Vor 30 Jahren begann die Single «All I Want for Christmas Is You» ihren Aufstieg zur beliebtesten Weihnachtshymne aller Zeiten. Mariah Carey wurde damit zur unbestrittenen «Queen of Christmas». Ein Rückblick auf die Geburt eines Evergreens.
Es braucht nicht viel, um Mariah Carey in Weihnachtsstimmung zu versetzen: «Vom Dekorieren des Baumes bis zu den Pferdekutschen im Schnee – ich mache bei allem mit», erzählt sie in unserem Interview 2017 zum Krippenspiel-Animationsfilm «The Star». Das dürfte nicht überraschen, ist sie doch mittlerweile die unbestrittene «Queen of Christmas». Zu verdanken hat sie diesen Titel ihrem Mega-Hit «All I Want for Christmas Is You», den sie zusammen mit Walter Afanasieff vor dreissig Jahren für ihr erstes Weihnachtsalbum «Merry Christmas» geschrieben hat. Eigentlich hatte Mariah Carey damals keine grosse Lust, ein Weihnachtsalbum aufzunehmen. Das taten doch eher Künstler kurz vor der Pensionierung. Aber das Platten-Label bestand darauf. Also setzten sich Carey und Afansasieff im August 1994 hin und schrieben den heutigen Christmas-Klassiker – angeblich in nur fünfzehn Minuten.
Um den Song hat sich inzwischen ein eignes Universum entwickelt: Seit 2019 dreht die Pop-Diva jeweils unter dem Titel «It’s time…» ein kurzes Video für den 1. November und gibt damit ihren Segen, dass man ab jetzt ihren Dauerbrenner spielen und offiziell in Weihnachtsgefühle eintauchen darf. Dieses Jahr hat sie sich als Morticia Addams verkleidet, die im Schrank ihr rotes Weihnachtsoutfit hervorholt. Zum runden Geburtstag des Evergreens hat Carey zudem ein neues LP/CD-Tribut-Cover veröffentlicht und auch die Mariah-Carey-Christmas-Barbie ist wieder im Handel erhältlich. Zurzeit ist Mariah Carey auf «Christmas Time»-Tournee. Wer sie verpasst, kann sich mit drei verschiedenen Mariah Carey Christmas Specials von Apple TV+ in Weihnachtsstimmung bringen. Oder mit dem Kinder-Zeichentrickfilm «All I Want for Christmas Is You» (2017), in dem sich ein kleines Mädchen namens Mariah einen Hundewelpen wünscht.
Dass Weihnachten vor allem auch etwas fürs Ohr ist, hat Mariah Carey schon als Kind mitbekommen. Ihr Mutter Patricia, eine in Juilliard ausgebildete Opernsängerin, sang in Weihnachts-Chören: «Sie brachte ihre Freunde und Freundinnen mit nach Hause, setzte sich ans Klavier und alle sangen zusammen», erinnert sich Carey. Ihr liebster Weihnachtsklassiker, der nicht aus ihrer eigenen Feder stammt, ist «The Christmas Song» von Nat King Cole. Das beste Geschenk, an das sie sich zurückbesinnen kann, war «vermutlich eine Barbie-Puppe». Luxuriös war Weihnachten damals aber nicht immer. «Meine Mutter war immer darauf bedacht, dass wir Weihnachten als schönes Erlebnis wahrnehmen, auch wenn sie nicht viel Geld für Geschenke hatte. Sie verpackte auch mal Früchte, weil es als Kind einfach Spass macht, etwas auszupacken. Ich freue mich heute auch einfach über das Erleben der Weihnachtszeit an sich.»
Im Schnee von Aspen, wo sie meistens die Weihnachtsfeiertage mit ihrer Familie verbringt, zieht sie alle Register: Schon bevor sie 2011 ihr Zwillinge Monroe (Roe) und Morrocan (Roc) zur Welt brachte, erschuf sie dort ein richtiges Winter Wonderland inklusive Kutschenfahrten für ihre Verwandten und Bekannten und deren Kinder: «Rentiere kommen zu uns nach Hause und auch der Weihnachtsmann – die Kinder sollen Spass haben. Darum gehts doch und so habe ich egoistischer Weise auch Spass.»
2,6 Millionen jährlich an Tantiemen
Mariah Carey glaubt, dass «All I Want for Christmas Is You» es an die Spitze der beliebtesten Weihnachtssongs aller Zeiten geschafft hat, weil ihre Hingabe an die Weihnachtszeit eben wirklich authentisch ist. Der fröhliche Pop-Song soll ihr jährlich 2,6 Millionen Dollar an Tantiemen einbringen. Und das seit 30 Jahren! So kann man kaum von ihr erwarten, dass ihr der Song einmal verleidet. «Einige meiner Gäste würden nach Weihnachten gerne wieder andere Musik hören, aber meine Christmas-Playlist läuft mindestens bis zum 28. Dezember», lacht sie; wohlwissend, dass man den Ohrwurm irgendwann wieder bis zum nächsten Jahr archivieren muss.
Ihr Weihnachtsrepertoire wird regelmässig ausgebaut: Mariah Carey hat über die Jahre diverse Weihnachtslieder geschrieben – wie «The Star» (2017) zusammen mit dem oscarnominierten Komponisten Marc Shaiman zum bereits erwähnten gleichnamigen Zeichentrickfilm, in dem die Tiere in Bethlehems Stall die Hauptrolle spielen. Es ist kein Party-Kracher wie «All I Want for Christmas Is You», sondern besinnlich – mit der Aufmunterung, dem Stern am Himmel zu folgen.
An welchem Stern orientiert sie sich selbst? Zu wem schaut sie auf, wenn sie Hilfe braucht? «Ehrlich gesagt: Ich bete einfach, dass ich es durch den Moment schaffe. Meine Spiritualität hilft mir, die Bodenhaftung nicht zu verlieren», erklärt sie. «Es gibt viele Leute in meiner Industrie, die ich vergöttere, mit deren Musik ich aufgewachsen bin und die ich irgendwann treffen und ihnen sagen konnte, wie dankbar ich ihnen für ihre Inspiration bin. Die Königin des Souls Aretha Franklin zu treffen, war einer der grössten Momente meines Lebens.»
Mariah Carey wurde früh klar, dass sie ihrem eigenen Stern folgen musste. Wie sie in ihrer Autobiografie enthüllte, war ihre Kindheit nämlich alles andere als nur rosig: Die Eltern, eine weisse Sängerin und ein schwarzer Luftfahrtingenieur, trennten sich früh. Mariah fühlte sich von ihren Geschwistern misshandelt und von der Mutter vernachlässigt. Unter der «Aufsicht» der Mutter sei sie als Kind einmal fast ertrunken. Die Mutter hätte sie auch mit ihren mit Drogen zugedröhnten und Waffen tragenden Boyfriends bisweilen alleine gelassen. Als sie zwölf Jahre alt war, bekam sie von ihrer Schwester Valium verabreicht. Alison bot ihrer kleinen Schwester angeblich auch Kokain und Zigaretten an und versuchte, sie einem Zuhälter zu verkaufen.
Meine Mutter war immer darauf bedacht, dass wir Weihnachten als schönes Erlebnis wahrnehmen, auch wenn sie nicht viel Geld für Geschenke hatte. – Mariah Carey
In der High School fehlte Mariah oft, weil sie Studio-Gigs als Back-up-Sängerin für Künstler:innen wie die Freestyle-Performerin Brenda K. Starr buchte. «Sie nahm mich an eine Party mit, wo ich [den Columbia Records Executive] Tommy Mottola kennenlernte und ihm mein Demo-Tape gab», erinnert sie sich. «Die Songs kamen dann auch auf mein erstes Album.» Mottola hatte sich das Demo-Tape im Auto angehört und kehrte sofort zur Party zurück. Mariah Carey war bereits gegangen und angeblich suchte er das Stimmwunder danach zwei Wochen lang. Der Rest ist Musikgeschichte. Ihre Karriere startete wie eine Rakete: Das Debüt-Album «Mariah Carey» war der Bestseller von 1991 und sie gewann die Grammys in den Kategorien Best New Artist und Best Female Vocal Performance für die Single «Vision of Love».
Glanz und Glitter ist nur die halbe Geschichte
Im Leben der Diva, deren Stimme fünf Oktaven umfasst, gab es viele Auf und Abs. Zwei Jahre nach dem Durchbruch feierte sie mit Mottola eine Märchenhochzeit. Aber sie fand sich bald in einem goldenen Käfig wieder. Nach der Trennung 1996 hatte sie Beziehungen mit dem Baseball-Star Derek Jeter und dem Sänger Luis Miguel, die aber nicht lange hielten. Als ihr Versuch, auch als Schauspielerin Fuss zu fassen, mit dem Flop «Glitter» (2001) scheiterte, fiel Mariah Carey emotional in ein Loch. Ihre Launen wurden dem Bipolar Disorder II zugeschrieben. Ihre Mutter und ihr Bruder versuchten, sie zu entmündigen. 2008 heiratete sie den Entertainer Nick Cannon. Nach einer Fehlgeburt kamen dann 2011 die Zwillinge zur Welt, ein Mädchen und ein Junge. 2016 wurde auch diese Ehe geschieden. «Nick ist ein guter Vater und wir kommen gut aus», versicherte sie 2017. «Dafür bin ich dankbar, denn für die Kinder ist die Nähe zum Vater wichtig.»
Es könne durchaus sein, dass die Kinder eines Tages in ihre Fusstapfen treten. An der Seite ihrer Mutter haben sie schon hie und da Bühnenerfahrung gesammelt. Sie sei nicht unbedingt eine strikte Mutter, sagt Carey: «Manchmal wäre ich es gerne, aber ich will auch nicht, dass die Kids sauer auf mich sind. Das ist die Wahrheit. Ich gebe mein Bestes und versuche, sie mit Leuten zu umgeben, die einen guten Einfluss auf sie haben. Ich möchte einfach, dass sie happy sind.»
Und was macht Mariah Carey happy? Was wünscht sich die Queen of Christmas zu Weihnachten? «Wie die meisten Leute ein gutes Leben. Was das genau bedeutet, muss jeder und jede für sich selbst herausfinden. Für mich heisst es, soviel schlafen wie möglich und Spass haben, wenn ich aufwache, wenn ich arbeite und Musik mache, die Kinder betreue und die Familie geniesse. Und danach wieder schlafen gehen können.» Möge das Christkind diese Wünsche erfüllen. Merry Christmas, Mariah Carey!
Headerbild AppleTV+
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