schwimmende solaranlagen
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Energie

Zukunftsvisionen: schwimmende Solaranlagen

19.10.2022
von Marina S. Haq
Andy Kaufmann

Andy Kaufmann

Im Interview mit «Fokus» erzählt Andy Kaufmann, Projektleiter für erneuerbare Energien bei Romande Energie, über die innovative Zukunftsvision schwimmende Solaranlagen. 

Andy Kaufmann, wie sind Sie auf die Idee gekommen, eine schwimmende Solaranlage in den Alpen zu errichten? 

Schwimmende Solaranlagen sind keine Neuheit. In Asien werden diese bereits seit 20 Jahren gebaut. Sie werden aber immer in tieferen Lagen mit anderen klimatischen Belastungen gebaut – kein Schnee oder Eis, Lawinen, Steinschläge, und weniger Wind. 

Der Standort in den Alpen wurde hauptsächlich aus drei Gründen gewählt: In höherer Lage ist die Sonneneinstrahlung stärker; kältere Temperaturen bewirken einen höheren Wirkungsgrad der Solarzellen; Schnee am Boden reflektiert die Sonneneinstrahlung. Zusammengefasst produzieren unsere Solarzellen fast genauso viel Energie wie eine Anlage in Nordafrika oder Portugal. Anders ausgedrückt: Eine Solarzelle unserer Anlage in den Alpen produziert rund 30 Prozent mehr Strom als die gleiche Anlage in Morges. Der Anteil an Winterstrom liegt bei etwa 40 Prozent.

Warum haben Sie einen See in den Alpen als Standort gewählt? Ist dies eine bessere Wahl als Seen in der Nähe von Städten? 

Natürlich wäre die Nähe zum Verbraucher ein grosser Mehrwert, der teure Investitionen für Stromanschlüsse vermeiden würde. Unser Ziel ist jedoch, Anlagen in der Höhe zu errichten. In diesen Regionen ist die Verbraucherzahl jedoch gering. In einer späteren Entwicklungsphase könnte eine Anlage auf Pumpspeicherwerken geplant werden, wo ein Eigenverbrauch stattfinden könnte.

Darüber hinaus haben wir uns dafür entschieden, unseren Park auf einem künstlichen See zu errichten, der jedes Jahr geleert wird. Dies hat zwei Vorteile. Erstens: Da der Standort bereits zur Erzeugung von Strom aus Wasserkraft genutzt wird, können Synergien in Bezug auf die Strassen- und Strominfrastruktur genutzt werden. Zweitens: Ein Stausee wird üblicherweise jedes Jahr vollständig entleert. Somit entwickelt sich dort nur eine geringe oder gar keine Flora und Fauna. Daher sind die Auswirkungen unseres schwimmenden Solarparks auf die Umwelt stark begrenzt.

Wie funktioniert eine schwimmende Solarstromanlage? 

In unserem Fall passt sich die Anlage der Staukote am See an. Wenn das Wasser im Herbst und Winter turbiniert wird, muss sich das schwimmende Feld am Boden absetzen. Die aktuelle Anlage nimmt Höhenunterschiede von rund 17 m auf. Dies ist ebenfalls ein massgebender Unterschied zu anderen Anlagen weltweit, welche meist keine oder nur geringe Höhenunterschiede absorbieren müssen. Die Anlage ist über ein schwimmendes Stromkabel mit dem Ufer verbunden, von wo der Strom durch ein erdverlegtes Kabel ins lokale Mittelspannungsnetz eingespeist wird.

Kann eine schwimmende Solaranlage auf jedem See installiert werden oder müssen bestimmte Anforderungen erfüllt werden?

Einerseits ist die Topografie massgebend, denn ein breites Tal ist immer einfacher als steile Hänge. Andererseits ist der Seeboden wichtig, falls die Anlage im Winter am Boden abgesetzt werden muss, wie im Fall von Stauanlagen. Letztlich ist die gesamte Höhenschwankung ein kritischer Punkt. Zudem sind aber auch Umweltkriterien, der Anschluss ans Strassennetz sowie Stromnetzanschlüsse wichtig. 

Haben Wetterbedingungen wie Regen oder Schnee einen Einfluss auf die Solaranlage?

Regen beeinflusst die Solaranlagen nicht. Schnee hingegen hat einen positiven Einfluss, da dieser durch den Albedo-Effekt die Sonneneinstrahlung reflektiert. Auf der aktuellen Anlage wurden bi-faziale Solarzellen installiert, das sind Zellen, welche von beiden Seiten beleuchtet werden können. Mit der vom Schnee reflektierten Sonneneinstrahlung können somit weitere Kilowattstunden produziert werden, auch wenn die Vorderseite mit Schnee bedeckt ist. Dadurch erwärmt sich die Vorderseite und der angefallene Schnee rutscht ab. 

Die Sonnenenergie aus schwimmenden Solaranlagen in alpinen Gebieten leistet einen interessanten Beitrag zum Schweizer Energiemix, insbesondere in den Wintermonaten.

Welche Vorteile haben Solarzellen auf Seen zu Anlagen an Land? 

In unserem Fall haben wir bewusst einen Stausee ausgewählt, da hier die Umweltbeeinträchtigungen bereits bestehen. Dies wurde von den Umweltverbänden ebenfalls gutgeheissen. Anders wäre die Situation auf natürlichen Gewässern.

Wenn solche Anlagen kostengünstig auf Stauseen aufgebaut werden, können grosse Strommengen produziert werden. Gleichwertige Flächen an Land könnten nur auf Kosten von Bau- oder Kulturland konstruiert werden.  Dies ist jedoch in der Schweiz heutzutage nicht denkbar, auch wenn solche Anlagen um einiges günstiger wären.

Was sind Vorteile einer schwimmenden Solaranlage als Energiequelle?  

Die nutzbare Oberfläche, die aktuell nicht für andere Zwecke verwendet werden kann.

Wie viel Energie wird dadurch erzeugt?

Die heutige Anlage produziert rund 800 000 kWh, was in etwa dem Verbrauch von 220 Haushalten pro Jahr entspricht. Die Erweiterung könnte etwa 12 000 000 kWh produzieren, was den jährlichen Verbrauch von 3300 Haushalten decken würde.

Können Sie sich eine Ausweitung dieses Projekts auf die ganze Schweiz vorstellen? 

Wir sind aktuell an der technischen Planung für eine Erweiterung dieses Projekts. Es ist geplant, rund zwei Drittel der Seelänge zu bedecken. Ziel ist es, ein standortunabhängiges Produkt zu entwickeln, damit dieses auch auf anderen Bergseen implementiert werden kann. In der Schweiz und dem nahen Alpenraum wäre es dann durchaus denkbar, dass wir weitere Projekte ausführen könnten. 

Könnte die Schweiz Ihrer Meinung nach energieautark werden, wenn sich dieses Projekt auf die ganze Schweiz ausdehnen würde?

Gewiss, die Sonnenenergie aus schwimmenden Solaranlagen in alpinen Gebieten leistet einen interessanten Beitrag zum Schweizer Energiemix, insbesondere in den Wintermonaten. Das bedeutet jedoch nicht, dass sie die einzige Lösung für die Energieunabhängigkeit der Schweiz ist.

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