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Mein Leben mit Multipler Sklerose

03.04.2019
von Adrian Seidl

Multiple Sklerose (MS) kann jede und jeden treffen. Circa 15 000 Menschen sind in der Schweiz von der chronischen Krankheit betroffen. Die genaue Ursache ist trotz intensiver Forschung nach wie vor nicht bekannt.

Es ist ein schöner Frühlingstag. Ich treffe Frau Ivy Spring in ihrem Wohnort im Zürcher Oberland zum Kaffee. Auf den ersten Blick wirkt die junge Frau absolut gesund. Nichts eutet auf die heimtückische Krankheit hin. Sie sei gerade vom Friseur gekommen, erzählt sie fröhlich und bestellt sich einen Cappuccino und ein grosses Glas Wasser.

Schockdiagnose Multiple Sklerose

Vor rund sechs Jahren erhielt die heute 36-Jährige die Diagnose MS. Wegen Sehproblemen und stetiger Müdigkeit, suchte sie verschiedene Ärzte auf. Sie tippten auf Stress, aber keiner kam auf eine tieferliegende Ursache.

Es dauerte ganze vier Jahre. Ihre Hausärztin verwies sie anlässlich einer Lähmungserscheinung an einen Neurologen, der dann die Krankheit mit Gewissheit feststellte. «Im ersten Moment war es ein Schock. Ich verspürte grosse Angst. Gleichzeitig war ich aber auch erleichtert, endlich Klarheit zu haben, was genau mit mir nicht stimmte.» Das Schicksal traf sie zu dieser Zeit besonders hart. Nur wenige Wochen zuvor musste sie bereits den Tod ihrer Mutter verkraften.

Im ersten Moment war es ein Schock.

Positives Denken

Es sei extrem schwierig gewesen, alles auf einmal zu verarbeiten. Ihre positive Lebenseinstellung habe ihr aber geholfen, mit den Schicksalsschlägen fertig zu werden. Wie rund 80 Prozent aller MS-Betroffenen leidet auch Ivy unter der sogenannten «Fatigue», einer MS-spezifischen Form der Müdigkeit und abnormer Erschöpfung. Sie verringert die körperliche und vor allem auch die mentale Energie drastisch. Ihren damaligen Job als Direktionsassistentin verlor sie ein Jahr nach der Diagnose aufgrund ihrer Erkrankung. Da ihr IV-Verfahren seit 2014 hängig ist, lebt sie seither vom Sozialamt. Sie betont: «Ich fühle mich unwohl, finanziell vom Staat abhängig zu sein». Sie habe auch immer wieder versucht, in einem sehr geringen Pensum zu arbeiten. Aber nach und nach musste sie lernen, auf ihren Körper zu hören und die Situation so zu akzeptieren wie sie ist. Sie musste lernen, Hilfe anzunehmen. Sei es finanziell oder in der Alltagsbewältigung.

Symptom Bekämpfung und andere Nebenwirkungen

Die täglich benötigten Medikamente verursachen teils schwere Nebenwirkungen. Eines davon musste sie sogar absetzen, da es ihre Leber zu schwer belastete und sie weiterhin mehrmals im Jahr Schübe hatte. Weiter erzählt sie mir, dass ein anderes Medikament sogar eine Brustkrebserkrankung begünstigen könne. Als wäre es nicht schwer genug, ist sie auf diese Medikamente angewiesen. Ihr bleibt also nichts anderes übrig, als die «bittere Pille» zu schlucken.

Multiple Sklerose in der Partnerschaft

Auch das Thema Liebe ist bei Ivy präsent. Ihre Beziehung ist an der MS und dem daraus resultierenden, schwierigen Alltag zerbrochen. Im Moment ist sie Single und es sei nicht einfach, jemand neues kennenzulernen. Sie sei eine direkte Person und gehe offen mit ihrer Erkrankung um. Dies aber von einem potenziellen Partner zu erwarten ist ungleich schwieriger. Es brauche tiefes Verständnis und grösstmögliche Empathie damit eine Partnerschaft auf Dauer wirklich funktioniert. Solange dies nicht erfüllt sei, bleibe sie lieber alleine. Die Hoffnung hat sie aber noch nicht aufgegeben. «Wer weiss schon, was die Zukunft bringt.»

Ich fühle mich unwohl, finanziell vom Staat abhängig zu sein.

Freiwillige Arbeit als Antrieb

Im Juli 2017 gründete sie eine Regionalgruppe für junge MS-Betroffene mit dem treffenden Namen «dreaMS». Ziel dieser Gruppe ist es, gemeinsam unbeschwerte Aktivitäten auszuüben bzw. Ausflüge zu unternehmen. Diese Arbeit gibt ihr Antrieb, da sie bei den regelmässigen Treffen ihre Erfahrungen an andere weitergeben könne.

Sie habe dabei keinen Druck und teile sich die Zeit frei ein. Ideale Bedingungen also, trotz MS einen wertvollen Beitrag zu leisten und gleichzeitig anderen Betroffenen zu helfen.

Das Leben ist zu kurz

Sie muss jedoch immer damit rechnen, dass die Krankheit ihre Pläne durchkreuzt. Daher nehme sie sich privat nicht mehr allzu viel vor. Sie sei dann bloss wütend und auch frustriert, wenn sie Treffen absagen oder geplante Aufgaben doch nicht bewältigen könne. Auch von allen negativen Einflüssen habe sie sich verabschiedet, um nur noch positive Energie aufzusaugen. Ich frage Ivy was für sie Lebensfreude bedeutet? «Früher bin ich viel gereist oder habe meine Leidenschaft für gutes und kostspieliges Essen ausgelebt. Heute lebe ich vielmehr im Moment und freue mich, wenn ich längere Zeit beschwerdefrei bin. Die kleinen Dinge im Leben werden auf einmal viel wichtiger.» Auf meine Frage was ihr grösster Wunsch sei, antwortet sie mit einem Lächeln: «Ich hoffe, dass MS eines Tages heilbar ist.»

Mehr zu MS lesen Sie hier.

Text Adrian Georg Seidl

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