Symbolbild Diversität im Unternehmen
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Diversität braucht Umsetzung

13.03.2023
von Rüdiger Schmidt-Sodingen

Kaum ein Unternehmen verzichtet in Stellenbeschreibungen auf ein klares Bekenntnis zur Förderung von Vielfalt und Unterschiedlichkeit. Wie sieht »das Gesicht einer Firma« aber wirklich aus? Und warum steht ein vorgeblich modernes Employer Branding der Diversität oftmals sogar im Weg?

Im British Journal of Marketing nahmen Juliet E. Kele und Catherine M. Cassell im letzten Jahr den Einfluss von Employer Branding auf die Diversität unter die Lupe. Ihr 15-seitiger Bericht »The Face of the Firm«, der mithilfe der British Academy of Marketing zustande kam, zeichnete ein zwiespältiges Bild der Diversitätsbemühungen in mehreren unterschiedlich großen Anwaltskanzleien.

Offenbar, so die zwei Autorinnen der Newcastle und Birmingham Business School, stehe der Marketingeifer des Employer Branding einer wirklichen Durchsetzung von Vielfalt unter den Mitarbeitenden sogar im Wege. »Der Wunsch nach einem erfolgreichen Employer Branding verdrängt in der Praxis immer noch das organisatorische Engagement für Chancengleichheit und Diversity-Management.« Der »kommerzialisierte Ansatz« der schönen Worte oder Bekenntnisse der Firmen-Selbstdarstellung führe zu mehreren Widersprüchen, die die »marktbasierte Perspektive der Vielfalt« nur reproduzierten.

Zu viel Worte, zu wenig Strukturen

Ein Widerspruch sei, dass Unternehmen gezielt diverse Gruppen ansprechen wollen, aber im Gegenzug nicht dafür sorgen, dass echte integrative Arbeitsplätze entstehen. Etwas überspitzt gesagt: Die HR-Abteilungen suchen während des Recruitings nach möglichst bunten Mitarbeitenden, um sie dann nach erfolgter Einstellung wieder vor graue Einheitsschreibtische zu setzen und sie dort den üblichen Arbeitsabläufen und auch alltäglichen Unzulänglichen auszusetzen. Was wirklich in den Unternehmen geschehe, besonders auch bei den routinemäßigen Abläufen und in der Kommunikation in Abteilungen oder Teams, interessiere kaum mehr, wenn doch dick Diversität unter dem Firmenschild stehe.
Bei der visuellen Selbstdarstellung komme es häufig noch dicker und widersprüchlicher. So kämen Geschlecht, Herkunft, Alter und Handicaps unter die Räder oder würden künstlich angepasst. Offensichtlich wollten Unternehmen weiterhin auch Klischee-Vorstellungen ihrer Kundschaft bedienen, um als »richtige Wahl« angesehen zu werden. Für die von den Autorinnen untersuchten Rechtsanwaltskanzleien bedeutete dies: Man wollte auf die Darstellung starker Männerkörper nicht verzichten, die vermeintlich Erfolg und Durchsetzungsvermögen signalisieren. Die Idee der TV-Serie »Remington Steele«, wo eine weibliche Detektivin erst einen eindeutig männlichen Chef erfinden musste, um überhaupt arbeiten zu können, ist also keineswegs aus der Welt.

Jede Firma ist eine Diversitätsfabrik

»Diversität gedeihen« zu lassen, bedeute aber, dass die Vielfalt mit der Einstellung möglichst unterschiedlicher Menschen erst anfange. Vielleicht ist das der eigentliche Punkt der Untersuchung von Kele und Cassell. Denn so gesehen, kann man schlussfolgern, ist jede Firma auch eine Diversitätsfabrik. Diversität wird nicht eingekauft, sondern selbst tagtäglich hergestellt. Im Grunde setzt dieser 360-Grad-Gedanke längst auch bei anderen allgemeineren Faktoren eines Arbeitsverhältnisses an.

Das »lebenslange Lernen«, das Mitarbeitende heute zu mehr Neugier und Weiterbildungsangeboten treibt, kann und muss sich auch in der Persönlichkeit und der Wahrnehmung und Wertschätzung anderer Menschen ausdrücken.

Was zum Beispiel bedeutet heute das Engagement eines Mitarbeitenden? Was, als To-Do-Element auf der anderen Seite, die Anerkennung? Diversität ist keine Einbahnstraße, die möglichst verschiedene Menschen hegt und pflegt und die Voraussetzungen dafür schafft. Sie darf auch auf eine Mitarbeit pochen, damit jede einzelne Person in einem Betrieb die Wertschätzung, die sie über den Arbeitsplatz und hoffentlich dann auch im Team und von den Vorgesetzten erfährt, gezielt weitergeben und im besten Fall vergrößern kann. Das »lebenslange Lernen«, das Mitarbeitende heute zu mehr Neugier und Weiterbildungsangeboten treibt, kann und muss sich auch in der Persönlichkeit und der Wahrnehmung und Wertschätzung anderer Menschen ausdrücken.

Echte Fokussierung statt Ankreuzkästchen

Kein Mensch kommt heute mehr fertig an einen Arbeitsplatz. Aber umgekehrt, ist auch kein Arbeitsplatz fertig. Beides sind jedoch Dinge, die sich Personalabteilungen oder Unternehmensleitungen jahrelang gewünscht haben. Die ausgesuchte Person musste perfekt zur festen Tätigkeit passen und dann am Tisch neben dem Gummibaum eben »einfach« ihre Arbeit machen. So wie Anerkennung eben nicht nur Geld meint, sondern auch Oasen der Ruhe oder Weiterentwicklung samt den Möglichkeiten zur weiteren Persönlichkeitsentfaltung, muss Diversität auch im Wahrnehmen und Verbessern einer sich ausdehnenden, ins Private strahlenden Arbeitsumgebung wirken.

Juliet E. Kele und Catherine M. Cassell plädieren am Ende ihrer Arbeit für einen wertschöpfenden HR-Ansatz mit einer »Fokussierung auf soziale Gerechtigkeit, Inklusion und Kultur in der Organisation, Sicherstellung einer Philosophie, die Vielfalt wertschätzt – im Gegensatz zur Vielfalt durch das Ankreuzen von Kästchen und die Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen«. Letztlich müsse ein Employer Branding intern und extern, strukturell und marketingmäßig arbeiten. Und am besten natürlich zusammen.

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