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Investment Finanzen

Inflation, das Schreckgespenst

30.06.2022
von SMA

Das Thema Inflation dominiert die Finanzmärkte. Welchen Einfluss hat die Inflation auf Vermögensanlagen? Und welche Entwicklungen sind im aktuellen Umfeld hinsichtlich Inflation und Wirtschaftswachstum zu erwarten?

Frank Rosenschon
Leiter Institutionelle Kunden, BlackRock Schweiz

Kaum ein Tag vergeht, ohne dass im Wirtschaftsteil der Medien über Inflation gesprochen wird. Dabei ist es noch gar nicht lange her, dass in den Industrieländern des Westens eine zumindest gemässigte Inflation herbeigesehnt wurde. Für Konsumenten ist es ein Problem, falls die Kaufkraft sinkt, vor allem dann, wenn der Lohn nicht auch parallel zur Teuerung steigt.

Für Schuldner hingegen kann die Inflation durchaus vorteilhaft sein. «Die Inflation frisst die Schulden weg», besagt ein Sprichwort. Wenn das Geld an Wert verliert, werden die Schulden kleiner. Dies gilt insbesondere für die Staatsschulden. Ist die Inflationsrate höher als der Zins, zu dem der Schuldner sich Geld geliehen hat, reduzieren sich diese Schulden inflationsbedingt.

Das eigentliche Problem der Inflation ist die Unsicherheit. Man muss entscheiden, wie und wann man Geld ausgibt, welches zur Verfügung steht oder wie das Geld angelegt werden soll. Besonders gefordert sind dabei Pensionskassen. Sie müssen entscheiden, wie sie Millionen von Geldern langfristig anlegen, um genügend Kapital anzusparen, um zukünftige Renten auszuzahlen.

Wie ist die Situation aktuell?

Aktuell sehen wir steigende Inflationsraten. Im Mai haben die Inflationsraten in der Eurozone mit 8,1 Prozent Höchststände erreicht, nachdem sie in den USA bereits seit mehreren Monaten sprunghaft gestiegen sind und aktuell bei 8,3 Prozent liegen. Der Ukraine-Krieg hat dazu geführt, dass Nahrungsmittel- und Energiepreise deutlich teurer sind als noch Anfang Jahr.

Der Lockdown in China hat zudem die Lieferketten beeinträchtigt, was zu einer Verknappung der Güter führte und somit die Inflation angebotsgetrieben erhöht hat. Die amerikanische Notenbank FED hat bereits mit mehreren Leitzinserhöhungen reagiert, um die Inflation zu dämpfen. Die schweizerische Nationalbank (SNB) hat Mitte Juni überraschend früh und überraschend stark die Leitzinsen um 0,5 Prozent erhöht.

Im September könnten weitere Schritte folgen. Damit würde sich die Schweiz von der Phase der Negativzinsen verabschieden. Und auch die Europäische Zentralbank EZB hat bereits angetönt, den Leitzins im Juli um 0,25 Prozent schrittweise anzuheben. Ein wichtiger Grund für die verschiedenen Zinserhöhungen sind, die über den Zielbereichen der Zentralbanken liegenden Inflationszahlen.

Notenbanken haben die Aufgabe, die Preisstabilität zu gewährleisten. Denn auch die Schweizer Inflation ist in den letzten Monaten gestiegen und liegt inzwischen bei 2,9 Prozent. Im Ländervergleich ist der Schweizer Inflationsanstieg allerdings geradezu bescheiden. Ein wichtiger Grund dafür ist der Energiemix. Im Gegensatz zu vielen europäischen Ländern basiert ein Grossteil des Schweizer Energiekonsums auf Wasserkraft und Nuklearenergie – also auf Energieträgern, die in den letzten Monaten wenig von Lieferengpässen betroffen waren.

Im Ländervergleich ist der Schweizer Inflationsanstieg geradezu bescheiden.

Zudem haben die staatlich beeinflussten Preise im Schweizer Landesindex der Konsumentenpreise ein hohes Gewicht. Knapp ein Viertel dieser Preise sind administriert. Nebst Elektrizität, Gas, ÖV, Fernsehgebühren und Versicherungen betrifft dies vor allem Gesundheitsleistungen. Der Energiemix und der hohe Anteil an administrierten Preisen haben den Schweizer Inflationsanstieg also gedämpft. Ebenso hat der erstarkte Schweizer Franken die gestiegenen Importpreise von Gütern abfedern können.

Parallel zu den Zinserhöhungen der Notenbanken rechnet BlackRock mit einer Konjunkturverlangsamung. Denn die verschärften Finanzierungsbedingungen, die unterbrochenen Lieferketten und der Krieg in Europa werden nicht ohne Auswirkungen sein.

Das ist die Kehrseite der Interventionen der Notenbanken. In den USA hat sich das Konsumentenvertrauen bereits abgeschwächt und liegt tiefer als vor Beginn der Pandemie. Das hat auch einen Einfluss auf die Inflationsraten. Wir rechnen allerdings damit, dass die Höchstwerte der Inflation schon bald erreicht werden könnten.

Wie sollen sich Anleger in einer solchen Situation verhalten?

Die Zinserhöhungen der Notenbanken haben einen Einfluss auf die verschiedenen Anlageklassen wie Obligationen, Aktien, Immobilien und andere alternativen Anlagen. Die Renditen der langjährigen Staatsanleihen sind bereits gestiegen (Schweizer zehnjährige Bundesobligationen von minus 0,4 Prozent im August 2021 auf heute 1,4 Prozent versus zehnjährige US-Staatsanleihen im selben Zeitraum von 1,2 Prozent auf über 3 Prozent).

Wer Obligationen in seinem Anlagevermögen hält, hat deshalb seit Anfang Jahr Kursverluste erlitten. Aber auch Aktienkurse sind gesunken. Dies auch, weil Investoren bei Unternehmen wegen höheren Kosten von geringeren Margen ausgehen und dementsprechend mit tieferen Gewinnen rechnen. Die höheren Kosten, können viele Unternehmen kurzfristig nicht über höhere Preise kompensieren.

Pensionskassen haben auf ihren gemischten Anlagevermögen seit Anfang Jahr praktisch auf den meisten Vermögensanlagen bewertungsmässig Kursverluste von durchschnittlich 6 Prozent und mehr erlitten. Die aktuelle Situation ist auch dahingehend aussergewöhnlich, dass der zu erwartende Diversifikationseffekt von Anlagen über die letzten sechs Monate ausgeblieben ist.

Dennoch empfiehlt es sich nicht, in der gegenwärtigen Situation überzureagieren und panikartig Anlagen mit Verlust zu verkaufen. Mittelfristig sind höhere Inflationsraten und ein Zinsniveau zwischen 3 und 4 Prozent (US-Zinsniveau) nicht negativ. In solchen Phasen zwischen 1960 bis 2021 mit jährlichen durchschnittlichen Inflationsraten von 3,8 Prozent hat der US-Aktienindex in der Vergangenheit durchschnittlich über 6 Prozent zugelegt.

Vor allem solide Unternehmen, die eine gute Wettbewerbsstellung und eine durchfinanzierte Bilanz haben, können mittelfristig höhere Preise durchsetzen. Aber auch Obligationen werden für Neuanlagen wieder attraktiv, da sie höhere Verzinsung versprechen. Und nicht zuletzt profitiert auch das Sparbüchlein von einer wieder höheren Verzinsung.

Text Frank Rosenschon
Leiter Institutionelle Kunden, BlackRock Schweiz

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