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Finanzen

Wie sich das «klassische» Finanzwesen immer mehr in Richtung «sustainable Finance» entwickelt

16.12.2021
von SMA

Der Begriff «Nachhaltigkeit» bezeichnet längst nicht mehr nur umweltbewusstes sowie sozialverträgliches Handeln, sondern ist mittlerweile auch zu einem Gütesiegel für Produkte sowie Dienstleistungen geworden – und damit zu einem Wettbewerbsvorteil. Die Finanzbranche ist derzeit drauf und dran, den Wandel in eine nachhaltigere und bewusste Zukunft zu vollziehen. Bald dürften neue Spielregeln hinzukommen.

Bisher tauchten Begriffe wie «Langfristigkeit» und «Nachhaltigkeit» vorwiegend in der Umweltdebatte auf. Dementsprechend ging es dabei meist um die Rolle der Industrie, des Verkehrssektors oder der Immobilienbranche und ihren Anteil an Klimawandel und Ressourcenverbrauch. Doch seit Kurzem ist die Nachhaltigkeitsthematik auch aus dem Finanzwesen nicht mehr wegzudenken. Das überrascht eigentlich nicht, schliesslich können die weltweiten Geldströme massgeblich dazu beitragen, Industrien, Unternehmen oder gar ganze Regionen zu fördern, die sich durch ihr Handeln positiv – oder eben negativ – auf Umwelt und Gesellschaft auswirken. 

Der Drang der Finanzanbieter zu nachhaltigeren Produkten wird unter anderem von einer starken Zunahme der Nachfrage befeuert: Marktbeobachter:innen betonen, dass eine neue Generation von Anlegerinnen und Anlegern in den Markt eingetreten ist. Und diese wollen ihr Investment nicht allein in Form hoher Renditen zurückerhalten, sondern darüber hinaus mit ihrem Geld einen positiven Impact erzielen. Oder zumindest negative Auswirkungen vermeiden. Wer nun, überspitzt gesagt, nur Wertpapiere von Ölbohrunternehmen im Portfolio hat, wird dementsprechend Schwierigkeiten haben, diese neue Anlegerschaft für sich zu gewinnen.

Drei Buchstaben für eine bewusste Anlage

Im Zuge der Nachhaltigkeitstransformation hat sich in der Finanzbranche das Kürzel «ESG» etabliert. Grundsätzlich steht dieses für die Berücksichtigung von Umweltaspekten (Environmental) und sozialen Faktoren (Social) sowie die verantwortungsvolle Führung von Unternehmen und Organisationen (Governance). Mittlerweile führen die meisten Institutionen Finanzprodukte, die den ESG-Kriterien genügen. Dabei kann es sich beispielsweise um Investmentportfolios handeln, die nur in Branchen investieren, die einen geringen CO2-Ausstoss verzeichnen. 

Ein weiterer Begriff, der in diesem Kontext an Relevanz gewonnen hat, ist «Impact Investing». Diese Investment-Form zielt, ganz dem Namen entsprechend, darauf ab, das Geld der Anlegerinnen und Anlegern so zu verwenden, dass eine positive Entwicklung in den Bereichen Umwelt und / oder Soziales resultiert. 

Die EU macht es vor

So positiv die aktuellen Entwicklungen auch zu werten sind: Manche Fachleute warnen, dass die ESG-Kriterien auch dazu führen könnten, dass das Potenzial der Finanzbranche für eine nachhaltigere Entwicklung nicht ausreichend ausgeschöpft wird. Gerade für Endkundinnen und Endkunden sei die Orientierung nicht immer einfach und darum könne man nur schwer nachzuvollziehen, welche tatsächliche Wirkung ein Investment erzielt.  

Die EU hat sich zum Ziel gesetzt, den Finanzsektor nachhaltiger zu machen und parallel dazu Vergleichbarkeit und Transparenz in diesem Segment zu fördern. Daher tritt in der EU per 1. Januar 2022 tritt die sogenannte «EU-Taxonomie» in Kraft. Diese ist Teil des EU-Aktionsplans «Sustainable Finance» und verfolgt das Ziel, Kapitalflüsse in ökologisch nachhaltige Aktivitäten zu lenken. Gemäss der EU-Finanzkommission gehe es darum, das Finanzsystem zu ermutigen, Unternehmen auf ihrem Weg zu nachhaltigem Wirtschaften zu unterstützen und auch bereits bestehende, nachhaltige Unternehmen zu fördern. Zudem werde der Kampf gegen Grünfärberei (Greenwashing) gestärkt, sprich die ungerechtfertigte Deklaration von Finanzprodukten als «grün» unterbunden.

Und in der Schweiz?

Auch hierzulande wird die Einhaltung von ESG-Kriterien immer wichtiger. Zwar gibt es in der Schweiz noch keine so klare Richtlinie wie bei den europäischen Nachbarn, Branchenkenner:innen gehen aber davon aus, dass sich die Schweizer Gesetzgebung an der EU-Taxonomie orientieren dürfte. Einen konkreten Schritt in diese Richtung hat SP-Nationalrätin Céline Widmer diesen Sommer unternommen: In einem am 17. Juni dieses Jahres eingereichten Postulat fordert sie den Bundesrat dazu auf, zu prüfen, wie sich die Verordnung der EU-Taxonomie ins Schweizer Recht überführen lasse. Nach Widmers Ansicht solle sich der Schweizer Finanzplatz zu einem führenden Standort für nachhaltige Finanzdienstleistungen entwickeln und damit einen effektiven Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit leisten. Sie weist in ihrem Postulatstext darauf hin, dass der Bundesrat dieses Ziel in seinem Bericht «Nachhaltigkeit im Finanzsektor Schweiz» selber festgehalten habe. Die Übernahme der EU-Taxonomie dürfte auch den Schweizer Unternehmen den Zugang zu Kapital erleichtern. Zudem könnten sie laut Widmer eher von öffentlichen Aufträgen in der EU profitieren, die an Nachhaltigkeitsziele gebunden sind. Der Bundesrat, der dem Nationalrat die Ablehnung des Postulats empfiehlt, sieht hingegen derzeit keinen Regulierungsbedarf für eine staatliche Taxonomie gegeben. Die weiteren Entwicklungen in der Branche und international, namentlich in der EU, würden jedoch eng verfolgt und in die weiteren Vertiefungsarbeiten einbezogen.

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