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Andrin Schweizer braucht keinen smarten Kühlschrank

24.04.2018
von Miriam Dibsdale

Seinen beruflichen Durchbruch hatte er dank der Expo.02, wo er die Pavillons für Coop und SwissLife gestaltete. Heute ist Architekt Andrin Schweizer durch seine Auftritte in Fernsehsendungen wie «Happy Day» einem breiten Publikum bekannt. Im Interview mit «Fokus» spricht er über seine Anfänge als Unternehmer, smarte Haushaltsgeräte und die Faszination von Baumhütten.

Andrin Schweizer, Sie haben sich nur gerade ein Jahr nach Abschluss Ihres Architekturstudiums im Alter von 27 Jahren selbständig gemacht und ein eigenes Unternehmen gegründet. Sie lieben wohl das Risiko?
Eigentlich bin ich ein recht vorsichtiger Mensch. Das Risiko war auch ziemlich überschaubar, als ich mich selbständig gemacht habe. Pipilotti Rist, damals künstlerische Direktorin der Expo.02, hatte mich angefragt, ob ich nicht Teil ihres Teams werden wolle. Ich habe lediglich die Chance genutzt und – statt mich von der Expo anstellen zu lassen – eine eigene Firma gegründet. Die Expo war dann die erste sichere Kundin.

Wann wussten Sie, dass es mit der Karriere als selbständiger Architekt klappt?
Aus den vielen Ideen, die ich mit meiner Firma für die Expo entwickelt hatte, wurde dann ein erster konkreter Auftrag: der Ausstellungspavillon «Manna» für Coop in Neuchâtel. Als dieser schon im Vorfeld sehr viel Beachtung fand, war ich zuversichtlich, dass es gut kommen wird. Kurz darauf hat die SwissLife angeklopft und wir durften auch noch deren Pavillon «SwissLove» in Yverdon entwerfen. Die Expo war schon ein sehr glücklicher Start für meine junge Firma.

Heute sind Sie ein international bekannter Architekt und realisieren mit Ihrem Team Projekte auf der halben Welt. Gab es einen bestimmten Auftrag, der Ihnen zum Durchbruch verholfen hat?
Ich bin weit davon entfernt, international bekannt zu sein (lacht)! Unsere Projekte befinden sich mit ganz wenigen Ausnahmen in der Schweiz. Ich strebe auch nicht wirklich eine internationale Karriere an, denn ich schätze die geografische Nähe zu meinen Projekten und den persönlichen Kontakt zu meinen Kunden.

Ich denke, dass es in jeder Karriere Schlüsselprojekte gibt, die enorm wichtig für die eigene Entwicklung und den weiteren Erfolg sind. Bei mir waren es wohl der Umbau des Hotels «Grimsel Hospiz» und der Neubau der «Jura World of Coffee», einer Besuchererlebniswelt für die Firma Jura, die mir zu einem gewissen Ansehen verholfen und viele Türen geöffnet haben.

Ich bin weit davon entfernt, international bekannt zu sein!

Auf Ihrer Webseite wird man aktuell mit einem Bild von einem Safaricamp in der Serengeti begrüsst. Wie kamen Sie zu diesem Projekt?
Wir haben vor Jahren für Kuoni Reisebüros gebaut, so auch den Flagship-Store am Bellevue in Zürich. Kuoni war in ein Safaricamp-Projekt in Kenia involviert und hat uns gebeten, dort bei der Einrichtung zu helfen. Daraus entwickelte sich eine Freundschaft zu den Besitzern der kleinen und sehr exklusiven Gruppe «Bushtops Collection», die in Kenia und Tansania einige Safari-Camps betreibt. Vor zwei Jahren durften wir dann «Roving Bushtops» entwerfen und realisieren, ein neues Camp mitten in der Serengeti. Das war ein absolut einmaliges Projekt, auf das mein Team und ich sehr stolz sind.

Wo holen Sie sich die Inspiration für ein Vorhaben wie beispielsweise das «Roving Bushtops»?
Sehr oft auf Reisen. Ich bin ein Hotel-Freak und ständig auf der Suche nach dem nächsten spannenden Hotel, das ich besuchen könnte. Für «Roving Bushtops» bin ich zu einigen der schönsten Safari-Lodges in Südafrika gereist, um mich dort von der Atmosphäre inspirieren zu lassen. Und wie viele andere hole ich mir meine Inspiration natürlich auch aus den unerschöpflichen Quellen des Internets.

Welche Trends der heutigen Architektur sprechen Sie besonders an?
Mich faszinieren allgemein Holzbauten. Ich finde es ungeheuer spannend, was aus diesem einfachen und bescheidenen Material alles gebaut werden kann. Momentan sind sogar Hochhäuser aus Holz in Planung. Zudem entdecke ich gerade die Architektur der 70er und frühen 80er für mich neu.

Die Art und Weise, wie wir wohnen, wird nicht nur durch architektonische Trends beeinflusst, sondern auch durch technologische Entwicklungen im Zuge der Digitalisierung. Was halten Sie von smarten Haushaltsgeräten und Inneneinrichtungen?
Ich stehe der zunehmenden Digitalisierung beim Wohnen recht ambivalent gegenüber. Ich persönlich finde es nicht schlimm, zum Lichtschalter gehen zu müssen und das nicht vom iPad aus erledigen zu können. Wenn aber durch smarte Technologie ein Haus effizienter und energiesparender werden kann – zum Beispiel indem es merkt, welche Räume nicht genutzt werden und dort die Heizung automatisch etwas drosselt – dann finde ich das absolut sinnvoll. Ich brauche aber keinen Kühlschrank, der mir sagt, ob ich noch Milch habe.

Ich persönlich finde es nicht schlimm, zum Lichtschalter gehen zu müssen und das nicht vom iPad aus erledigen zu können.

Welche smarten Produkte sind bei Ihren Kunden besonders gefragt?
Das ist ganz unterschiedlich. Fast Standard sind inzwischen sogenannte KNX-Systeme, also einfach gesagt vernetzte, programmierbare Steckdosen und Lichtschalter. Das erleichtert auch die Planung, weil man noch nicht in der Planungsphase alles definieren muss. Es gibt aber auch Kunden, die quasi jedes mögliche technische Gadget haben möchten. Da kann es dann nach dem Einzug schon mal einige Wochen dauern, bis alle Systeme störungsfrei funktionieren.

Ein anderer Aspekt der Digitalisierung betrifft die Stromproduktion, welche dezentraler werden soll, indem zum Beispiel Gebäude mit Solarpanels auf dem Dach zu Mini- Stromproduzenten werden. Aus Ihrer Sicht eine realistische und sinnvolle Vision?
Langfristig wird uns nichts anderes übrig bleiben, als komplett auf erneuerbare Ressourcen zu setzen. Deutschland beispielsweise ist bezüglich Solarpanels schon sehr viel weiter, weil diese viel stärker vom Staat gefördert wurden. Dort speisen viele «Häusle»-Besitzer ihren überschüssigen Strom ins Netz ein und verdienen dabei sogar noch etwas. Elon Musk von Tesla wiederum hat solarfähige Dachziegel entwickelt, die auch aus ästhetischer Sicht überzeugen. Das ist also keine Vision mehr, sondern bereits eine sehr realistische und sinnvolle Realität.

A propos nachhaltig: «Urban Gardening» wird immer beliebter. Haben Sie beruflich schon mit diesem Trend zu tun gehabt?
Wir entwickeln momentan ein Konzept für ein neuartiges Studentenwohnheim, bei dem wir den zukünftigen Bewohnerinnen und Bewohnern auf dem Dach grosse Flächen für Urban Gardening zur Verfügung stellen. Ich bin sehr gespannt, wie dieses Angebot aufgenommen werden wird.

Wie halten Sie es privat mit dem Gärtnern? Haben Sie einen grünen Daumen, den Sie einsetzen können?
Wir haben einen über 3000 Quadratmeter grossen Garten. Obwohl eigentlich mein Partner den grünen Daumen hat, ist Gärtnern zu einem echten Hobby für mich geworden. Ich kann dabei wunderbar abschalten.

Vom Garten zurück ins Haus. Worauf könnten Sie in Ihrer Wohnung auf keinen Fall verzichten?
Heute leben wir in einem sehr grosszügigen Haus. Bis vor zwei Jahren haben mein Partner und ich allerdings in einer ziemlich überschaubaren Mietwohnung im Kreis 5 gelebt, und dennoch hat es uns an nichts gefehlt. Ich könnte also problemlos auf sehr viel verzichten. Auf was ich allerdings nicht verzichten möchte, ist das Bett. Wenn man sich nach den Ferien wieder auf sein Daheim freut, dann doch vor allem auf das eigene Bett.

Aussenräume werden mehr und mehr zum erweiterten Wohnzimmer mit Sofa-Lounges und ähnlichen Einrichtungen.

Schweizer sind ein Volk von Mietern, doch der Traum vom Eigenheim ist gemäss aktuellen Umfragen bei den Jungen noch immer präsent. Was macht die Faszination aus, ein eigenes Haus zu bauen?
Das Bedürfnis, ein Stück Welt für sich abzustecken und Raum in Anspruch zu nehmen, ist meiner Meinung nach ganz tief in uns verwurzelt. Ob es in unserer Zeit noch sinnvoll ist, Einfamilienhäuser zu bauen, ist natürlich eine ganz andere Frage. Wenn man sich die Statistiken anschaut, ist die Schweiz im europäischen Vergleich das weit abgeschlagene Schlusslicht, wenn es um den Anteil Wohneigentum geht. Dass der Anteil in der Schweiz seit den 70er-Jahren stetig zugenommen hat und heute im Durchschnitt bei 37 Prozent liegt, hat übrigens vor allem mit dem verstärkten Bau von Eigentumswohnungen zu tun. Es ist aber schon interessant, dass in allen wohlhabenden Ländern dieser Anteil eher gering ist.

Wenn man nun ein solches Eigenheim plant: Wie lässt sich die Gestaltung eines Innenraums mit dem entsprechenden Aussenraum stimmig verbinden? Braucht es so etwas wie ein gemeinsames «Sujet»?
Aussenräume werden mehr und mehr zum erweiterten Wohnzimmer mit Sofa-Lounges und ähnlichen Einrichtungen. Zudem werden Fensteröffnungen immer grösser, der Anteil Glas einer Hausfassade nimmt also zu, was den Bezug zwischen Innen und Aussen natürlich verstärkt. Da macht es doch nur Sinn, dass man die Gestaltung von Innen- und Aussenraum aufeinander abstimmt und eine gemeinsame Gestaltungsidee findet, indem man eine verwandte Formensprache und ähnliche Materialien und Farben verwendet.

Wagen wir zum Schluss den Blick in die Glaskugel: Wie werden wir in 20 oder 30 Jahren wohnen?
Ich glaube, dass «Virtual Reality» sehr viel stärker Einzug in unser Leben finden wird. Ich kann mir vorstellen, dass in unseren Wohnungen ganze Wände mit Screens gestaltet werden können und wir uns so jede erdenkliche – realistische und fantastische – Aussicht auswählen können. Unsere Städte werden immer dichter, und nicht jeder sieht von seiner Wohnung bis in die Alpen oder auf den See. Zudem wird sich der Trend der letzten Jahre, dass wir immer mehr Quadratmeter Wohnraum pro Kopf beanspruchen, wohl umkehren. «Mini Housing» ist international gerade ein sehr grosses Thema. Wir werden lernen müssen, mit weniger Raum auszukommen

Text Remo Bürgi

Klipp und klar – bekennen Sie Farbe

St. Gallen oder Zürich?
Zürich, denn die Stadt ist seit fast 30 Jahren meine Heimat – auch wenn ich seit zwei Jahren etwas ausserhalb wohne.

Baumhütte oder Penthouse?
Ich habe tolle Erinnerungen an die Baumhütten, die wir als Kids in der Pfadi gebaut haben. Sie sind die ersten Räume, die man als Kind für sich selber in Anspruch nimmt und gestaltet. Das Baumhaus ist auch zum Logo meiner Firma geworden.

Cheminée oder Lagerfeuer?
Die Pfadizeiten sind lange vorbei. Wir haben in unserem Haus ein Innen- und auch ein Aussen-Cheminée. Zu einem gemütlichen Abend gehört bei uns deshalb ein Cheminée-Feuer. Egal ob im Sommer oder Winter.

Parkett oder Perserteppich?
Beides. Ich liebe schöne Holzböden, sie verleihen jedem Raum Wärme und Charakter. Aber eigentlich meistens in Kombination mit Teppichen, um Akzente zu setzen. Ob ausgerechnet Perser, sei mal dahingestellt.

«Aeschbacher» oder «Happy Day»?
Für beide Sendungen habe ich die Studio-Kulissen gebaut. Aber Happy Day bin ich natürlich viel mehr verbunden, weil mir die Sendung seit elf Jahren eine tolle Plattform für meine Arbeit bietet.

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