerdings ist es wichtig, dass er die Möglichkeit hat, Schwäche zu zeigen – auch vor seinen Kindern. Wenn er Probleme hat, soll er diese ansprechen dürfen. Der starke Mann ist nach wie vor wichtig als Beschützer der Familie und diese Rolle braucht es weiterhin. Das wird sich auch nicht so schnell ändern.

Was möchten Sie Ihren Kindern bezüglich mentaler und körperlicher Gesundheit weitergeben?

Ich möchte unseren Kindern genau das weitergeben, was wir im Coaching anbieten: Ich will ihnen eine gesunde Ernährung beibringen – auch wenn das nicht immer so einfach ist. Sie sollen sich so oft es geht bewegen. Es muss nicht unbedingt eine Sportart sein, hauptsache sie bewegen sich draussen. Ausserdem möchte ich, dass sie zu Hause Offenheit erleben. Denn so vieles scheitert an mangelnder Kommunikation. Darum gilt: In den eigenen vier Wänden dürfen sie immer alles erzählen!

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