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Schweiz

Die Schweiz brennt

29.09.2022
von Elma Pusparajah

Alkohol wird heutzutage vielfältig genutzt: als Genussmittel, Rohstoff oder Medizin. Doch kein anderes Thema wurde in der Schweizer Gesellschaft so oft diskutiert, wie die Frage um die Herstellung sowie den Konsum dieser Substanz.«Fokus» hat Nachforschungen über die Alkoholgeschichte hierzulande angestellt. 

Die Schweizer Alkoholpolitik geht bis ins späte 19. Jahrhundert zurück. Zu jener Zeit war der Kartoffelschnaps unter Schweizer Bürger:innen beliebt, welcher in einem Erhitzungs-, Gär- und anschliessendem Brennprozess aus den Knollen hergestellt wurde. Jedoch wurde der Konsum der ländlichen Unterschicht und Arbeiterklasse allmählich als Sucht angesehen. So begann 1887 die Eidgenössische Alkoholverwaltung EAV, den Umgang mit Alkohol für die nächsten 130 Jahre zu regulieren. Zunächst führten sie ein Gesetz ein, welches sich ausschliesslich auf Kartoffel- und Getreideschnaps bezog, um der sogenannten «Kartoffelschnapspest» entgegenzuwirken und die Nutzung von Kartoffeln und Getreide für die Ernährung zu fördern. Die Politik der EAV verfolgte die Eindämmung des Alkoholkonsums, aber auch die Versorgung von Industrie und Medizin. Sie thematisierte beim ersteren nur gebrannten Alkohol, und nicht gegorenen oder destillierten, obwohl der Unterschied oftmals lediglich in der Produktionsart lag. 

Erweiterungen 

Im Jahr 1933 wurde die Verfassung erweitert und das Alkoholgesetz eingeführt, welches nun auch Spirituosen aus dem gesamten Obstbereich umfasste. Die Herstellungs-, Verarbeitungs- sowie Vertriebsprozesse des Alkohols wurden reguliert. Die EAV kontrollierte und reduzierte somit etliche Brennereien, kaufte Brennapparate auf und förderte den Anbau von Obst und Getreide. Zudem wurde zwei Jahre später eine Getränkesteuer auf Alkohol eingeführt. Demnach sollte wiederum der Verbrauch reduziert werden und so blieb alleinig der Hausbranntwein der Landwirt:innen, der auch als Medizin oder Desinfektionsmittel diente, steuerfrei. Während der Nachkriegszeit veränderten sich jedoch die Trinkkulturen und das «Elendstrinken» wurde aufgrund neuer importierter Alkoholika wie Rum und Whisky zu einem «Wohlstandstrinken». 

Entwicklungen und Gegenwart

Die Entwicklung der gesellschaftlichen Wahrnehmung sowie Verwaltungsreformen führten dazu, dass die EAV fortlaufend an Bedeutung verlor und ihre Zuständigkeitsbereiche abgeben musste. Das Alkoholgesetz wurde schliesslich im Jahr 1999 revidiert und das Herstellungsverbot von Spirituosen aus Nahrungsmitteln wurde aufgehoben. Dies ermöglichte Schweizer Brenner:innen wieder, ihre Tätigkeit aufzunehmen. Zudem wurde Ende 2017 die EAV aufgelöst und die Zuständigkeitsbereiche verteilt. Heute existiert hierzulande sogar eine Ethanolproduktionsanlage aus Zuckerrüben, welche für Schweizer Spirituosen zur Verfügung steht. 

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