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Editorial Industrie Innovation

Weit weg vom Mittelalter

21.04.2021
von SMA

Jean-Philippe Kohl
Jean-Philippe Kohl, Vizedirektor
und Leiter Wirtschaftspolitik Swissmem

Für viele Menschen ist die Maschinen-, Elektro- und Metall-Industrie (kurz: MEM-Industrie) schwierig fassbar. Anders als zum Detailhandel oder zur Gastronomie fehlt oft der unmittelbare und tägliche Bezug. Zudem ist die Industrie heute in so hoch spezialisierte einzelne Wertschöpfungsschritte unterteilt, dass rasch einmal der Überblick verloren geht, wofür ein bestimmtes industrielles Produkt eigentlich nützlich sein soll.

Worin liegt also der besondere Wert der MEM-Industrie für unser Leben und die Gesellschaft? Die Antwort mag verblüffen: Sie schuf zusammen mit anderen industriellen Branchen den entscheidenden Unterschied zwischen dem ärmlichen, beschwerdereichen Dasein im Mittelalter und unserem modernen Leben. Im Mittelalter gab es bereits Lebensmittelmärkte und Gaststätten. Eine Industrie existierte jedoch nicht. Sie hat massgeblich dazu beigetragen, das Leben der Menschen einfacher, erträglicher, angenehmer und attraktiver zu machen. Industrielle Produkte sind nichts Anderes als Lösungen für die vielfältigen Bedürfnisse der Menschen.

Anhand der Entwicklung der Mobilität kann dies beispielhaft beschrieben werden: Mobilität ist ein urmenschliches Bedürfnis. In der vorindustriellen Zeit bewegten sich die Menschen an Land entweder zu Fuss oder mit Pferden und damit meist in einem geographisch ziemlich begrenzten Raum. Die Industrie hat die Serienproduktion des Automobils hervorgebracht und damit die Mobilität revolutioniert. Heute können lange Strecken schnell und bequem bewältigt werden. Und insbesondere wurde Mobilität für die Massen erschwinglich. Sie blieb nicht mehr einer reichen Oberschicht vorbehalten.

Das Automobil wurde dank der MEM-Industrie über die Zeit technologisch immer raffinierter und relativ zum Einkommen immer günstiger. «Automation & Robotik» sowie «Sensorik & Messtechnik», Betätigungsfelder der Industrie, welche in dieser Beilage thematisiert werden, haben entscheidend dazu beigetragen. So erhöhen Automation und Roboter die Produktivität in der Herstellung von Automobilen und senken damit die Kosten pro Einheit. Das schlägt sich in einem tieferen Verkaufspreis nieder. Mit Sensor-Technologie verfügen heutige Automobile über hilfreiche «Features», die den Fahrzeugen des letzten Jahrhunderts noch fehlten. Beispielsweise der mit Bild und Ton unterstützte Parkassistent.

Trotz des Klima- wandels dürfte das Bedürfnis nach Mobilität auch in Zukunft nicht abnehmen.

Jean-Philippe Kohl, Vizedirektor und Leiter Wirtschaftspolitik Swissmem

Trotz des Klimawandels dürfte das Bedürfnis nach Mobilität auch in Zukunft nicht abnehmen. Namentlich soll künftig dank autonomem Fahren auch die ältere Generation länger mobil bleiben können. Viele Firmen der Schweizer MEM-Industrie arbeiten an hoch-
spannenden technologischen Lösungen, welche die Mobilität der Zukunft noch sicherer, effizienter und vor allem klimaverträglicher gestalten werden.

Damit dies die MEM-Industrie am Schweizer Werkplatz zum Wohle der Menschen weiterhin erfolgreich tun kann, ist sie auf gute Rahmenbedingungen angewiesen. Dazu gehören:

  • Ein unternehmerfreundliches Umfeld, das von Politik und Gesellschaft gleichermassen unterstützt wird.
  • Die Möglichkeit, Produkte ohne Hürden auf ausländischen Märkten anzubieten. Der Schweizer Heimmarkt ist für eine effiziente industrielle Produktion meist zu klein.
  • Eine unvoreingenommene Förderung von Forschung und Innovation sowie ein gutes Zusammenspiel der Hochschulen und Industrie.
  • Eine zukunftsgerichtete Zusammenarbeit der Arbeitnehmenden und Arbeitgebenden, die sich an den Erfordernissen des modernen Arbeitsmarktes orientiert.

Die MEM-Industrie, und das illustrieren die nachfolgenden Beiträge, ist eine der faszinierendsten Branchen überhaupt. Neue Bedürfnisse der Menschen sowie soziale und ökologische Herausforderungen verlangen nach neuen technologischen Lösungen. Die Industrie arbeitet täglich daran. Und, weil es letztlich keine Grenzen für menschlichen Einfallsreichtum gibt, wird sie die Lösungen hervorbringen. Denken Sie daran: Jeder weitere Schritt, sei es eine kleine Verbesserung in der industriellen Wertschöpfungskette oder ein grosser Technologiesprung, bringt die Menschheit ein Stück weiter weg vom düsteren Mittelalter. Eine schöne Perspektive.

Text Jean-Philippe Kohl

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