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Gesellschaft Jugend Gesundheit

Was Gen Z und Millennials voneinander lernen können

03.02.2024
von SMA

«Die Jugend von heute ist verweichlicht», sagen die älteren Generationen. Diese werden wiederum von der jüngeren als «Boomer» bezeichnet. Tatsächlich spricht die Gen Z öfter über ihre psychische Gesundheit. Doch haben wir nicht alle eine bessere und transparentere mentale Gesundheitsvorsorge nötig?

Es scheint, als ob die Generation Z – geboren zwischen 1997 und 2010 – einen besseren Umgang mit mentaler Gesundheit als die Millennials an den Tag legt. Auch die Stars und Sternchen heben die Wichtigkeit von mentaler Gesundheit immer öfter öffentlich hervor. Ob so Burn-outs tatsächlich vermieden werden, worunter immer mehr Vierzigjährige leiden, muss sich noch zeigen.

Dirk De Wachter, Psychiater und Professor an der KU Leuven, folgt der Hypothese, dass sich die Menschheit stetig weiterentwickelt: «Die vorherige Generation, die sich nun mit Veränderungen konfrontiert sieht, befindet sich in einem gesellschaftlichen Übergang und sucht Ausgleich. Das scheint die neue Generation einfacher zu bewerkstelligen. Sie streben nach einer besseren Balance zwischen Karriere und Freizeit, Arbeit und Entspannung sowie einer Gleichberechtigung der Geschlechter. Wir lernen von vorherigen Generationen.»

Das Verhältnis zwischen Arbeits- und Privatleben ist eine der grössten Herausforderungen der Gen Z. «Sie dürfen nicht einem ‹Borderline Split› verfallen, was bei Millennials öfters vorkommt», erzählt De Wachter. «Ein Teil widmet sich ausschliesslich ihrer Karriere und verliert sich selbst darin. Das andere Extrem lässt die Karriere links liegen und konzentriert sich gänzlich auf den Haushalt. Man sollte aber Nuancen sehen und flexibel bleiben», findet Dirk De Wachter. «Die Karriereleitern verlaufen heute nämlich nicht mehr so linear wie früher. Ein Elternteil muss für die Kinder da sein und Karriere machen können. Es ist toll, dass Frauen im Vergleich zu vor fünfzig Jahren stetig mehr in den Vordergrund treten und Familien heute unkonventionelle Karrierekombinationen in Betracht ziehen.»

Vorsicht vor Entmenschlichung

«Die Digitalisierung ist ein zweischneidiges Schwert», erklärt De Wachter, «Ich bin nicht gegen die Technologie, im Gegenteil. Es ist ein sehr hilfreiches Werkzeug, aber wir müssen aufpassen, dass es unsere heutige Kommunikation ergänzt und nicht ersetzt. Zu grosses Vertrauen in die digitale Kommunikation bringt die Gefahr von Entmenschlichung mit sichLieven Annemans, Professor und Forscher an der Universität Gent, sagt: «Die Effizienz, die die Technologie anbietet, steht einem Mangel an persönlichem Gefühl gegenüber. Ein Anruf oder eine E-Mail sind zwar viel schneller, aber physische Treffen sind äusserst wichtige soziale Interaktionen. Das erfordert auf kurze Sicht mehr Zeitaufwand, aber kreiert langfristig eine tiefere Verbundenheit.»

Junge Frau liegt alleine im Bett. Symbolbild psychische Gesundheit der Gen Z und Millenials

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Dirk De Wachter plädiert für ein hybrides System, in dem die Technologie ein Zwischenschritt vor physischen Treffen darstellt. «Eine Nachricht oder ein kurzer Anruf eignen sich, um ein Treffen zu planen, ohne dass gleich die ganze Sache besprochen wird. Vor eineinhalb Jahren war ich selbst krank und die persönlichen Besuche empfand ich als besonders wertvoll. Gerade in verletzlichen Phasen ist persönlicher Kontakt bestimmt dem Beziehungsaufbau zuträglicher und konstruktiver als die digitale Kommunikation. Davor müssen sich alle Generationen in Acht nehmen, insbesondere die Digital Natives der Gen Z. Der persönliche Kontakt ist einer der Hauptfaktoren der psychischen Gesundheit.»

Der persönliche Kontakt ist einer der Hauptfaktoren der psychischen Gesundheit. Dirk De Wachter, KU Leuven

Tiefergehende Verbindungen

Die digitale Generation erntet die Früchte der technologischen Entwicklungen, aber büsst dafür auch mit emotionaler Einsamkeit, wie die nationale Glücksstudie der Universität Gent zeigt. Die Resultate veranschaulichen, dass sich mehr Menschen einsam fühlen – trotz der Annehmlichkeiten des digitalen Kontakts. «Es ist schon merkwürdig zu lesen, dass die Einsamkeit auch bei den Jungen zunimmt», erzählt Lieven Annemans. «Die Gen Z befindet sich in der Blüte des Soziallebens und doch fühlt sich eine:r von vier emotional einsam. Obwohl es nicht an sozialen Kontakten fehlt, fällt es ihnen schwer, tiefgehende Verbindungen zu knüpfen. Der Mangel an engen Beziehungen ist einer der Gründe, warum der Glücksscore bei jungen Menschen in diesem Jahr am stärksten gesunken ist.»

Die nationale Glücksstudie untersucht auch Ängste und Sorgen über die Zukunft. So zeigt sich, dass die Gen Z am meisten ökonomische Ängste erfährt. «Sie sind relativ neu in der Finanzwelt und sehen sich mit neuen Themen konfrontiert wie Inflation, Energiekrise und Krieg, welcher den europäischen Markt stark beeinflusst», legt Lieven Annemans dar. «Da überrascht es kaum, dass diese Generation die Zukunft nicht rosig sieht. Aber eigentlich sind Krisen kalter Kaffee. Sie manifestieren sich regelmässig und wir überstehen sie. Für die älteren Generationen ist dies – wie schräg das auch klingen mag – Routine.»

Tabus der psychischen Gesundheit durchbrechen

Psychologische Hilfe ist immer noch tabubehaftet. Alle haben gewisse interne Kämpfe, aber der Gang zu einer Fachperson ist für viele ein zu drastischer Schritt. «Schade», findet Dirk De Wachter, «glücklicherweise durchbricht die jüngere Generation diese Tabus. Es erscheinen immer häufiger Geschichten von Prominenten, die schwierige Zeiten offenlegen. Das ermutigt, es ihnen gleichzutun.» Auch bei Männern lässt sich eine positive Veränderung feststellen. «Sie distanzieren sich vom Macho-Klischee. Die Gesellschaft beginnt einzusehen, dass Gespräche über schwierige Themen eine Stärke und keine Schwäche sind. Ich hege Hoffnung, dass es in eine gute Richtung geht.»

Text Joost Schellekens

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