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Internetbetrug: 80-Jähriger um Vermögen gebracht

12.09.2019
von SMA

Ein Internet-Krimineller loggt sich mittels Fernwartungssoftware auf dem Computer und auf dem Bankkonto eines 80-Jährigen ein. Für rund 600 000 Franken werden Bitcoins und andere Kryptowährungen gekauft und an unbekannte Empfänger transferiert. Der Rentner verliert wegen dem Internetbetrug sein gesamtes Vermögen.

Claudio Kerber

Claudio Kerber

Als sie noch lebte, habe sich seine Frau um die Finanzen gekümmert. Nie, sagte mir Oskar Dubs (Name geändert) an der ersten Besprechung, hätte sie es zugelassen, dass er mit dem Altersvermögen so leichtfertig umgehen würde. Sein unbedachtes Vorgehen ist jedoch nur die eine Seite der Gleichung. Meine Abklärungen ergaben ein besonders hinterhältiges Vorgehen gegenüber dem Opfer, einem knapp 80-jährigen ehemaligen Bäckermeister.

Im Internet war Dubs auf die Anzeige eines Finanzdienstleisters mit angeblicher Geschäftsadresse in London gestossen, der sich als Broker für Währungsgeschäfte ausgab. Dubs eröffnete auf dem Onlineportal ein Benutzerkonto und wurde kurz darauf mehrmals von einem Mitarbeiter kontaktiert, der sich als Gianni Wallner (Name geändert) vorstellte. Dieser redete Dubs ein, er könne ihm beim Handel von Devisen und Kryptowährungen «behilflich» sein. Wallner sprach am Telefon leidlich Deutsch und hatte eine nette und einnehmende Art. Dadurch fasste der Rentner schnell Vertrauen in ihn.

Meine Abklärungen ergaben ein besonders hinterhältiges Vorgehen gegenüber dem Opfer, einem knapp 80-jährigen ehemaligen Bäckermeister. Claudio Kerber

Der Cyber-Taschenspielertrick

Unter Vorwänden überzeugte Gianni Wallner am Telefon sein Opfer, seinen Computer zu starten und ihm mittels einer Fernwartungssoftware Zugriff darauf zu gewähren. Waller brachte ihn sodann auch dazu, sich auf seinem Online-Konto bei seiner Hausbank einzuloggen.

Im Zeitraum von rund neun Monaten löste Gianni Wallner, jeweils über den Computer und über das Online-Bankkonto des Rentners, Überweisungen in Höhe von insgesamt rund 600 000 Franken aus. Diese Gelder landeten auf Handelsplattformen für Kryptowährungen (Revolut, Coinbase, Bitpanda und B2Crytpo), wobei die Zahlungen zunächst auf die Konten dieser Plattformen bei traditionellen Banken in England, Deutschland, Österreich und Estland erfolgten, was Dubs damals unverdächtig schien.

Dubs ging aufgrund Wallners Äusserungen davon aus, die von seinem Bankkonto überwiesenen Gelder würden für ihn sorgfältig verwaltet und stünden ihm jederzeit zur Verfügung. Dubs konnte sich denn auch tatsächlich auf dem Onlineportal des englischen Brokers einloggen; diese Website machte gegen aussen hin einen professionellen Eindruck und zeigte Dubs – vermeintlich – eine positive Entwicklung seines Vermögens.

Als ich den Sachverhalt mit Dubs aufarbeitete, zeigte sich jedoch ein anderes Bild. Die Franken- und Eurobeträge, die von seinem Bankkonto auf die Handelsplattformen überwiesen worden waren, wurden sogleich in Bitcoins und diverse andere Kryptowährungen getauscht und wenige Minuten später an unbekannte Empfänger weitertransferiert. Dubs sah zwar immer, was auf seinem Computer lief, hatte aber aufgrund seines Alters und seiner Unerfahrenheit mit solchen Transaktionen keine Chance, den Taschenspielertrick zu durchschauen, welcher Gianni Wallner über den Fernzugriff durchführte.

Der Vorschusstrick

Als Oskar Dubs nach einigen Monaten einen Teil des Anlagevermögens für seinen Lebensunterhalt beziehen wollte, teilte ihm Wallner mit, aktuell sei ein Betrag von 240 000 Franken frei verfügbar, angeblich aus Handelsgewinnen. Er könne diesen Betrag beziehen. Aber er müsse jedoch zunächst selber einen zusätzlichen Betrag von 48 000 Franken auf ein Sperrkonto beim englischen Broker überweisen! Begründet wurde dies mit einem angeblichen Rückbehalt für Steuern im Verhältnis England-Schweiz. Die Zahlungsbereitschaft der Täterschaft war freilich nur vorgespiegelt; in Wirklichkeit ging es darum, dem Opfer weitere Mittel abzuknöpfen, ein sogenannter Vorschussbetrug.

Tatsächlich tätigte Oskar Dubs zwei weitere Zahlungen in Höhe von insgesamt 24 000 Franken; dies in seiner Verzweiflung und in der Hoffnung, damit zumindest doch noch einen Teil seines Geldes zurückzuerhalten. Die Auszahlung seines Guthabens wurde Dubs aber unter immer neuen Ausflüchten verweigert. Nachdem er Wallner mitgeteilt hatte, er lebe inzwischen auf dem Existenzminimum und könne einfach kein weiteres Geld mehr zahlen, brach dieser den Kontakt abrupt ab.

Das Phänomen hat einen Namen: «Social Engineering»

Wallner hatte die Leichtgläubigkeit und Unerfahrenheit des Rentners kaltschnäuzig ausgenutzt. Dubs war der festen Überzeugung, es handle sich bei Wallner um einen rechtschaffenen Menschen. Dass er Opfer solcher Machenschaften werden könnte, lag ausserhalb des Vorstellungsvermögens des 80-Jährigen. In der Fachsprache nennt man solche Fälle, in denen Menschen manipuliert werden, um an vertrauliche Informationen heranzukommen, «Social Engineering». Die Vorgehensweise mittels Fernwartungssoftware erinnert sodann an die Fälle des «Microsoft Betrugs», in denen sich Kriminelle als Mitarbeiter von Microsoft oder anderer bekannter Firmen ausgeben und per Fernwartung angebliche Probleme auf dem Computer des Opfers beheben wollen.

Perfid ist im oben geschilderten Fall, dass die Transaktionen direkt auf dem Computer und unter den Augen des Opfers erfolgten: Oskar Dubs konnte gewissermassen in Echtzeit zusehen, wie sein Geld verschoben wurde, wobei er aber das deliktische Vorgehen nicht zu durchschauen vermochte. Der Fall macht auch deshalb betroffen, weil der 80-Jährige sein gesamtes Altersvermögen verloren hat. Die wahre Identität des aus dem Ausland operierenden Internet-Gangsters «Wallner» und der mutmasslich im Hintergrund tätigen Strippenzieher ist noch unbekannt. Zurzeit wird der Sachverhalt auf entsprechende Strafanzeige hin polizeilich untersucht. Es ist von einem bandenmässigen Vorgehen auszugehen. Vergleichbare Fälle, in denen man inzwischen auch Ermittlungserfolge verzeichnet konnte, sind unter anderem aus Österreich und Deutschland bekannt.

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Zur Person

Claudio Kerber ist Rechtsanwalt und Partner in der Zürcher Anwaltskanzlei Werder Viganò. Er unterstützt Geschädigte in Fällen von Wirtschaftsdelikten und vertritt ihre vermögensrechtlichen Ansprüche in Straf- und Zivilverfahren.

Werder Viganò AG, Bahnhofstrasse 64, 8001 Zürich

www.werdervigano.ch

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