burn-out diagnose burn-out – wenn alles zu viel wird
Gesundheit

Diagnose Burn-out – wenn alles zu viel wird

18.03.2020
von Flavia Ulrich

Leistungsdruck und Stress in der Arbeitswelt nehmen stetig zu. Viele Arbeitsnehmende fühlen sich überfordert und arbeiten mehr als sie aushalten. Wenn der Körper und der Kopf aussteigen, lautet die Diagnose oft Burn-out. Was die Anzeichen sind und welche Behandlungswege es gibt, erklärt der leitende Arzt im Bereich Psychiatrie und Psychotherapie Enrico Frigg.

Enrico Frigg Leitender Arzt und stellvertretender Chefarzt im Bereich Psychiatrie und Psychotherapie

Enrico Frigg, Leitender Arzt und stellvertretender Chefarzt im Bereich Psychiatrie und Psychotherapie

Ein E-Mail da, eine Benachrichtigung dort – wir sind in dieser digitalisierten Welt komplett vernetzt. Auch vor der Work-Life-Balance macht die Technik keinen Halt. Mails und Nachrichten werden auf dem Heimweg oder von Zuhause aus beantwortet, die Sorgen und der Druck der Arbeit bleiben auch nach Feierabend erhalten. Doch nicht nur im Berufsleben entwickeln sich solche akuten Stresssituationen, auch familiäre Belastungen können ein Burn-out hervorrufen.

Wenn das innere Feuer erlischt

Doch was bedeutet Burn-out überhaupt? Unter einem Burn-out versteht man das Syndrom des Ausgebranntseins, der Zustand der völligen psychischen und körperlichen Erschöpfung. Obwohl das Burn-out offiziell noch keine Diagnose darstellt, besteht der Begriff schon seit den Achtzigerjahren. Der amerikanische Psychotherapeut Herbert J. Freudenberger benutzte ihn im Zusammenhang mit Arbeitnehmenden in Sozialberufen. Der leitende Arzt und stellvertretende Chefarzt Enrico Frigg bestätigt dies: «Man kann eindeutig feststellen, dass primär Berufstätige im Erziehungs- sowie Gesundheitsbereich betroffen sind. Laut Statistiken nimmt dort der gefühlte Stress zu.»

Oft herrscht Verwirrung über die Unterschiede zwischen einem Burn-out und einer Depression. Die Depression ist im Gegensatz zum Burn-out kein Prozess, sondern ein Querschnittsbild. Dennoch kann man in den meisten Fällen von klinischer Depression im Vorfeld anhaltende Belastungsumstände identifizieren.

Überschrittene Grenzen

Obwohl das Phänomen nicht neu ist, erkranken heutzutage immer mehr Menschen an einem Burn-out. Auch in der Schweiz ist es ein grosses Thema: Laut einer Studie steht jeder vierte Arbeitnehmer vor einem Burn-out. Und die Zahlen der Betroffenen steigen jährlich weiter an.

Häufig bleiben die erhöhten Belastungen und der Stress über einen längeren Zeitraum bestehen. Die betroffene Person stellt ihre eigenen Bedürfnisse oft in den Hintergrund – die Deadline des Projekts oder die Anliegen der Familienmitglieder sind wichtiger. Meist kommt es neben diesen anhaltenden Belastungen zu einer Situation, die das Fass zum Überlaufen bringt. Enrico Frigg sagt: «Es ist relativ typisch, dass nach einer gewissen Burn-out-Entwicklung noch etwas dazukommt. Das kann ein Infekt wie ein Schnupfen oder eine Konfliktsituation bei der Arbeit sein, welche das Burn-out auslöst.»

Belastung in Beruf und Familie

Ein Burn-out kann durch berufliche oder familiäre Belastungen entstehen. Der Arbeitnehmer übt seine Tätigkeit anfangs gerne und aus Überzeugung aus. Die positive Einstellung ändert sich jedoch mit der Zeit durch die Überlastung. Auch das Arbeitsumfeld kann den Stress vervielfachen, aufgrund eines schwierigen Arbeitsklimas, Konflikten im Team oder Mobbing.

Auch belastende familiäre Situationen können Burn-outs auslösen. Die Elternrolle kann eine Herausforderung darstellen – sei es bei der Organisation des Familienalltags oder beim Lösen von Problemen zwischen Familienmitgliedern. Oft gilt es, schwierige Situationen zu meistern: Sei es ein Teenager, der die Grenzen der Eltern austestet oder die Pflege eines Familienmitglieds. Auch Enrico Frigg vertritt den Standpunkt, dass ein Burn-out nicht nur mit der Arbeit zusammenhängt: «Natürlich verbringen viele Leute die meiste Zeit im Arbeitsumfeld. Daher ist es plausibel, dass sich das Burn-out in erster Linie dort entwickelt. Aber auch eine alleinerziehende Mutter kann aufgrund einer Überforderung in ein Burn-out hineingeraten, unabhängig von einem Arbeitsverhältnis.»

In der Ohnmachtsspirale gefangen

Betroffene durchlaufen während der Burn-out-Entwicklung verschiedene Phasen. Oft sind sie sehr engagiert, packen gerne an und leisten mehr als andere. Von aussen wirkt es so, als stelle diese erhöhte Arbeitslast kein Problem für den Arbeitnehmenden dar; im Inneren dieses Menschen ist es jedoch eine Belastungssituation. Durch diese Asymmetrie erhält der Arbeitnehmer mehr Aufgaben und ist dieser eigentlich gar nicht gewachsen.

Betroffene durchlaufen während der Burn-out-Entwicklung verschiedene Phasen.

Meist zeichnet sich ein Burn-out zuerst durch eine Erschöpfung aus. Man fühlt sich müde und mit der Zeit immer schneller kraftlos. Innerlich herrscht gleichzeitig eine erhöhte Reizbarkeit und Unruhe, die äusserlich aufgrund der gewahrten Professionalität während der Arbeit nicht gezeigt werden kann. Schlimmstenfalls kann ein Burn-out in einer schweren Depression enden, aus der man nur über einen längeren Zeitraum hinweg und mit stationärer Hilfe herausfindet.

Hilfe holen

Bei einem Burn-out helfen verschiedene Behandlungsmethoden. Gemeinsam mit der Schulmedizin und Psychotherapie gibt es auch komplementäre Behandlungsmöglichkeiten wie die traditionelle chinesische Medizin und weitere Therapieformen. Der Mensch ist nicht nur Biochemie, sondern ein emotionales Wesen. Diese Emotionen verdrängt man aber von Zeit zu Zeit, was neben psychischen auch zu körperlichen Spannungen führt. «Traditionelle chinesische Medizin ist eine jahrtausendealte Erfahrungsmedizin, die den Körper in die Behandlung miteinbezieht. Akupunktur kann beispielsweise gestaute oder verminderte Energie wieder in den Fluss bringen», sagt der leitende Arzt. Alternative Behandlungen wie Kunsttherapien helfen Betroffenen ihre Probleme nonverbal ausdrücken und Druck zu lösen. Auch verschiedene Massagetechniken unterstützen die Entspannung und die Freisetzung von Energien.

Bei den ersten Anzeichen eines anstehenden Burn-outs sollte man sich Hilfe holen. Dieser Schritt ist oft nicht einfach, denn Betroffene möchten sich keine Blösse geben und als schwach abgestempelt werden. Doch man sollte mit sich ehrlich sein, und lieber früher statt später ein professionelles Beratungsgespräch in Anspruch nehmen.

Text Flavia Ulrich

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Vorheriger Artikel Die teuersten Erkrankungen der Schweiz
Nächster Artikel Autonomie im Alter: Zuhause ist es am schönsten