michael auer michael auer: «bargeld wird noch lange eine rolle spielen»
Sparen Finanzen Interview

Michael Auer: «Bargeld wird noch lange eine Rolle spielen»

13.08.2018
von Miriam Dibsdale

Das Bankenwesen Schweiz steht im Wandel und mit ihm auch die Raiffeisen. Michael Auer, Mitglied der Geschäftsleitung von Raiffeisen Schweiz, gibt Auskunft über aktuelle Herausforderungen, Bargeld im Alltag und das inländische Bankgeheimnis.

Michael Auer, als Mitglied der Geschäftsleitung erleben Sie den Umbruch der Bankenbranche hautnah mit. Vor welchen Herausforderungen steht die Raiffeisen Gruppe?

Mit unserem dezentralen Geschäftsmodell mit 255 unternehmerisch selbständigen Raiffeisenbanken sind wir schweizweit die Retailbankengruppe mit der grössten Marktdurchdringung und dem höchsten Marktanteil. Wir sehen uns vor allem mit drei Herausforderungen konfrontiert: Erstens arbeiten wir daran, die hohe Abhängigkeit vom Zinsgeschäft zu reduzieren. Zweitens geht es darum, die Stärken unserer lokalen Verankerung mit den Möglichkeiten der Digitalisierung so zu verbinden, dass wir unsere Kunden auf allen Kanälen optimal beraten können. Und drittens stellen wir unsere Dienstleistungspalette so auf, dass noch mehr Privat- und Firmenkunden Raiffeisen zu ihrer wichtigsten Bankenverbindung machen.

Sie waren vor 20 Jahren dabei, als die UBS und der Schweizerische Bankverein fusionierten. Seitdem hat sich auf dem Schweizer Finanzplatz viel getan. Was sind die nächsten grossen Veränderungen?

Der nächste grosse Veränderungstreiber, der bereits Wirkung zeigt, sind die wachsenden Möglichkeiten aus der Digitalisierung. Hier sehe ich eine weitere Aufteilung und damit Spezialisierung in den unterschiedlichen Wertschöpfungselementen. Ich denke dabei an die Art und Weise, wie Kunden und Kundenberater miteinander interagieren und Spezialistenwissen effizient eingebunden wird. Zudem sehen wir uns einem wachsenden Wettbewerb mit Dienstleistern ausgesetzt, die für ihr Angebot keines Bankenstatus bedürfen. Auch sehe ich bedeutende Veränderungen im Berufsbild des Beraters vom Serviceerbringer hin zu einem Finanzplanungs- und Vorsorgespezialisten.

2016 schlossen sich die beiden Bezahl-Apps Twint und Paymit zusammen und es wurde für die Kunden noch einfacher, Zahlungen digital auszuführen. Braucht es überhaupt noch Bargeld?

Bargeld wird noch lange eine Rolle spielen, weil es meines Erachtens nicht realistisch ist, die Umstellung hin zu einer bargeldlosen Welt zu erzwingen. Die neuen technologischen Möglichkeiten werden aber den Einsatz von Bargeld immer mehr verdrängen, so dass es letztlich nur eine Frage der Zeit ist, bis das Bargeld im Alltag nicht mehr benötigt und auf einen Nostalgiefaktor zurückgedrängt wird. Dies wird allerdings noch Jahre dauern.

In welchen Situationen bezahlen Sie selbst noch mit Bargeld?

Ich versuche mich vom «Balast» des Bargeldes weit möglichst zu entlasten und bezahle nur noch dort mit Cash, wo es heute anders einfach nicht geht: Wertschätzung gegenüber einem guten Strassenkünstler, an der Parksäule in der Innenstadt oder beim Eisverkäufer in der Einkaufsstrasse in St. Gallen.

Wir sehen bei unseren Hunden keinen signifikanten Anstieg der Sparquote.

Mittlerweile ist es möglich, ohne das Haus zu verlassen ein Bankkonto zu eröffnen. Besteht dadurch nicht auch eine Gefahr für Missbrauch?

Der Schlüssel zur Missbrauchsreduktion ist die fehlerfreie und sichere Identifikation des Vertragspartners. Mit der Initiative «SwissSign», einem Gemeinschaftsunternehmen aus staatsnahen Betrieben, Finanzunternehmen, Versicherungsgesellschaften und Krankenkassen, wird ein Standard entwickelt, der genau dieser Herausforderung Rechnung trägt.

Anhaltende Diskussionen rund um unsere Vorsorgewerke (AHV, 2.Säule) sorgen für zunehmende Verunsicherung bei Schweizerinnen und Schweizer. Hat sich das Sparverhalten Ihrer Kunden verändert?

Wir sehen bei unseren Kunden keinen signifikanten Anstieg der Sparquote. Vielmehr nehmen wir eine wachsende Bereitschaft wahr, das Sparkapital zunehmend auch in Wertschriften anzulegen und damit Aussicht auf höhere Erträge stärker zu gewichten als die Angst vor Kursschwankungen. Diese Veränderung in der Bewirtschaftung des Sparguthabens ordne ich allerdings mehr dem aktuell tiefen Zinsniveau und dem wachsenden Vertrauen in die Kundenberatung zu als auf die schwierigen Rahmenbedingungen der Vorsorgewerke.

Was empfehlen Sie jungen Leuten bezüglich Vorsorge? In welchem Alter sollte man anfangen, sich darüber Gedanken zu machen?

Vorsorgen ist keine Altersfrage. Vorsorgen bedeutet, sich Handlungsspielraum zu schaffen für Unbekanntes, Überraschendes oder auch für die Umsetzung eines konkreten Plans. Beispiele gefällig? Es eröffnet sich ein günstiger Zeitpunkt für eine interessante, befristete Vollzeitausbildung; es bietet sich eine Gelegenheit, sich an einem Unternehmen zu beteiligen oder das Wunschobjekt für ein Eigenheim kommt auf den Markt. Der langen Rede kurzer Sinn: Vorsorge sollte unbedingt mit den ersten Einkünften aus der beruflichen Tätigkeit beginnen. Je nachdem, welche Ziele man mit der Vorsorge anstrebt, kann der Berater unterschiedliche Massnahmen empfehlen.

Dank attraktiven Fondssparplanlösungen ist es möglich, bereits den ersten Franken effizient und nach allen Regeln der Anlagekunst zu investieren

Bei den vielen Finanzinstituten und Angeboten fällt es schwer, den Überblick zu behalten. Viele sind damit überfordert und bleiben deshalb beim normalen Sparkonto. Ab welchen Beträgen lohnt es sich überhaupt, anderweitig zu investieren?

Die Frage, ob das traditionelle Sparkonto oder das Wertschriftensparen das Richtige ist, leitet sich nicht aus dem zur Verfügung stehenden Betrag ab. Dank attraktiven Fondssparplan-Lösungen ist es möglich, bereits den ersten Franken effizient und nach allen Regeln der Anlagekunst zu investieren, selbstverständlich immer auch im Einklang mit der Risikobereitschaft des Kunden oder der Kundin.

Sie haben unlängst den Verkauf Ihrer Privatbank Notenstein La Roche angekündigt und gleichzeitig das Ziel formuliert, dass Sie das eigene Anlagegeschäft ausbauen wollen. Was verstehen Sie darunter?
Raiffeisen ist Marktführerin im Hypothekargeschäft und ist die Bankengruppe mit dem höchsten Volumen an Spargeldern. Noch deutlich geringer ist unsere Marktposition im Wertschriften-, d.h. Anlagegeschäft. Wir sind überzeugt, dass wir mit unseren fast 1’000 Geschäftsstellen schweizweit und einer Kundenbasis von fast 50 Prozent der in der Schweiz wohnhaften natürlichen Personen grosse Chancen haben, auch im Anlagegeschäft Marktanteile dazu zu gewinnen. Aus diesem Grund fokussieren wir uns noch mehr auf eine ganzheitliche Beratung. Wir entwickeln neue Beratungsangebote und nutzen die digitalen Möglichkeiten, um es dem Kunden noch einfacher zu machen, sich für alle seine Bankdienstleistungen bei Raiffeisen aus einer Hand zu bedienen.

Durch unzählige Skandale, insbesondere mit den USA, hat das Vertrauen in Finanzinstitute hierzulande abgenommen. Auch Raiffeisen hat mit der Affäre Vincenz für Negativschlagzeilen gesorgt. Sie leiten die interne Krisenorganisation rund um die Aufarbeitung. Wie geht es voran?

Die Arbeiten laufen gemäss Plan. So haben wir im Juni das FINMA-Verfahren abschliessen können und erwarten auf die ausserordentliche Delegiertenversammlung im November hin die Resultate aus der unabhängigen internen Untersuchung, die unter der Aufsicht von Prof. Dr. Bruno Gehrig steht. Auch der Erneuerungsprozess im Verwaltungsrat und in der Geschäftsleitung ist in vollem Gange. Aufgrund der früher als geplanten Rücktritte von drei Verwaltungsräten und der Zuwahl der neuen Mitglieder im Herbst wird das Gremium voraussichtlich bereits dieses Jahr den Transformationsprozess abschliessen können.

Die Ratingagentur Moody’s hat als Folge die Kreditwürdigkeit der Bankengruppe zurückgestuft. Welche Auswirkungen hat dies für Raiffeisen?

Auch mit der Anpassung des Kreditratings von Aa2 auf Aa3 attestiert Moody’s unserer Bankengruppe weiterhin eine sehr gute Kreditqualität. Mit Ausnahme der Kantonalbanken mit Staatsgarantie weist keine andere Bankengruppe in der Schweiz ein gleich gutes Rating auf. Wir erwarten darum keine unmittelbaren Auswirkungen für Raiffeisen.

Unsere Geschäftspolitik ist vom Bestand des Bankgeheimnisses unbeeinflusst.

Was unternehmen Sie, um das Vertrauen der Kunden zurückzugewinnen?

Das Vertrauen unserer Kunden in die Marke Raiffeisen ist im Grundsatz ungebrochen und reflektiert sich im unverändert hohen Zufluss an Kundengeldern wie auch im Zuwachs von neuen Kunden. Dass sich Raiffeisen Schweiz als zentrale Serviceeinheit kritischen Fragen stellen muss, ist unbestritten und aus diesem Grunde ist es wichtig, dass wir die versprochene lückenlose Klärung der Vergangenheit noch dieses Jahr abschliessen und unsere ganze Energie wieder auf die Weiterentwicklung unserer Bankengruppe verwenden können.

Seit letztem Jahr gilt der Automatische Informationsaustausch auch für die Schweiz. Wie lange wird das inländische Bankgeheimnis noch bestehen können?

Das Bankgeheimnis in der Schweiz ist Ausdruck unserer liberalen Grundhaltung und entspricht dem Verständnis der Selbstverantwortung jedes einzelnen Staatsbürgers. Ob und wie lange dieses in der aktuellen Form noch in unseren Gesetzen verankert bleibt, ist eine politische Fragestellung. Unsere Geschäftspolitik ist vom Bestand des Bankgeheimnisses unbeeinflusst.

Text: Miriam Dibsdale

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