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Gesundheit

Im Ruhepuls liegt die Kraft

28.08.2021
von Akvile Arlauskaite

Wird der Puls in Situationen höherer physischer oder psychischer Anstrengung kurzzeitig schneller, zeugt dies von einem intakten Herzen. Ist er jedoch auch im Ruhezustand dauerhaft zu hoch, kann dies ein gesundheitliches Risiko darstellen. «Fokus» hat sich bei einem Facharzt für Kardiologie und Innere Medizin über das Thema erkundigt.

Ein gesundes Herz schlägt nicht konstant wie ein Metronom, sondern weist Pulsschwankungen auf, denen diverse Ursachen zugrunde liegen können. «Der Puls wird durch verschiedene Hormone gesteuert. Er steigt bei Bedarf, also bei höherer Leistung, an und sinkt bei Ruhe ab. Zusätzlich wird er auch durch das autonome Nervensystem beeinflusst. Dies erklärt den starken Pulsanstieg bei psychischem Stress oder starken Emotionen», führt Dr. med. Stefan Christen MAS, Facharzt für Kardiologie und Innere Medizin, aus. Starke Pulsschwankungen, sprich eine grosse Spannbreite zwischen dem Ruhe- und Belastungspuls, deuten insofern auf ein gesundes, belastbares Herz hin. Darüber hinaus gibt aber auch die isolierte Betrachtung des Ruhepulses wichtige Indizien über die Herzgesundheit.

Der Ruhepuls und seine Einflussfaktoren

Unter dem Ruhepuls versteht man den Puls im absoluten Ruhezustand des Körpers. «Dabei pumpt das Herz genau genügend Blut, um die Durchblutung aller notwendigen Organe in Ruhe sicherzustellen. In aller Regel nimmt dieser Werte im Bereich zwischen 40 und 70 bpm an», so Dr. med. Christen.

Generell weisen Sportler:innen in Ruhe einen tieferen Puls auf, als wenig trainierte Menschen. «Ein gesundes, gut trainiertes Herz fördert pro Herzschlag mehr Blut als ein untrainiertes oder krankes Herz, also wird das Ziel mit weniger Herzschlägen erreicht», führt Dr. med. Christen aus. «Allerdings ist bei einem gesunden, trainierten Herzen auch der ganze Körper des Trägers gesund und trainiert, womit natürlich die Sauerstoffaufnahme und das Energiemanagement im Vergleich zu kranken oder untrainierten Personen zusätzlich deutlich besser ist.»

Doch auch weitere Faktoren wie Geschlecht, Alter, BMI, durchschnittliche tägliche Schlafdauer und sogar die Jahreszeit können einen Einfluss auf den Ruhepuls haben. Forschende aus den USA haben den Ruhepuls von mehr als 92 000 Teilnehmenden gemessen und stellten Folgendes fest:

  • Frauen haben einen etwa um drei bpm höheren Ruhepuls als Männer.
  • Der Ruhepuls steigt mit zunehmendem Alter an, bis im Alter von etwa 50 Jahren ein Abwärtstrend einsetzt. Achtzigjährige Personen wiesen somit einen um drei bis vier bpm tieferen Ruhepuls auf als Fünfzigjährige.
  • Teilnehmende mit starkem Übergewicht, genauer mit einem BMI von 30, hatten einen um zwei bpm, Personen mit einem BMI von 40 einen um fünf bis sechs bpm höheren Ruhepuls als Normalgewichtige mit einem BMI von 20 bis 25.
  • Der Ruhepuls ist bei Personen, die sieben bis acht Stunden pro Nacht schlafen, um einen bis zwei bpm langsamer als bei denjenigen mit sechs oder weniger Stunden Schlaf pro Nacht. 
  • Nicht zuletzt hängt der Ruhepuls auch mit der Jahreszeit zusammen und erreichte bei Messungen im Januar die höchsten, im Juli die tiefsten Werte. 

Liegt die durchschnittliche Frequenz über 24 Stunden über 100 bpm, kann es zu Herzmuskelschwäche kommen. Dr. med. Stefan Christen MAS

Hoher Ruhepuls – ein Grund zur Sorge?

Ein dauerhaft hoher Ruhepuls ist für den Herzmuskel durch zu häufige Schläge strapaziös und kann gesundheitliche Risiken mit sich bringen. «Jedoch nur, wenn er stark erhöht ist, was grundsätzlich erst bei Herzrhythmusstörungen wie Vorhofflimmern oder Vorhofflattern der Fall ist», führt Dr. med. Christen aus. Zunächst müsse ein dauerhaft erhöhter Ruhepuls gemäss Dr. med. Christen aber erst nachgewiesen werden, zum Beispiel mit einem 24 Stunden EKG. «Liegt die durchschnittliche Frequenz über 24 Stunden über 100 bpm, kann es zu Herzmuskelschwäche kommen.»

Ist der Ruhepuls aber ohne Herzrhythmusstörungen erhöht, muss in erster Linie abgeklärt werden, weshalb dem so sei. «Als mögliche Ursachen für einen dauerhaft hohen Ruhepuls kommen von der organischen Seite chronische Infektionen sowie Entzündungen, Blutarmut, Hormonfehlfunktionen und Herz- oder Lungenkrankheiten infrage. Es gibt aber auch psychische respektive psychiatrische Krankheiten, welche zu einem erhöhten Ruhepuls führen», erzählt Dr. med. Christen. Die Behandlung richte sich dann in erster Linie an den gefundenen Erkrankungen und nicht am Ruhepuls.

Ruhepuls trainieren, Herz schonen

In der Tat kann man den eigenen Ruhepuls trainieren – diesen also dauerhaft senken. Dies entlastet das Herz enorm. Hierzu empfiehlt es sich gemäss Dr. med. Christen, Sport zu treiben. «Regelmässiges Ausdauertraining wirkt sich direkt auf den Ruhepuls aus. Es braucht dazu einige Einheiten Training pro Woche, in der Regel mindestens fünf Mal à 30 Minuten wöchentlich. Wie tief mit welchem Training der Ruhepuls überhaupt gesenkt werden kann, ist jedoch sehr unterschiedlich. Jeder Mensch reagiert individuell auf Training, Belastungen und Ruhephasen.»

Dass regelmässiger Sport tatsächlich direkte Auswirkungen auf den Ruhepuls hat, ist spätestens bei Extrem-Ausdauersportler:innen ersichtlich. Gemäss dem Facharzt werden bei diesen häufig Ruhepulsfrequenzen von unter 40 bpm beobachtet. Im Extremfall sei sogar ein Ruhepuls von 28 pro Minute registriert worden. Deren Trainingsumfang betrage aber meist mehr als 15 Stunden pro Woche. «Wichtig ist dabei zu sagen, dass Ausdauersportler:innen nicht gesünder sind, weil ihr Ruhepuls tiefer ist, sondern weil sie ihren Körper als Ganzes in Form behalten und auch gesünder leben», merkt Dr. med. Christen an. Eine grosse Rolle würden hierbei unter anderem Faktoren wie die Ernährung und der mehrheitliche Verzicht auf Alkohol sowie Nikotin spielen.

Den Ruhepuls korrekt messen

Der Puls kann an der Halsschlagader oder an der Handgelenkinnenseite ertastet werden. Um den Ruhepuls zu messen, muss man zunächst ein paar Minuten ruhig sitzen oder liegen. Die zuverlässigsten Werte erhält man bei einer Messung morgens direkt nach dem Aufstehen. Hierzu legt man den Zeige- und Mittelfinger an eine der erwähnten Stellen und zählt eine Minute lang die Schläge. Dabei sollte darauf geachtet werden, nicht zu viel Druck auf die Arterie auszuüben.

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