Traditionell richtete sich die unabhängige Vermögensberatung und -verwaltung vor allem an Grossverdiener:innen, deren komplexe Finanz- und Anlagebedürfnisse von Banken nicht immer vollständig abgedeckt wurden. Nun kommt Veränderung in die Branche: Die Vermögensverwaltung erschliesst sich neue Zielgruppen und deckt dabei immer mehr Lebensbereiche und -aspekte ab. Ein Einblick.
Wer bis anhin in den Genuss einer professionellen, unabhängigen Vermögensverwaltung kommen wollte, musste vor allem über umfassende Vermögenswerte verfügen, die «bankable» sind. Hierzu zählen liquide Mittel wie Bargeld, Aktien, Anleihen oder Investmentfonds. Doch wie ein vertiefter Blick in die Branche belegt, wandelt sich diese exklusive Ausrichtung vermehrt. Es zeichnet sich gar ein neuer Trend ab, der das Potenzial hat, die Branche nachhaltig zu transformieren: die Entwicklung hin zur ganzheitlichen Vermögensberatung.
Wofür steht dieser Ansatz? Laut Branchenkennerinnen und -kennern stellt die ganzheitliche Vermögensberatung nicht mehr nur die reine Vermögensmehrung in den Vordergrund, sondern betrachtet das gesamte finanzielle Ökosystem einer Kundin oder eines Kunden. Zu diesem Zweck werden zunehmend auch «non-bankable» Vermögenswerte (die schliesslich einen Grossteil dieses Ökosystems ausmachen) wie Immobilien, Vorsorgeguthaben oder Unternehmensbeteiligungen in die Beratung integriert. Gleichzeitig öffnet sich diese Form der Beratung einem breiteren Publikum – auch Normalverdienende sollen von einer massgeschneiderten, ganzheitlichen Betreuung profitieren.
Von Vermögensverwaltung zur umfassenden Begleitung
Bei der klassischen Vermögensberatung handelte es sich lange Zeit um ein statisches Modell. Sie gründete auf der Annahme, dass Kundinnen und Kunden über definierte liquide Vermögenswerte verfügen, die mit dem Ziel der Renditesteigerung verwaltet werden können. Das neue Modell der holistischen Beratung geht über diese Limitierung hinaus. Es basiert auf der Grundlage, dass Vermögen weit mehr umfasst als nur Geld auf dem Konto. Immobilien, Vorsorgekapital, Kunstsammlungen oder sogar zukünftige Einkommensströme sind heute essenzielle Bestandteile des Vermögens eines Individuums.
Hinzu kommt eine neue Philosophie: Kundenbedürfnisse werden nicht mehr isoliert betrachtet, sondern im Kontext ihres gesamten Lebensweges analysiert. Finanzplanung kommt dadurch weg vom Silodenken und bewegt sich hin zu einer dynamischen Dienstleistung, die sich analog zu den Lebensphasen der Kundschaft weiterentwickelt. Ein Beispiel hierfür: Ein junger Berufseinsteiger benötigt in erster Linie Unterstützung bei der Budgetierung und Vorsorgeplanung. In der Familiengründungsphase wiederum stehen für ihn Themen wie Immobilienfinanzierung und Familienvorsorge im Mittelpunkt. Im späteren Leben gewinnen dann Nachfolgeplanung und steueroptimierte Entnahmen aus der Altersvorsorge vermehrt an Bedeutung. Ein starrer Beratungsansatz kann diesen unterschiedlichen, sich laufend verändernden Ansprüchen nicht gerecht werden.
Der Zugang zu neuen Zielgruppen
Ein wesentlicher Unterschied zur traditionellen Vermögensberatung ist die bereits angesprochene Verbreiterung der Zielgruppe. Die holistische Beratung richtet sich explizit auch an Normalverdienende, die bisher oft von solchen Dienstleistungen ausgeschlossen waren. Diese Entwicklung wird wesentlich durch den Einsatz neuer Technologien begünstigt: Digitale Plattformen und künstliche Intelligenz erlauben es Berater:innen, massgeschneiderte Lösungen effizient und kostengünstig zu erarbeiten. Die Integration digitaler Tools ermöglicht es ausserdem, Kundinnen und Kunden mit ausbaubarem Vermögen eine fundierte Beratung anzubieten. Davon profitieren sowohl Privatpersonen als auch Unternehmerinnen und Unternehmer. In der Branche spricht man davon, dass heute auch Private dank der holistischen Beratung in den Genuss einer Family-Office-Dienstleistung kommen.
Ein weiteres zentrales Element der ganzheitlichen Beratung ist die Integration von Versicherungen. Denn finanzielle Risiken – sei es durch Krankheit, Berufsunfähigkeit oder andere Lebensereignisse – können das Vermögen erheblich beeinträchtigen. Eine umfassende Beratung muss daher auch bestehende Versicherungen analysieren und allfällige Lücken identifizieren. Gleichzeitig wird geprüft, ob gewisse Policen überflüssig sind, um die Kostenbelastung zu senken.
Herausforderungen und Chancen
Die holistische Vermögensberatung sorgt letztlich für eine Demokratisierung der unabhängigen Finanzdienstleistungen. Sie bringt jedoch auch Herausforderungen mit sich. Eine der grössten ergibt sich aus der zunehmenden Komplexität der Beratungsaufgaben: Beraterinnen und Berater müssen nicht nur in klassischen Finanzthemen, sondern auch in Steuerrecht, Immobilienbewertung, Vorsorgeplanung und Versicherungsexpertise versiert sein. Dies erfordert ein interdisziplinäres Team oder enge Kooperationen mit Spezialisten. Gleichzeitig birgt dieser Ansatz enorme Chancen: Kundinnen und Kunden profitieren von einem echten Mehrwert, da ihre gesamte finanzielle Situation betrachtet und optimiert wird.
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