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Business Investment Recht

Neues Aktienrecht ab 2023 – schon heute kann man wichtige Weichen stellen

20.04.2022
von SMA

Per 1. Januar des kommenden Jahres stehen börsenkotierten sowie privaten Unternehmen Veränderungen ins Haus: Dann nämlich tritt die «grosse» Aktienrechtsrevision in Kraft. «Fokus» sprach mit einem Experten über die Auswirkungen des neuen Schweizer Aktienrechts und erfuhr, welche Massnahmen Firmen schon heute ergreifen können und sollten. 

Daniel Häusermann,
Anwalt und Partner Kanzlei Homburger,
Titularprofessor Universität St. Gallen

Daniel Häusermann, per 1. Januar 2023 tritt in der Schweiz die Aktienrechtsrevision in Kraft. Was bedeutet das genau?

Im Kern geht es bei dieser Revision darum, das Aktienrecht zu modernisieren und den Aktiengesellschaften und GmbHs mehr Flexibilität einzuräumen. Das Schweizer Aktienrecht wird dadurch zeitgemässer, ohne dass dabei seine Kernprinzipien verloren gehen.

Konkret betroffen sind unter anderem Bereiche wie das Aktienkapital, die Corporate Governance, Aktionärsrechte, Vergütungen, das Sanierungsrecht sowie die Vertretung der Geschlechter. Diese Revision wird die Schweiz als Unternehmensstandort noch attraktiver machen. 

Welche konkreten Veränderungen hat dies für Unternehmen zur Folge?

Wie gesagt, steht die Flexibilisierung im Fokus. Ein Beispiel dafür: Ab Januar 2023 darf der Nennwert von Aktien auch kleiner sein als das heutige Minimum von einem Rappen – solange der Nennwert grösser bleibt als Null. Zudem profitieren Gesellschaften, die Kapital benötigen, von verlängerten Fristen.

Der Verwaltungsrat hat neu sechs statt wie bisher nur drei Monate Zeit, um eine von den Aktionären beschlossene ordentliche Kapitalerhöhung durchzuführen. Mehr Flexibilität bietet auch das neue Kapitalband, mit dem der Verwaltungsrat das Kapital im Zeitraum von maximal fünf Jahren um bis zu 50 Prozent erhöhen oder verringern kann.

Bereits zeichnet sich eine klare Aufwärtskurve ab, sprich es werden gezielt mehr Frauen in leitenden Positionen eingesetzt.

Beides ist bedeutend, da so die Kapitalaufnahme am Markt sowohl einfacher als auch flexibler wird. Dadurch könnte wiederum ein IPO, also ein Börsengang, attraktiver werden.

Welche weiteren Anpassungen sind erwähnenswert?

Die Geschlechterrichtwerte für den Verwaltungsrat und die Geschäftsleitung grösserer Publikumsgesellschaften sind bereits in Kraft, da laufen nun die Übergangsfristen. Bereits zeichnet sich eine klare Aufwärtskurve ab, sprich es werden gezielt mehr Frauen in leitenden Positionen eingesetzt.

Ebenfalls erwähnenswert ist die Tatsache, dass die Dekotierung von Aktien neu der Zustimmung der GV bedarf, und zwar mit einer Zweidrittelmehrheit. Und insbesondere für Konzerngesellschaften ist wichtig zu wissen, dass es neu möglich sein wird, Zwischendividenden aus laufenden Gewinnen auszuschütten. Die Revisionsbranche hatte dies bisher nicht toleriert. Mit dem neuen Aktienrecht erlaubt dies der Gesetzgeber nun aber ausdrücklich, wenn vorher ein Zwischenabschluss erstellt wird. Dies macht Ausschüttungen flexibler. 

Welche Massnahmen raten Sie Firmen, jetzt schon zu ergreifen?

Ein Punkt, den vor allem Unternehmen mit starkem Auslandsbezug anschauen sollten, ist ein möglicher Währungswechsel ihres Grundkapitals. Aktiengesellschaften und GmbHs können ihr Grundkapital künftig auch in Euro, US-Dollar, britischen Pfund oder japanischen Yen angeben, wenn dies ihrer funktionalen Währung entspricht.

Dies hat den Vorteil, dass sich gewisse Währungsumrechnungs-Differenzen eliminieren lassen. Daneben steht Aktiengesellschaften wie erwähnt ab dem 1. Januar 2023 die Möglichkeit offen, ein Kapitalband einzuführen.

Beide Massnahmen, sowohl ein allfälliger Währungswechsel als auch die Einführung eines Kapitalbands, können von der Generalversammlung grundsätzlich schon im Jahr 2022 beschlossen werden, wenn sie bereits per 1. Januar 2023 wirksam werden sollen. 

Was uns zum Thema Generalversammlung führt.

Richtig, und auch in diesem Feld werden Veränderungen stattfinden. Neu sind Unternehmen nämlich in der Lage, eine virtuelle oder hybride GV durchzuführen. Sollte ein Bedürfnis nach einem solchen Modell vorhanden sein, muss man dessen Durchführung schon im Rahmen der diesjährigen GV aufgleisen und die virtuelle Durchführung auch in den Statuten verankern.

Ist hingegen die Einführung eines neuen GV-Modells nicht dringlich, können die entsprechenden Anpassungen an der Generalversammlung 2023 verabschiedet werden, sodass sie für die GV 2024 Gültigkeit erlangen. Ganz allgemein lohnt es sich für börsenkotierte wie auch private Gesellschaften, ihre bestehenden Statuten und Reglemente zu überprüfen – denn die bestehenden schöpfen die Flexibilität des neuen Rechts oft nicht aus oder enthalten Bestimmungen, die dem neuen Recht nicht entsprechen. Letztere bleiben längstens bis zum 1. Januar 2025 in Kraft, müssen bis dahin aber geändert werden. 

Gibt es nebst der Revision des Aktienrechts juristische Veränderungen, welche für Unternehmen in diesem Zusammenhang relevant sein könnten?

Absolut, insbesondere das Inkrafttreten der DLT-Gesetzgebung (Distributed Ledger Technology) ist auch international ein Meilenstein. Dadurch wurde in der Schweiz die rechtliche Grundlage für die Tokenisierung von Aktien und anderen Wertschriften geschaffen.

Das hat in einer zunehmend digitalisierten Welt weitreichende Folgen. Aus diesem Grund hat der unabhängige Verband «Capital Markets and Technology Association» (CMTA) einen Standard veröffentlicht, nach dem sich Aktien tokenisieren lassen. 

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