Interview von Marlène von Arx

George Clooney: «Ich hätte nicht gedacht, dass mir noch so etwas passiert»

Der Hollywood-Schauspieler fand erst mit 56 Jahren sein Lebensglück: seine eigene Familie.

Über viele Jahre war George Clooney Hollywoods begehrtester Bachelor. Als er mit 52 die Frau fürs Leben kennenlernte, eröffnete sich dem erfolgreichen Filmemacher und Aktivisten eine neue Welt. Er heiratete und wurde Vater von Zwillingen. Wie sehr er diese neuen Rollen geniessen würde, hätte er sich nie träumen lassen.

George Clooney

Bild: HFPA

«Meine grösste Angst ist es, mit 65 Jahren aufzuwachen und zu denken, ich hätte im Leben mehr wagen sollen», dies offenbarte George Clooney im Sommer 2000 in unserem Interview zum Film «The Perfect Storm». «Wir wollen alle etwas hinterlassen, ein kleines Beweisstück, dass wir hier eine Zeit lang auf dieser Erde waren. Wenn ich beispielsweise zu meinen Eltern nach Hause fahre, komme ich jeweils über eine Brücke, an der mein Grossvater mitgebaut hat. Jedes Mal, wenn ich darüber fahre, denke ich daran, dass mein Grossvater daran beteiligt war.» Der Schauspieler aus Kentucky war damals 39 Jahre alt und baute zu jener Zeit fleissig an seinem eigenen Denkmal. Er hatte als Kinderarzt Dr. Ross in der Spitalserie «ER» den Durchbruch geschafft und war mit Filmen wie der Romanze «One Fine Day», dem Thriller «Out of Sight» und der Comic-Adaption «Batman & Robin» (ein Film, den er heute bereut) eine konstante Präsenz in den Kinohitparaden. Kurz darauf gewann er seinen ersten wichtigen Preis in Hollywood, den Golden Globe als Bester Schauspieler Comedy/Musical für «O Brother, Where Art Thou?».

Inzwischen ist Clooney zweifacher Oscar-Preisträger und gehört zu den beliebtesten Stars in Hollywood. Zudem gilt er quasi als Gewissen der Film-Industrie – ein Umfeld, das nicht für seine Bodenständigkeit bekannt ist: Ob als Politaktivist oder Gewerkschaftsmitglied der Schauspielergilde: Clooney lässt seinen Worten Taten folgen. Er hat beispielsweise gerade eine Million Dollar in den Fond eingezahlt, der durch den Streik in Not geratene Filmschaffende unterstützt.

Seine Hilfsbereitschaft liege in seiner DNA, erklärte er im Interview zur Mini-Serie «Catch 22» noch vor der Pandemie: «Wenn mir etwas viel bedeutet, engagiere ich mich – auch wenn es die Nadel oft nicht gross bewegt. Aber was ist die Alternative? Nichts tun? Das wäre in meinen Augen ein Verbrechen.»

Diese Einstellung haben ihm seine Eltern Nick und Nina Clooney mit auf den Weg gegeben. Der Nachrichten-Moderator und die ehemalige Vize-Miss-Kentucky sandten George und seine Schwester Adelia (Ada) an Weihnachten zu notleidenden Familien mit Geschenken. Was er als Teenager eher als Mühsal betrachtete, legte den Grundstein für sein späteres Engagement. Seine Grosszügigkeit ist nun legendär in Hollywood: Als er seine Anteile an seinem Tequila-Label Casamigos verkaufte und die Gewinnbeteiligung am Überraschungshit «Gravity» besonders hoch ausfiel, schenkte er seinen vierzehn besten Freunden je eine Million Dollar: «Ich war dabei, mein Testament zu machen, als ich dachte, ich gebe meinen Freunden lieber jetzt Geld, da sie es brauchen können, als später, wenn sie nur noch ein Gebiss kaufen wollen.»

Um keinen Preis Familie

So viel er beruflich wagte und erreichte, und so sehr er sich für Menschen in Not in gefährlichen Hotspots wie dem Sudan engagierte – in Herzensangelegenheiten lehnte sich George Clooney lange nicht weit aus dem Fenster: Jahrelang hielt er an seiner Devise fest: Er würde nach seiner gescheiterten ersten Ehe nie mehr heiraten, denn er hatte bereits bewiesen, dass er als Ehemann nicht tauge. Und Kinder, die seien auch nicht sein Ding. Seine Co-Stars Michelle Pfeiffer («One Fine Day») und Nicole Kidman («The Peacemaker») wetteten je 10 000 Dollar dagegen, dass Clooney bis 40 ein kinderloser Bachelor bleiben würde. «Bei dieser Wette kann ich unmöglich Geld verlieren», war er sich in den Neunzigerjahren sicher. «Ich brauche mich nur für 5000 Dollar unterbinden zu lassen und schon mache ich 15 000 Dollar vorwärts.» Kidman und Pfeiffer verloren die Wette und schickten ihm einen Scheck. Er sandte das Geld zurück und verdoppelte den Einsatz, dass er auch bis 50 keine Kinder haben würde.

Dann traf er mit 52 die Menschenrechtsanwältin Amal Alamuddin und alles änderte sich: «Diese unglaubliche Frau spazierte in mein Leben», erinnert sich Clooney in unserem Interview von 2019. «Ich fühlte mich nur schon privilegiert, mit ihr im gleichen Raum zu sein.» Das war im Sommer 2013: Clooney empfing Gäste zu einer Dinner-Party in seinem Haus am Comersee. Seine Eltern waren da und ein Gast brachte Amal Alamuddin mit. «Wir unterhielten uns bis in die Morgenstunden», erinnert sich Clooney in der Netflix-Talkshow «My Next Guest Needs No Introduction with David Letterman». «Wir tauschten unsere E-Mail-Adressen aus, weil sie mir Fotos schicken wollte, die sie von meinen Eltern gemacht hatte. Ich wusste nicht, ob sie mit mir ausgehen wollte, ich war ja auch siebzehn Jahre älter als sie. So schickte ich ihr dann E-Mails im Namen meines Hundes Einstein, der behauptete, als Geisel gehalten zu werden und eine Anwältin zu brauchen.»

George Clooney am Venice Film Festival

George und Amal Clooney am Venice Film Festival 2017
Bild: HFPA

Im Herbst setzte er die Charme-Offensive mit einer Einladung zu den Orchester-Aufnahmen für seinen Film «The Monuments Men» in die legendären Abbey Road Studios in London fort. Das war der Anfang vom Ende von Ewig-Junggeselle Clooney. Im September 2014 heirateten die beiden in Venedig. «Ich bin der glücklichste Mann auf der Welt», erklärte er auch noch fünf Jahre später. «Ich habe spät im Leben eine Person gefunden, in die ich nicht verliebter und auf die ich nicht stolzer sein könnte.»

Plötzlich waren auch Kinder kein No-Go mehr

Die Zwillinge Alexander und Ella kamen im Juni 2017 zur Welt. Im Herbst des gleichen Jahres verlässt er die Familie das erste Mal, um seinen Film «Suburbicon» am Film Festival von Toronto vorzustellen: «Amal hat mir gerade ein Foto der Zwillinge geschickt», strahlt er in sein Handy. «Schauen Sie: Sind sie nicht süss, diese beiden Dumpfbacken? So nenne ich sie oft, vermutlich denken sie, sie heissen so.» Ella beschreibt er als «delikat» und mit den grossen Augen ihrer Mutter ausgestattet, Alexander als doppelt so gross und dauer-hungrig. Aber Spass beiseite: «Meine Familie ist die Sahne auf der Torte. Ich hätte nicht gedacht, dass mir mit 56 Jahren noch so etwas passiert. Ich dachte, mein Leben würde sich auf meine Karriere konzentrieren. Und jetzt habe ich diese tolle Beziehung und diese beiden Dumpfbacken, die mich jeden Tag zum Lachen bringen. Nun bin ich zum ersten Mal von ihnen weg und denke die ganze Zeit, dass ich am liebsten bei ihnen wäre. Das ist ein schönes Gefühl.»

Back to the Roots

Inzwischen sind die Kinder sechs Jahre alt. Die Hälfte ihres Lebens war durch die Pandemie, die die Clooneys in Los Angeles verbrachten, bestimmt. Neu domestiziert, nutzte George Clooney die Zeit, gewisse Gaben aus seiner Vergangenheit wieder aufzufrischen: «Ich mache wieder das, was ich machte, als ich noch ledig und pleite war: Wäsche und Geschirr waschen, Böden fegen, Wände malen. Ich habe die Gartenmöbel und die Zäune repariert und aufgefrischt. Und ich habe für uns vier ein Thanksgiving-Mahl gekocht. Es ist schön zu wissen, dass ich das alles noch kann. Ich könnte auf einer einsamen Insel ein Haus bauen und uns durchbringen», so der Filmemacher im Winter 2020.

George Clooney geniesst die wichtigste Rolle in seinem Leben, die des Vaters, sichtlich. Aber er ist sich auch der grossen Verantwortung bewusst: «In gewissen Belangen werden sie es viel einfacher haben, in anderen viel schwerer», blickt er in die Zukunft seiner Kinder. «Es wird eine Herausforderung sein, Kindern, die mit Geld, Privilegien und Bekanntheit geboren wurden, Empathie und Verständnis für jene beizubringen, die nicht so viel Glück haben wie sie.»

Für seine Familie ist er auch bereit, eine alte Leidenschaft aufzugeben: Das Motorradfahren. 2018 flog er während der «Catch 22»-Dreharbeiten in Sardinien mit 120 km/h in die Windschutzscheibe eines Mercedes, der seinen Vortritt missachtete. «Das hat mich ziemlich durchgeschüttelt. Ich hatte unglaubliches Glück und da wohl neun Leben auf einen Schlag aufgebraucht.» Der inzwischen 62-Jährige zog die Konsequenzen: «Ich hatte 40 gute Jahre auf dem Motorrad, ich kann das jetzt loslassen. Ich habe jetzt Zwillinge und Verantwortung.»

Bei allem Verantwortungsbewusstsein: In die Politik wird er jedoch nach wie vor nicht einsteigen und sich schon gar nicht als Präsidentschaftskandidat zur Verfügung stellen. «Ich bin nicht der richtige Typ für den Job», sagte er selbst während der Trump-Ära. «Das Ganze sieht nicht nach viel Spass aus. Und ich will schliesslich nicht mein schönes Leben ruinieren.»

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20.09.2023
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