Die Schweiz verfolgt ambitionierte Ziele: Bis 2050 soll das Land klimaneutral sein und den Energiebedarf ausschliesslich aus erneuerbaren Quellen decken. Doch um diese Vision zu verwirklichen, sind klare politische Vorgaben zur Energiemarktregulierung sowie innovative technische Lösungen notwendig. Welche Rahmenbedingungen müssen geschaffen werden, damit die Energiewende gelingt? «Fokus» macht die Auslegeordnung.
Diesen Dezember wurde bekannt, dass das AKW Beznau noch bis 2033 in Betrieb sein wird. Danach werden die Reaktoren für immer heruntergefahren. Der Ausstieg aus der Kernenergie ist ein wesentliches Element der «Energiestrategie 2050» des Bundes: Die Schweiz setzt künftig auf erneuerbare Energien und will damit eine nachhaltige und sichere Energiezukunft ansteuern. Doch die Umsetzung dieser Vision ist komplex, was auch die teilweise kritischen Reaktionen auf die Beznau-Abschaltung deutlich machen.
Denn nebst technischen Innovationen muss auch ein tragfähiger politischer Rahmen sowie ein gesellschaftlicher Konsens geschaffen werden, damit die Energiewende hierzulande gelingen kann.
Klare Energiemarktregulierung notwendig
Fachleute betonen, dass eine erfolgreiche Energiewende in erster Linie Planungssicherheit für alle beteiligten Akteure voraussetzt. Denn nur durch klare gesetzliche Richtlinien, etwa im Bereich Energieeffizienz und CO2-Reduktion, wird der Umbau des Energiesystems vorangetrieben. Ein Beispiel hierfür ist das CO2-Gesetz, das Unternehmen und Haushalte zu emissionsreduzierenden Massnahmen verpflichtet. Gleichzeitig ist es an der Politik, die notwendigen Investitionsanreize zu schaffen: Damit der Ausbau der erneuerbaren Energien wie Solar-, Wind- und Wasserkraft wirtschaftlich attraktiv wird, sind gezielte Subventionen und Förderprogramme notwendig. Das Einspeisevergütungssystem (KEV) war ein Schritt in die richtige Richtung, doch Expertinnen und Experten betonen, dass nun weitere Massnahmen wie Steuererleichterungen oder Innovationsförderung folgen müssen.
Ebenfalls sei es entscheidend, administrative Hürden umfassend zu verringern und Genehmigungsverfahren zu beschleunigen. Denn nicht selten scheitert der Bau von Windparks, Photovoltaikanlagen oder Stromnetzen an langwierigen und komplexen Bewilligungsverfahren. Hier ist eine Vereinfachung und Beschleunigung der Prozesse erforderlich, ohne dabei den Umwelt- und Anwohnerschutz zu vernachlässigen. Parallel dazu gilt es, die Energieimporte zu diversifizieren: Gerade in Zeiten geopolitischer Unsicherheiten muss die Schweiz ihre Energieversorgung breiter aufstellen. Importpartnerschaften, beispielsweise für Wasserstoff oder synthetische Brennstoffe, könnten helfen, Versorgungslücken zu schliessen.
Die Rolle der technischen Innovation
Während die Politik quasi das Fundament für eine erfolgreiche Energiewende legt, ist es die Aufgabe von technologischen Innovatorinnen und Innovatoren, darauf aufzubauen. Ein wesentlicher Fokus liegt in der Verbesserung der Speichertechnologien. Denn eine der grössten Herausforderungen der Energiewende liegt in der Speicherung von Energie, da Wind und Sonne nicht immer dann Strom liefern, wenn dieser benötigt wird. Fortschritte in der Batterietechnik, aber auch in der Wasserstoffspeicherung oder Pumpspeicherkraftwerken, sind in diesem Zusammenhang unverzichtbar.
Fachleute betonen, dass eine erfolgreiche Energiewende in erster Linie Planungssicherheit für alle beteiligten Akteure voraussetzt.
Ferner gelten intelligente Netze (Smart Grids) als wichtige Beschleuniger der Energiewende: Die Integration dezentraler Energiequellen wie Solaranlagen macht intelligenten Stromnetze unabdingbar, da diese in der Lage sind, Energieflüsse in Echtzeit zu steuern, Lasten zu optimieren und auf diese Weise Netzüberlastungen zu vermeiden. Ebenfalls eine Schlüsselrolle spielt der Schweizer Gebäudepark, auf den ein Grossteil des hiesigen Energieverbrauchs entfällt. Technische Lösungen wie bessere Wärmedämmung, hocheffiziente Heizsysteme sowie der vermehrte Einsatz von Solarthermie müssen flächendeckend implementiert werden. Hierzu sind Innovationsanreize sowie finanzielle Förderprogramme für Hauseigentümer:innen essenziell. Darüber hinaus können Technologien wie das Internet of Things (IoT) dazu beitragen, den Energieverbrauch in Industrie und Privathaushalten exakter zu messen und zu optimieren. Automatisierte Systeme, die Strom dann nutzen, wenn er günstig und ausreichend vorhanden ist, können die Nachfrage flexibler gestalten.
Ohne Akzeptanz zum Scheitern verurteilt
Allerdings verpuffen sowohl politische als auch technische Planungen wirkungslos, wenn die Gesellschaft die langfristige Vision der Energiewende nicht mitträgt. Dieses Generationenprojekt benötigt eine breite Akzeptanz sowie die aktive Beteiligung der Bevölkerung. Um diese sicherzustellen, sind Informationskampagnen sinnvoll, welche über die Vorteile und Notwendigkeiten der Energiewende informieren und dadurch Skepsis abbauen. Der Nutzen von erneuerbaren Energien muss ebenso sichtbar gemacht werden wie die langfristigen Kosten von fossilen Brennstoffen. Die Förderung von lokalen Energiegenossenschaften gilt ebenfalls als vielversprechend: Regionale Energieprojekte, bei denen Bürgerinnen und Bürger direkt profitieren, erhöhen die Akzeptanz. Beispiele hierfür liefern etwa gemeinschaftlich betriebene Solarparks oder Biogasanlagen.
Diese Auslegeordnung macht eines augenscheinlich: Die Energiewende ist keine Aufgabe, die allein durch Technologie oder Politik gelöst werden kann. Vielmehr stellt sie ein gesamtgesellschaftliches Projekt dar, das Zusammenarbeit auf allen Ebenen erfordert – von der Politik über Unternehmen bis hin zu den Bürger:innen. Nur durch klare politische Rahmenbedingungen, gezielte technische Innovationen und gemeinsames Engagement kann die Schweiz ihre Vision einer klimaneutralen, sicheren und nachhaltigen Energieversorgung bis 2050 verwirklichen.
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