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Alles auf Grün

30.06.2022
von Rüdiger Schmidt-Sodingen

Das Investment-Geschäft ändert sich. Denn immer mehr Anlegerinnen und Anleger wollen mit ihrem Geld etwas völlig Neues erreichen: mehr Gerechtigkeit und eine bessere Welt. Ist die Anlage «nur fürs eigene Vermögen» ein Auslaufmodell?

Haben wir den Krisen der letzten Monate und Jahre bald ein endgültiges Umschwenken auf dem Aktienmarkt zu verdanken? Es scheint fast so. Der amerikanische Autor und Redenschreiber Ben Rhodes erklärt in seinem Buch «After the Fall» knallhart, dass das egoistische Wirtschaften des Westens eben nicht eine weltweite Friedens- und Demokratisierungsbewegung auslöste, sondern im Gegenteil mehr Autokratie, zunehmende Abschottung und auch Putins Krieg in der Ukraine.

Angesichts der weltweiten Klimaprobleme und Krisen, zu denen explizit auch das zunehmende Auseinanderdriften von Superreichen und Normalos zähle, fordert Rhodes eine neue Verantwortlichkeit und ein neues Investieren in zivile Projekte. Rhodes, der für Barack Obama die Reden schrieb, sieht jeden Einzelnen in der Pflicht, sich für die Werte der Aufklärung zu engagieren und die Gesellschaft kooperativ zu denken. Er rennt damit, glaubt man den Selbstbekundungen einer neuen Generation von Aktionären, offene Türen ein.

Eine neue Generation von Anlegern verteidigt die Werte der Aufklärung

Schon seit längerem beobachten Aktienanalysten, dass sich jüngere Anlegerinnen und Anleger zunehmend für Aktien interessieren, die eben nicht von den grossen Industriekonzernen stammen, sondern gezielt Projekte und Geschäfte kleinerer, nachhaltiger Unternehmen oder sogar Selbstverwaltungen fördern.

«Impact Investing» löst das egozentrische Aktiengeschäft der letzten Jahrzehnte ab, wo man weiter wortlos Anteile bei denen zeichnete, die ihre Allmachtstellung frech ausnutzten, um nur immer reicher und grösser zu werden.Der Wind hat sich gedreht. So kommuniziert der klimaVest-Fonds überzeugt: «Jede Investition kann eine Hebelwirkung entfalten.

So kann eine Geldanlage zum Beispiel ökologische und soziale Innovationen fördern und verbreiten – oder eben nicht. Impact Investments wollen einen Unterschied machen, indem sie zukunftsfähige Lösungen finanzieren und ihren Beitrag nachvollziehbar machen.»

Und bei der vom Fürstentum Liechtenstein geführten LGT-Bank heisst es gleich vollmundig: «Als Anleger müssen Sie sich nicht mehr zwischen finanzieller, sozialer und ökologischer Rendite entscheiden.»

Die Credit Suisse bietet das «Investieren mit Nachwirkung» mittlerweile aktiv an – und finanziert damit Branchen der «Mikrofinanz, Landwirtschaft, Energiewirtschaft, Bildung und Naturschutz». Als «aktive Meinungsführer» erstellt die Bank Analysen und koordiniert Bildungsplattformen, «um einen Dialog zwischen Kunden, Experten und Meinungsführern zu fördern».

Wie misst man grüne Renditen?

Moderne und ständig erweiterte Apps sollen dabei helfen, zusätzliche Investments oder Portfolios mit verschiedenen grünen Aktien leichter zu überblicken und zu managen. Spannend wird es, wenn es um die Rendite geht. Denn natürlich müssen «Gewinne» von Impact Investments anders angezeigt werden als bei Investitionen, die «nur» neues Geld hervorbringen.

Für die Handelszeitung untersuchte Guido Bolliger, CIO bei Asteria Investment Managers, im letzten Jahr die Funktionsweise von Impact-Parametern, die anzeigen «inwieweit die Produkte, Dienstleistungen und Technologien eines Unternehmens dazu beitragen, den Übergang zu einer nachhaltigeren Wirtschaft zu beschleunigen».

Sein Fazit: Impact und Performance seien sehr wohl miteinander vereinbar. Ja, es sei möglich «Unternehmen mit Aktivitäten, Produkten und Dienstleistungen auszuwählen, die eine klimafreundliche Entwicklung unterstützen, ohne die finanzielle Rendite zu beeinträchtigen».

Diese Erkenntnis, so Bolliger weiter, könne man nutzen, «um Kapital gezielt in klimafreundliche Unternehmen zu investieren und gleichzeitig eine langfristig mit der Entwicklung der globalen Aktienmärkte vergleichbare Performance zu erzielen».

Star-Investor Warren Buffet ist dank seinem Enkel Howard, Autor des Buches «Social Value Investing», schon seit einigen Jahren auf dem Impact-Investment-Trip. Der junge Buffet hat eine High-Level-Formel namens «Impact Rate of Return» definiert, die Anlegerinnen und Anlegern bei der Wirkungsmessung ihres Investments helfen soll. «Es geht nicht nur um Zahlen, sondern um die wahre Wirkung, die ein Unternehmen erzielt», so Howard Buffet.

Vor allem gehe es darum, dass Unternehmen nicht länger auf Quartalszahlen hinarbeiten, sondern neue Horizonte von drei oder fünf Jahren für ihre Ziele haben.

Die neue Psychologie des Anlegens

In einer immer virtuelleren Welt soll ausgerechnet das Geld, das jahrelang heimlich hier und dort Unternehmen gross machte und über dessen Quellen oder Beträge man nicht gerne sprach, die Welt physisch und offensichtlich verändern. Portfoliomanagerinnen und -manager glauben nach wie vor, dass Aktien etwas Exklusives bleiben. Wer Geld habe und investiere, wolle sich unterbewusst oder bewusst abheben.

Es gebe jedoch einen erheblichen Unterschied zu früher: Investoren wollten sich heute nicht mehr in eine Reihe mit den grauen Finanzinstitutionen stellen, die zwar vornehm tun aber hintenrum viele Schweinereien produzieren. Sie wollen aktiv nach vorne preschen, um zu zeigen, was man mit Geld alles machen kann. Machen aber im Sinne von Bewirken, als Glücksformel auch für andere.

Vielleicht sitzt in einer Fussgängerzone bald ein Bettler mit einem Schild, auf dem steht: «Investieren Sie in mich. Ich will einen sinnvollen Job ergreifen, der unsere Welt und Gesellschaft schützt. Danach möchte ich die Hälfte von dem, was ich verdiene, dem nächsten geben, der so denkt.» Deal?

Text Rüdiger Schmidt-Sodingen 

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