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Never MINT? Oh doch!

29.03.2021
von SMA

Warum haben es Frauen so schwer, in naturwissenschaftlichen Fächern und Berufen Fuß zu fassen? Gegen alte Rollenklischees, von Männern gemachte Arbeitszeiten und fehlende Vorbilder helfen vor allem mehr Kooperationen und Unterstützung. 

Im vergangenen Sommer zeichnete die Bundesregierung erneut mehrere Fachinformatikerinnen, Mikrotechnologinnen, Fertigungsmechanikerinnen und Diplom-Chemikerinnen aus ganz Deutschland aus. Bei der Preisverleihung betonte die Bundeskanzlerin erneut, wie wichtig MINT-Berufe für die Zukunft seien und dass die Frauenquote in diesen Berufen konsequent bei den nun erreichten 35 bis 40 Prozent liegen solle. Anschließend tauschten sich die Preisträger*innen mit Industrievertreter*innen über neue Forschungsansätze und Think-Tanks, noch flexiblere Arbeitszeitmodelle und Förderprojekte aus.

Das Problem der oben geschilderten Preisverleihung ist ganz einfach zu beschreiben: Es hat diese Preisverleihung leider nicht gegeben – und die Frauenquote in den sogenannten MINT-Berufen verharrt weiter bei schlechten 15 Prozent. Trotz der umfassenden Digitalisierung, die besonders Fachkräfte aus dem MINT-Bereich, also aus Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik, benötigt.

Studium ja, Ausbildung nein

Warum aber kommen Frauen in den technischen und naturwissenschaftlichen Berufen nicht vorwärts? Liegt es an den Geschlechterklischees, an mangelnden Anreizen, schlechter Kommunikation und unattraktiven Berufsbeschreibungen? In ihrem Forschungsprojekt »Frauen wählen MINT: Einflussfaktoren bei der Berufswahl und der Entscheidung für eine Aufstiegsfortbildung« untersuchen Dr. Heike Krämer, Dr. Inga Schad-Dankwart und Dr. Stephanie Conein für das Bundesinstitut für Berufsbildung derzeit die aktuelle Lage – und bilanzierten bereits im Vorfeld: Im Studienbereich und auch bei den kaufmännischen und kreativen Bereichen innerhalb der MINT-Berufe sind viele Frauen zu finden. Wo es aber hapert, ist bei den Auszubildenden produktionstechnischer Berufe sowie bei den Führungskräften: »Aufgrund des stagnierenden und teilweise rückläufigen Anteils von Frauen in nicht akademischen MINT-Berufen ist die Frage, wie sich Frauen für diese Berufe gewinnen lassen, von großer ökonomischer und bildungspolitischer Bedeutung.«

Tatsächlich, so die Autorinnen, fehlten Vorbilder und auch neue tätigkeitsbeschreibende Berufsbezeichnungen. Jeder, der einmal über einer Bewerbung saß und seine bisherige technische Laufbahn möglichst lebendig beschreiben wollte, egal ob Männlein oder Weiblein, kann dieser These eines unattraktiven technischen Kauderwelschs nur beipflichten.

Alte, vermeintlich geschlechtsspezifische Denkmuster und fehlende Teilzeitmodelle sind weitere Aspekte, die Frauen von MINT-Berufen abhalten. Im Zwischenbericht ihres Forschungsprojekts stellen die drei Doktorinnen denn auch fest: »Frauen erhalten sowohl in ihrem privaten Umfeld als auch im betrieblichen Kontext Rückmeldungen darüber, ob ihre Berufswahlentscheidung akzeptiert wird, welches Ansehen sie im Beruf und im Betrieb haben und welche Entwicklungsmöglichkeiten ihnen zugetraut werden. Sie werden sich dann nicht für eine Karriere in einem technischen Beruf entscheiden, wenn ihnen das Gefühl vermittelt wird, dass sie in dem entsprechenden Berufsfeld nicht willkommen sind und sie dort keine gleichberechtigten Chancen haben.«

»Germany’s Next Role Model« dringend gesucht

Vorbilder als zentraler Grund, sich aktiv für ein MINT-Studium oder eine MINT-Ausbildung zu entscheiden, sollten also nicht kleingeredet werden. Zu selten tauchen aus dem technischen Produktionsbereich kommende Mitarbeiterinnen in der Öffentlichkeit oder gar in den Medien auf. Überall weiter »Top Models«, aber keine »Role Models«. Warum stehen auf Automessen immer noch Hostessen vor Autokarossen und männlichen Anzugträgern, warum gibt es zwischen zeitgenössischen »Trucker-Babes« und nostalgischen »Marie Curie«-Biografien keinen Platz für weibliche Persönlichkeiten, die mit Lust und Freude ihre aktuellen Werdegänge schildern und feiern?

Auch auf Internetseiten von Unternehmen werden Frauen gerne an Schreibtischen abgebildet – und eben nicht an produktionstechnischen Arbeitsplätzen. Hier muss sich auch an der Darstellung etwas ändern, um junge Frauen, die vor der Berufswahl stehen, nachhaltig zu unterstützen und anzufeuern. Ein weiterer Knackpunkt sind die fehlenden Teilzeitmodelle. Immer noch denkt der Großteil der Unternehmen in »männlichen Normalbiografien« – und nimmt den Slogan der „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ vor allem für eins: ein paar hübsche Sonntagssätze in Stellenanzeigen.

Ein Umdenken ist gefragt

Wahrscheinlich wird ein echtes Umdenken bei der Berufswahl erst beginnen, wenn es zu einer neuen Kommunikation und einem völlig anderen Austausch zwischen Eltern, Berufsberater*innen, Freund*innen und Unternehmen kommt. Die Chancen, Berufsbilder aus der männlichen »Nerd-Ecke« und dem längst überholten „Schichtochsen“-Klischee zu holen, wie Krämer, Schad-Dankwart und Conein die Problemkinder treffend beim Namen nennen, wachsen gerade in diesen Corona-Tagen. In vielen Home-Office-Schooling-Playground-Bed-and-Kitchen-Einheiten sind es nämlich mal wieder die Frauen, die alles technisch, qualitativ und administrativ im Griff haben müssen. 

Die vom Kompetenzzentrum Technik-Diversity-Chancengleichheit e. V. betriebene und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Initiative »Komm, mach MINT« will junge Frauen umfassend für MINT-Studiengänge und -Berufe begeistern. Mit Erfahrungsberichten, Karriereplanungen und immer mehr Partnerunternehmen begegnet die Webseite sowohl Selbstzweifeln als auch Rollenklischees. Vielleicht erfahren wir dort dann, wann die erste tatsächliche Preisverleihung für die besten Fachinformatikerinnen, Mikrotechnologinnen et cetera stattfinden kann. 

Text Rüdiger Schmidt-Sodingen

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