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Editorial Finanzen

Orientierung in unsicheren Zeiten

28.02.2023
von SMA

Der Krieg in der Ukraine, die drohende Energie-Mangellage und die Disruption des globalen Handels  stehen sinnbildlich für das Ende einer euphorischen Zeit. Der durch zahlreiche Krisen ausgelösten  Verunsicherung machte es notwendig, dass sich der Finanzplatz umso mehr auf die Rückbesinnung auf unsere Kernkompetenz besinnt: den nüchternen, orientierungsstiftenden Blick auf Fakten.

Seit der Finanzkrise zeigten die Kurse über beinahe alle Assetklassen steil nach oben und erreichten immer neue Rekordstände. «Die Inflation? Sie kommt nicht mehr.» Doch sie kam, und wie. Weltweit wurden bis zu zweistelligen Inflationsraten verzeichnet. Dies hat die Notenbanken dazu gezwungen, resolut und mit grossen Zinsschritten Gegensteuer zu geben. Die dadurch ausgelösten Börsenturbulenzen haben auch in der Schweiz Spuren hinterlassen. Per Ende September ist das Total der in der Schweiz verwalteten Vermögen gegenüber Ende 2021 um 15 Prozent eingebrochen. Die Börse hat sich zwar wieder etwas erholt, die Volatilität bleibt aber vorerst.

Auch an den Rändern des Finanzsystems hat die Euphorie bemerkenswerte Blüten getrieben. Die Verheissungen einiger Crypto-Visionär:innen von einer prosperierenden neuen Finanzwelt frei von Intermediären hat ein jähes Ende gefunden, wie sich am kometenhaften Aufstieg und krachenden Zusammenbruch von FTX exemplarisch nachzeichnen lässt.

Und auch die globale Coronapandemie hat Schwachstellen der globalisierten Wertschöpfungsketten offengelegt. Globale Wertschöpfungsketten, die aufgrund des Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine weiter unter Druck stehen. Natürlich sind Krisen nichts Neues: Es gab und gibt unzählige kriegerische Konflikte, Mangellagen, Katastrophen – menschengemacht oder nicht – und gesundheitliche Notstände auf der Welt. Aber die zunehmende Interkonnektivität der Welt, die immer dichter werdende globale Vernetzung von Wirtschaft und Gesellschaft führen dazu, dass diese Krisen, die früher über unsere Köpfe hinwegzogen, ohne uns weiter zu beschäftigen, nun einen sehr direkten Einfluss auf unseren Alltag haben.

Sind Krisen spürbar, braucht es ein Gegengewicht: Stabilität, Faktizität und Orientierung. Jörg Gasser

Sind Krisen spürbar, braucht es ein Gegengewicht: Stabilität, Faktizität und Orientierung. Diese Aspekte stellen die DNA der Banken dar. Gut lässt sich dies entlang zukunftsgerichteter Themen wie Sustainable Finance illustrieren. Die Menschen in der Schweiz versuchen, zukünftigen Krisen vorzubeugen und für ihre Nachkommen vorzusorgen. Das zeigt das CS-Sorgenbarometer eindrücklich auf: Trotz aller geopolitischen Brandherde steht die Klimakrise zuoberst auf der Sorgenliste der Schweizer Bevölkerung.

Diese Entwicklung lässt sich gleichermassen im Anlagegeschäft beobachten. Die Nachfrage nach zukunftsfähigen und nachhaltigen Anlagemöglichkeiten steigt konstant. So ist das Gesamtvolumen nachhaltiger Investitionen in der Schweiz im Jahr 2021 um weitere 30 Prozent auf CHF 1983 Milliarden gewachsen. Der Schweizer Finanzplatz versucht diese Entwicklung durch Selbstregulierungen und Transparenzinstrumente zu befördern, um den Kundinnen und Kunden die Möglichkeit zu geben, mit ihrem Vermögen in eine zukunftsfähige Wirtschaft zu investieren. Auch wenn der Weg noch lang ist, so werden die Banken ihr Versprechen nach Orientierung einlösen.

Ein weiterer Lichtblick ist im Bereich der digitalen Währungen zu verorten. Ich bin überzeugt, dass ein digitaler Schweizer Franken grosses Potenzial für die Weiterentwicklung des Geldsystems birgt. Dass diese Innovation in der Schweiz vorangetrieben wird, liegt massgeblich daran, dass die klugen Köpfe in unseren Mitgliedsinstituten gemeinsam mit relevanten Stakeholder:innen trotz oder gerade wegen der Krisen die Innovationen von heute bereits weiterdenken. Dadurch antizipieren sie die Herausforderungen von morgen – und ordnen diese in ein Gesamtbild ein.

Wer sich in einem Umfeld, das sich ab und zu rasch und radikal wandelt, zurechtfinden will, braucht Orientierung. Als die Unsicherheiten in der Vergangenheit überwogen, waren die Banken der Sicherheitsgarant, mit welchem ihre Kundinnen und Kunden durch stürmisches Terrain manövrieren konnten. Dies muss auch die Ambition heute sein: vorausschauend, nachhaltig, zukunftsgerichtet und innovativ agieren und damit Orientierung bieten in einer unsicheren Zeit.

Text Jörg Gasser, CEO der Schweizerischen Bankiervereinigung

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