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Wissenswertes zum Tag der Linkshänder

31.07.2019
von Stefan Marolf

Linkshänderinnen und Linkshänder und damit fast zehn Prozent der Bevölkerung haben es nicht immer leicht in einer rechts-orientierten Welt. Am 13. August haben sie aber etwas zu feiern: den internationalen Tag der Linkshänder. Wie es dazu kam und was das Linkshänder-Sein mit sich bringt.

Seit dem Jahr 1976 gibt es ihn – den Welt-Linkshändertag. Der US-Amerikaner Dean R. Campbell hat den Feiertag ins Leben gerufen, um auf die Bedürfnisse der Linkshänder aufmerksam zu machen. Den 13. August als Datum hat er gewählt, weil die Zahl 13 auf den Aberglauben hinweist, der oft mit der Linkshändigkeit verbunden wird.

Die linke Seite der Geschichte

Schon seit Langem wird ein Augenmerk auf die Händigkeit gelegt. Bereits in der Bibel wurde die bevorzugte Verwendung der linken Hand als explizites Merkmal erwähnt, war aber nicht negativ behaftet. Im antiken Griechenland galt die linke Seite als Seite des Unglücks. Genau umgekehrt war es im alten Rom – in beiden Fällen aber hatte der Aberglauben mit der bevorzugten Gebetsrichtung zu tun. Im Mittelalter schliesslich war Linkshändigkeit ein Zeichen von Ketzerei – so glaubte man, Hexen bekreuzigten sich mit links.

Bis in die 1970er-Jahre wurden Kinder, die als Linkshänder geboren wurden, umgeschult. Gemäss verschiedenen Studien sind es im Übrigen mehr Jungen als Mädchen, die ihre linke Hand bevorzugen. Man ging lange davon aus, dass Linkshänder schwächer seien und es für sie in einer Welt von Rechtshändern einfacher sei, auch die rechte Hand zu bevorzugen. Nicht alle umgeschulten Linkshänder wurden dazu gezwungen: Häufig passen sich linkshändige Kinder bereits im Kindergarten ihren Kameradinnen und Kameraden an. Das ist völlig natürlich, weil Kinder in diesem Alter den ausgeprägten Wunsch haben, nicht auf- oder abzufallen. Problematisch ist, dass eine solche Selbstumschulung weder von den Eltern noch von Lehrkräften bemerkt wird.

Linkshändigkeit ist kein ausschliesslich menschliches Phänomen. Auch in der Tierwelt ist sie zu beobachten.

Einem Phänomen auf der Spur

Weshalb Linkshänderinnen und Linkshänder so sind, wie sie sind, wurde oft untersucht, aber nie restlos geklärt. Der Biopsychologe Sebastian Ocklenburg von der Universität Bochum erklärt: «Wir wissen, dass Linkshändigkeit zu 25 Prozent durch Gene und zu 75 Prozent durch Umweltfaktoren bedingt ist.» Solche Faktoren seien unter anderem die Kultur, das Verhalten der Eltern und sogar die Jahreszeit, in der ein Kind geboren wird. Der Zusammenhang zwischen Linkshändern und -füssern indes ist geklärt. Er hat mit der sogenannten Lateralisation des Gehirns, also der Dominanz einer der beiden Gehirnhälften, zu tun. Sebastian Ocklenburg weiss: «Die relevanten Gene sind vor allem für die Gehirnentwicklung wichtig – Linkshändigkeit hat nämlich nichts mit den Händen an sich zu tun, sondern entsteht im Gehirn.» Bei Linkshänderinnen und Linkshändern dominiert die rechte Hirnhälfte, deshalb bevorzugen sie oft auch den linken Fuss, das linke Auge oder das linke Ohr. Zwar hat die Linkshänder-Forschung mit vielen Herausforderungen zu kämpfen; gemäss Sebastian Ocklenburg soll trotzdem bald Licht ins Dunkle kommen: «Durch neuere Methoden, die in immer grösseren Stichproben eingesetzt werden, sollten wir ein immer besseres Bild davon bekommen, warum manche Menschen Linkshänder werden.» Er ist überzeugt, dass das Rätsel um die Überzahl der Rechtshänder lösbar ist: «In den nächsten 20 Jahren wissen wir hoffentlich mehr.»

Den Alltag mit links meistern

Linkshänderinnen und Linkshänder müssen sich in einer Welt zurechtfinden, die auf Rechtshänder ausgerichtet ist. Scheren, Küchengeräte, Werkzeuge, Waffen – etliche Geräte sind so konzipiert, dass sie einem Rechtshänder optimal in der Hand liegen. Zwar gibt es Linkshänder-Werkzeuge, allerdings sind sie deutlich teurer als ihre herkömmlichen Pendants. Trotz all diesen Erschwernissen haben Linkshänder auch Vorteile. Die Tatsache, dass sie in einer für sie «verkehrten Welt» zurechtkommen müssen, zwingt sie zu kreativen Lösungsansätzen. Linkshänder bilden dadurch eine verstärkte Brücke zwischen den beiden Gehirnhälften aus. Das wiederum ermöglicht ein schnelles und gleichzeitiges Verarbeiten von verschiedenen Reizen, wie Forscher der Australian National University herausgefunden haben. Übrigens: Linkshändigkeit ist kein ausschliesslich menschliches Phänomen. Auch in der Tierwelt ist sie zu beobachten. So benutzen die meisten Schimpansen für herausfordernde Tätigkeiten lieber die linke Hand. Ein weiteres Beispiel liefert Sebastian Ocklenburg: «Wussten Sie, dass 46 Prozent der Katzen Linkshänder sind?»

Rafael Nadal ist für seine harten Schläge mit links berüchtigt.

Auf der Überholspur

Der grösste Vorteil gegenüber Rechtshändern ergibt sich für Linkshänderinnen und Linkshänder im Sport. Ob auf dem Tennisplatz, in der Handballhalle oder im Boxring – für Rechtshänder ist es ungewohnt, gegen Linkshänder anzutreten. «Es konnte gezeigt werden, dass Linkshänder in diesen Sportarten deutlich erfolgreicher sind – weil sie ein Überraschungsmoment haben», erläutert Sebastian Ocklenburg. Besonders deutlich wird das im Kampfsport. Judo-Athleten werden so ausgebildet, dass sie «beidseitig» angreifen und verteidigen können. So wird der Nachteil bestmöglich ausgeglichen.

Der Vorteil für Linkshänder ergibt sich nicht zuletzt daraus, dass es für sie normal ist, gegen Rechtshänder anzutreten, während diese sich komplett umstellen müssen. Kämpfen zwei Linkshänder – in welcher Sportart auch immer – gegeneinander, ist es für beide ungewohnt und somit weder ein Vor- noch ein Nachteil. Auch in der US-amerikanischen Boxszene ist der Vorteil von Linkshändern, die im Normalfall als sogenannte Rechtsausleger boxen, hinlänglich bekannt. Trotzdem oder gerade deswegen ist es verpönt, «falschherum» zu boxen. Box-Einsteiger werden zu Linksauslegern umgeschult, damit sie wie Rechtshänder kämpfen. Damit werden sie ihres natürlichen Vorteils beraubt.

Verborgene Talente

Linkshänderinnen und Linkshänder besitzen gewisse Fähigkeiten, die zwar nicht wirklich nützlich, dafür aber umso erstaunlicher sind. Natürlichen Impulsen folgend würden die meisten Linkshänder von rechts nach links und damit spiegelverkehrt schreiben, wenn sie dürften. Sebastian Ocklenburg ist trotzdem überzeugt, dass es sich lohnt, Linkshänderinnen und Linkshändern das «normale» Schreiben anzugewöhnen: «Ich denke, dass es für die allgemeine zwischenmenschliche Kommunikation nicht optimal wäre, wenn 9.2 Prozent der Bevölkerung auf einmal spiegelverkehrt schreiben würden.» Viele Linkshänder verlieren die Fähigkeit, zu jeder Zeit spontan von rechts nach links schreiben zu können, ein Leben lang nicht. Dieser Umstand ist in der Wissenschaft als Leonardo-Phänomen bekannt – benannt nach dem Universalgenie Leonardo da Vinci. Er, einer der klügsten Köpfe aller Zeiten, war selbst Linkshänder und hatte keine Lust, sich den Rechtshänder-Konventionen anzupassen. Da Vinci verfasste alle Notizen, Texte und sogar seine Signatur in Spiegelschrift. Auch im Sport sorgen Linkshänder für kuriose Anekdoten. Rafael Nadal, einer der erfolgreichsten Tennisspieler der Gegenwart, ist für seine harten Schläge mit links berüchtigt. Was selbst eingefleischte Tennis-Fans nicht wissen: Der Mallorquiner ist eigentlich Rechtshänder. Wohl wissend um den Linkshänder-Vorteil im Tennis hat ihn sein Onkel Toni schon im Kindesalter umgeschult.

Eine «rechte» Sprache?

Dass man als Linkshänderin oder Linkshänder als andersartig gesehen wird, zeigt sich nicht zuletzt auch im Sprachgebrauch. Es finden sich etliche Beispiele, die aufzeigen, dass «links» negativ behaftet ist. Wer gelinkt wird, wird von einer linken Person hinter das Licht geführt. Wer mit dem linken Fuss aufgestanden ist, hat einen schlechten Tag vor sich und wer links liegen gelassen wird, der wird übergangen. Hat jemand zwei linke Hände, ist er ein Taugenichts und wird wohl selten einen Auftrag mit links erledigen.

Geht hingegen etwas mit rechten Dingen zu, ist alles in Ordnung und wer das Herz am rechten Fleck hat, ist ein guter Mensch. In anderen Sprachen zeigt sich dieser Unterschied noch deutlicher: Das englische Wort «right» bedeutet nicht nur «rechts», sondern auch «richtig». Nichtsdestotrotz sind Linkshänderinnen und Linkshänder heute in einer besseren Lage als noch vor einigen Jahrhunderten. Ohne Angst haben zu müssen, der Ketzerei bezichtigt zu werden, können sie am 13. August unbesorgt auf «ihren» Feiertag anstossen – dank Dean R. Campbell.

Text Stefan Marolf

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