Interview von SMA

Der Brückenbauer zwischen Banken und Fintech

Die anhaltenden Negativzinsen bei den Banken sowie attraktive neue Fintech-Lösungen sorgen dafür, dass immer mehr Menschen ihr Geld anderweitig anlegen möchten. «Fokus» sprach mit einem Experten über die Digitalisierung des Investment-Sektors und erfuhr, welche Ansätze schon heute Potenzial bieten, welche Technologien noch Zeit brauchen – und warum Banken und Versicherungen auf Start-ups setzen sollten. 

Andreas Iten, welches sind die neuesten Trends und Entwicklungen in der Finanzbranche und welche Auswirkungen haben diese auf die Bank- und Versicherungskundschaft? 

Hier muss man unterscheiden zwischen frühen Trends sowie Entwicklungen, die sich bereits in einem fortgeschrittenen Stadium befinden. Derzeit wird sowohl um NFTs (Non-Fungible Tokens) als auch um das Metaverse ein grosser Hype kreiert.

Doch realistischerweise muss man anerkennen, dass in diesen Bereichen noch kaum kundenfreundliche Lösungen existieren. Beide Themen haben also noch einen eher geringen Einfluss auf Endkund:innen und befinden sich noch in einer Phase des Ausprobierens.

Damit möchte ich aber keineswegs ausdrücken, dass diese Ansätze nicht verfolgenswert sind. Gerade NFTs sind enorm spannend, da es sich bei ihren Anwendungsfeldern um digitale Kunst, virtuelle Sneakers oder anderweitige Objekte handeln kann.

Deren Nutzung ist aber noch immer sehr kompliziert. Bei Kryptowährungen, der bisher bestetablierten Nutzung der Blockchain-Technologie, ist die Benutzerfreundlichkeit hingegen schon sehr viel weiter.

Sind diese beiden Technologien, beziehungsweise Ansätze, demnach im Mainstream angekommen?

Ihre Akzeptanz wächst auf jeden Fall, da immer mehr Anlegerinnen und Anleger realisieren, dass sie auf diese Weise ihr Portfolio diversifizieren können. Der Kryptomarkt performte in der Krise zwar nicht merklich viel besser als klassische Aktien – doch die Leute anerkennen, dass es sich um eine «echte» Assetklasse handelt, die ihnen spannende Alternativen bieten kann. Als Zahlungsmittel haben sich Kryptowährungen kaum etabliert, doch sie stellen eine Assetklasse dar, die nicht verschwinden wird.

Das hat unter anderem auch damit zu tun, dass es immer mehr benutzerfreundliche Lösungen gibt, um sie zu kaufen. Früher stellte die Kryptowelt quasi den «Wilden Westen» des Investmentsektors dar, heute werden sie immer stärker reguliert. NFTs befinden sich heute an der Stelle, die Kryptowährungen vor einigen Jahren innehatten.

Ein anderes häufig genanntes Thema ist «Green Investment».

Das ist korrekt, nachhaltiges Investieren hat für immer mehr Anleger:innen Priorität. Dabei kommen wir aber nicht um das Thema «Green Washing» herum: Denn ob eine Anlage tatsächlich nachhaltig ist oder nicht, lässt sich aufgrund anhaltender Intransparenz nur schwer nachvollziehen.

Viele Fintech-Start-ups versuchen mit interessanten Lösungen, hier eine Verbesserung zu erzielen, etwa in Form eines nachvollziehbaren Ratings. Auch um die eigenen CO2-Emissionen zu kompensieren, gibt es mittlerweile spannende Lösungen. Gleiches gilt für Firmen, die ihre Corporate Responsibility wahrnehmen möchten. 

Viele potenzielle Anleger:innen fragen sich, ob sie ein besonderes Risiko eingehen, wenn sie sich auf Fintech einlassen.

Hier kann ich beruhigen: Sobald man einen Finanzservice nutzt, der einer Bank- oder Versicherungsdienstleistung nahekommt, muss man sich nicht viele Sorgen machen.

Denn Unternehmen, die in der Schweiz domiziliert sind und solche Services anbieten, müssen über eine FINMA-Lizenz verfügen. Da sind die Richtlinien streng und die Hürden hoch. Sogenannte «Neobanken» haben ebenfalls solche Lizenzen. 

Was raten Sie also Anlegerinnen und Anlegern, die auf der Suche nach Investmentmöglichkeiten sind?

Man soll und kann sich selbst ein Bild zum Unternehmen verschaffen und überprüfen, ob dieses seriös ist und ob die erbrachte Dienstleistung zu den eigenen Zielen und Werten passt.

Wer neue Lösungen ausprobiert, bekommt auch einen ganz anderen Blick auf die Dienstleistungen von Banken und Versicherungen. Wenn man neue Fintech- und Insurtech-Lösungen ausprobiert, profitiert man oft von einer deutlich höheren Nutzerfreundlichkeit, hat mehr Komfort und Effizienz.  

Da stellt sich die Frage, warum traditionelle Banken und/oder Versicherungen noch kaum vergleichbare Lösungen anbieten.

Für diese Institutionen ist es oft schwierig, Innovationstreiber:innen zu sein. Hier sind agile kleine Start-ups deutlich im Vorteil: Sie können sich auf spezifische Kundenprobleme konzentrieren und fokussiert an einer Lösung arbeiten, ohne parallel dazu die Ansprüche ihrer Bestandskunden berücksichtigen zu müssen.

Wir suchen aus 1500 Firmen pro Jahr die besten aus, die eine echte Innovation mit sich bringen.

Zudem sind Start-ups zu Beginn deutlich weniger stark reguliert, was ihnen mehr Spielraum verschafft. Im Gegenzug sehen sich Jungfirmen mit dem Problem konfrontiert, dass sie nicht das Vertrauen geniessen, welches etablierten Banken und Versicherungen entgegengebracht wird.

Es überrascht daher nicht, dass man vermehrt eine Symbiose feststellt: Banken investieren in innovative Fintechs, kaufen diese und nutzen dann ihre Dienstleistungen für die eigene Kundschaft.  

Ihr Innovationsökosystem F10 fungiert als Brückenbauer zwischen den beiden Welten.  

Das stimmt, wir versuchen, die Sphäre der innovativen Start-ups mit derjenigen der etablierten Institutionen zu verbinden. Darum bauen wir ein globales Innovationsnetzwerk auf, das für alle Beteiligten Nutzen schafft und von dem auch die Endkundinnen und Endkunden profitieren sollen.

Zu diesem Zweck fördern wir den Ansatz, dass man Geld nicht nur in einzelne Jungfirmen oder Lösungen investiert, sondern mehr Mittel in das Gesamtökosystem fliessen lässt. Das wiederum ermöglicht ein nachhaltiges gemeinsames Wachstum, was zu neuen Ideen und Ansätzen führt.

Banken und Versicherungen könnten das aber auch inhouse vorantreiben.  

Korrekt, doch dies ist sehr komplex und darum letztlich teurer und langsamer. Der grösste Aufwand besteht darin, die Spreu vom Weizen zu trennen bei den Start-ups. Zur Veranschaulichung: Wir suchen aus 1500 Firmen pro Jahr die besten aus, die eine echte Innovation mit sich bringen.

Wir analysieren die Kompetenzen des Unternehmens, beurteilen dessen Marktreife und führen eine Due Diligence durch. In manche dieser Firmen investieren wir selber, in anderen Fällen unterstützen wir Banken und Versicherungen dabei, das passende Start-up für sie zu finden. Dabei ist es uns natürlich auch wichtig, für beide Seiten Fairness zu gewährleisten. 

Was zeichnet ein «gutes» Jungunternehmen in der Finanz- und Versicherungsbranche denn konkret aus?

An erster Stelle steht immer das Team. Dieses verfügt im Idealfall über ein komplementäres Skillset und bringt die richtige Einstellung mit. Dann geht es auch um den Grad der Fähigkeiten, also das Talent und die Expertise.

Häufig ist das Gründerteam etwas älter und erfahrener und kommt aus der Branche, in der das Start-up tätig ist. Sie verfügen über entsprechende Experten-Insights und wissen, welche Probleme in der Branche bestehen.

Das ist essenziell, denn nur diejenigen Lösungen sind erfolgreich, die auch wirklich reale Probleme adressieren. Und zu guter Letzt sollte die entwickelte Lösung skalierbar sein und damit ein Geschäftsmodell ermöglichen, das einen attraktiven Return erlaubt. Dabei ist das richtige Timing – und dementsprechend auch eine Prise Glück – nötig. 

Hören Sie bei der Bewertung eines Fintech- oder Insuretech-Start-ups auch auf Ihr Bauchgefühl?

Das versuche ich zu vermeiden, da sich persönliche Bias nie ganz ausschliessen lassen. Wir arbeiten eher mit Daten und Fakten. Von den 1500 Firmen, die wir pro Jahr anschauen, werden 5-6 Prozent in unsere Programme aufgenommen.

So entsteht über die nächsten Jahre ein Portfolio aus etwa 700 Start-ups. Wir rechnen dabei damit, dass maximal 20 Prozent dieser Firmen Erfolg haben werden – sprich ein Grossteil der Neugründungen wird sich nicht am Markt durchsetzen können.

Und trotzdem erzeugt unser Portfolio einen attraktiven finanziellen sowie strategischen Return für unsere Partner.

Wie schlägt sich die Schweiz als Banken-/Versicherungsstandort bezüglich Innovation im Vergleich mit anderen Ländern?

Da stellt sich immer die Frage, was man unter Innovation versteht: Geht es darum, etwas ganz Neues zu erfinden oder vielmehr darum, Bestehendes zu adaptieren und erfolgreich zu kommerzialisieren? 

Im ersten Fall gehört die Schweiz zweifelsfrei zur internationalen Weltspitze. Das sieht man an unseren hochgeachteten Hochschulen sowie den vielen Techkonzernen, die sich bei uns niederlassen.

Beim Kommerzialisieren sieht es anders aus, auch weil wir ganz andere Rahmenbedingungen haben als etwa Silicon Valley. Die dortigen Firmen können ihre Innovationen in den USA hochskalieren, einem gewaltigen Markt mit nur einer Sprache und einer mehrheitlich durchgehenden Kultur.

Wer dies hingegen in der Schweiz tut und nach Deutschland, Frankreich oder andere europäische Märkte expandieren möchte, sieht sich mit unterschiedlichen Jurisdiktionen und Kulturen konfrontiert.

In Asien wiederum ist Singapur ein Innovations-Hub, der in Sachen Technologie den umliegenden Ländern den Ton angibt, was ebenfalls eine schnelle Skalierung in diverse Märkte mit vielen Kundinnen und Kunden erlaubt. Das ist hierzulande schwieriger und damit oft ein Grund, die eigene Technologie schnell aus der Schweiz zu exportieren. 

Bild Angelica Liljenroth 

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Zur Person:

Andreas Iten ist ein erfahrener Stratege für Innovation und Unternehmertum in den Bereichen Start-ups, Open-Innovation, Informationstechnologie und Venture Capital. Seit 2015 leitete Andreas die Technologieinnovation und war Chief Information Officer für den Bereich Financial Information bei SIX.

Heute ist er globaler CEO von F10, fungiert als Investmentberater für SIX FinTech Ventures und hat mehrere Verwaltungsratsmandate bei schnell wachsenden Fintech-Unternehmen.

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30.06.2022
von SMA
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