das dorf caleao liegt im herzen des spanischen naturparks redes,  seit 2001 ein biosphärenreservat ist.
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Biosphärenreservate als Modellregionen für nachhaltige Entwicklung

19.05.2021
von Kevin Meier

Alle haben das Wort «Biosphärenreservat» zumindest einmal gehört, wenn nicht sogar schon eines besucht. Viele verbinden vor allem das Thema Naturschutz mit den Biosphären. Doch es steckt noch mehr hinter diesen Modellregionen der Unesco. Ein Überblick.

Noch bevor es die Unesco-Biosphärenreservate gab, wurde 1971 ein interdisziplinäres Wissenschaftsprogramm etabliert: das Programm «Der Mensch und die Biosphäre» (MAB). Das Ziel des Programms war und ist auch heute noch die Erforschung der Beziehung zwischen Mensch und Umwelt. Dieses erste zwischenstaatliche Umweltprogramm setzte Grossforschungsprojekte in den Vordergrund, die unterschiedliche Ökosysteme aller Klimazonen untersuchten. Seit 1993 konzentriert sich das MAB-Programm auf die Biosphärenreservate, insbesondere das Weltnetzwerk derer. Schon zwei Jahre später, zum zweiten Weltkongress der Biosphärenreservate, wurde das MAB umgestaltet und stellte die Bedürfnisse des Menschen in den Mittelpunkt. Seither sind die Unesco-Biosphärenreservate Modell- und Lernregionen, in denen eine ökologisch, ökonomisch und sozial nachhaltige Entwicklung angestrebt wird. Zusätzlich zum Naturschutz wurde das Programm um Kulturschutz sowie Bildungsziele erweitert, um der gesamten Biosphäre Sorge zu tragen und diese weiterzuentwickeln.

Die Zonen der Reservate

Insofern beinhalten Biosphärenreservate drei wichtige Ziele und Funktionen. Einerseits sollen Landschaften, Ökosysteme und die Biodiversität bewahrt werden. Andererseits soll auch eine in allen Belangen nachhaltige Entwicklung erreicht werden, sowohl für die Wirtschaft als auch die Bevölkerung. Zu diesen Schutz- und Entwicklungsfunktionen gesellt sich die Forschung und Bildung: Durch Beobachtung und wissenschaftliche Untersuchungen sollen Erkenntnisse zur nachhaltigen Entwicklung gewonnen werden, die auch einen Beitrag zur internationalen Kampagne «Bildung für nachhaltige Entwicklung» der UNESCO leisten.

Analog zu den drei Funktionen sind die Biosphärenreservate weltweit in drei Zonen unterteilt. Bei den Kernzonen steht insbesondere der Naturschutz im Mittelpunkt. Die Nutzung dieses Gebiets ist strengsten Regeln unterworfen. Nur traditionelle Nutzungsformen, wie etwa die Almwirtschaft, sind unter Umständen erlaubt. Auch Forschungs- und Beobachtungsarbeiten sowie eine sanfte Freizeitnutzung sind zulässig. Damit keine harte Grenze zwischen Naturschutz und bewirtschafteten Bereichen entsteht, liegt dazwischen die Pflegezone, wo das Land ökologisch genutzt werden darf. Zudem ist ein schonender Tourismus zugelassen. Als Drittes gibt es die Entwicklungszonen, die meist die grösste Fläche eines Biosphärenreservats ausmachen. In diesen besiedelten Bereichen steht die nachhaltige Entwicklung im Vordergrund, die durch Modellprojekte gefördert und beworben werden soll.

Partizipation aller Akteure

Auch heutzutage ist das MAB-Programm noch wissenschaftlich ausgerichtet. Es geht darum, herauszufinden und aufzuzeigen, wie der Mensch mit seiner Umwelt umgehen soll, um eine nachhaltige Entwicklung zu erreichen. Aus diesem Grund beinhalten die Biosphärenreservate nicht ausschliesslich wilde Natur, sondern oft Kulturlandschaften, deren Bevölkerung am Konzept einer nachhaltigen Entwicklung interessiert ist und dieses auch mitträgt. Auf diese Weise lassen sich die biologische als auch die kulturelle Diversität sicherstellen und lokale Gemeinschaften können erproben, welche Antworten auf problematische Veränderungen wie der Klimawandel valable Lösungen bieten können. Traditionelles Wissen und neue Erkenntnisse erzeugen Synergien, die weltweit Schule machen könnten. Wichtig ist, dass alle Beteiligten involviert sind und die Fortschritte durch das Weltnetzwerk der Biosphärenreservate geteilt werden.

Jedes Biosphärenreservat wird alle zehn Jahre überprüft. Einerseits werden die Funktion, die Zonen sowie die Mitarbeit der Bevölkerung betrachtet. Das qualitative Gutachten untersucht getroffene Massnahmen und deren Ergebnisse sowie Probleme der Implementierung. Diese Inspektionen stellen andererseits fest, wo noch Verbesserungen nötig sind, ob beispielsweise eine Neuzonierung angezeigt ist. Wenn aber grundlegende Kriterien nicht mehr erfüllt werden, werden jene Biosphärenreservate von den Ländern selbst vom Weltnetzwerk zurückgezogen.

Die Bevölkerung der Reservate

Entgegen der häufigen Sicht von aussen handelt es sich bei den Biosphärenreservaten nicht nur um Naturschutzgebiete im klassischen Sinne. Treffender wäre es, die Reservate als Leitbilder für Wirtschafts- und Lebensräume zu bezeichnen, die sich einer nachhaltigen Entwicklung verschrieben haben. Aus dieser Perspektive erlangt die Sichtweise der Bevölkerung eines Biosphärenreservats zusätzliche Bedeutung. 2019 publizierte Dialog N den Bericht «Akzeptanz, Identifikation und Engagement: Ansichten und Mitwirkung der Bevölkerung in UNESCO-Biosphärenreservaten (AkldEn)». In den acht untersuchten Biosphärenreservaten in Deutschland, Österreich und der Schweiz zeigte sich, dass insgesamt eine «(sehr) positive Einstellung» aufseiten der Bevölkerung gegenüber dem Reservat herrscht. Über alle Biosphären hinweggesehen, würden 76 Prozent der Befragten für den Fortbestand stimmen. Gleichzeitig würden nur rund drei Prozent sicher dagegen stimmen. Die Modellregionen, zumindest in deutschsprachigen Gebieten, scheinen breiten Rückhalt in der Bevölkerung zu geniessen.

Text Kevin Meier

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Quick Facts

  • Das Weltnetzwerk besteht aus 714 Biosphärenreservaten in 129 Ländern, davon sind 21 grenzüberschreitend.
  • In der Schweiz gibt es zwei Biosphären: das luzernische Entlebuch und das bündnerische Reservat da Biosfera Val Müstair-Parc Naziunal.
  • Spanien hat mit 52 die höchste Anzahl an Biosphärenreservaten.
  • 52 Prozent des Landes sind in Costa Rica Teil eines Biosphärenreservats.
  • Tsá Tué in Kanada ist das erste Biosphärenreservat der Welt.
  • 45 Reservate wurden bislang von neun Ländern zurückgezogen (Stand 2018).

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