christian petrini wood works
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Heutige Beweggründe von Schweizer Manufakturen

09.04.2022
von SMA

Der gegenwärtige digitale Boom schreitet laufend voran und doch gibt es vereinzelte Unternehmen, die sich dazu entscheiden, in der hochpreisigen Schweiz eine Manufaktur aufzubauen. «Fokus» hat bei Christian Petrini, CEO einer Schweizer Möbelwerkstätte, nach den Motiven hinter diesem Entscheid gefragt.

Um 1760 begann die industrielle Revolution, 1770 entstand die erste Fabrik und nun, über zwei Jahrhunderte später, befinden wir uns mitten in einer unglaublich fortgeschrittenen und modernen Welt. Nicht automatisierte Prozesse sowie handgefertigte Produkte sind heutzutage eine Seltenheit. Die Herstellungskosten und der Zeitaufwand sind höher und trotzdem gibt es sie noch: die Manufakturen. 

Schweizer Manufakturen 

In der Schweiz sind laut dem Bundesamt für Statistik BFS 77 Prozent der Unternehmen im Tertiärsektor und nur 15 Prozent der Unternehmen im Sekundärsektor tätig. Demnach macht die Industrie gemeinsam mit der Produktion einen vergleichsweise geringen Teil der Schweizer Unternehmen aus. Unter anderem auch, da viele, die sich dennoch entscheiden, eine Firma hierzulande aufzubauen, die Herstellung ins Ausland verlagern, um Kosten zu sparen. 

Christian Petrini, CEO einer Schweizer Möbelwerkstätte und Mitglied des Verbands «möbelschweiz» im Interview. 

Herr Christian Petrini, Produktionsprozesse werden zunehmend automatisiert und die Zahl der Manufakturen sinkt stetig. Wieso soll man heute noch eine Manufaktur führen?

Auch in einer Manufaktur beschäftigten wir uns trotz des Spagats zwischen Stückzahl 1 und Serie mit der Optimierung der Betriebsabläufe. Mittels einer sinnstiftenden Unternehmenskultur; der Digitalisierung, die uns schneller, fehlerfreier und genauer macht; sind nicht zuletzt Lean-Management, Kaizen und Kanban in einer Manufaktur genauso präsent wie in einer industriellen Fertigung. Die Führung einer Manufaktur trägt dem Bedürfnis des Marktes von Agilität, Flexibilität, Nähe und Authentizität Rechnung und ist in einem schnelllebigen Markt unschlagbar.

Welche Vorteile ergeben sich daraus?

Manufakturen besitzen die Eigenschaften, die in der heutigen Zeit am Markt punkten. Kurze Kommunikations- und Transportwege führen zu effizienten und bedürfnisgerechten Ergebnissen und geringerer Umweltbelastung. Das Dreigestirn Nachhaltigkeit mit seinen Komponenten Ökologie, Ökonomie und Gesellschaft wird in der Grösse einer Manufaktur ideal gestützt und gefördert.

Zudem ist die Kundschaft Teil der Lösung. Für diese können individuelle Konzepte erschaffen werden, um damit spezifisch auf deren Bedürfnisse einzugehen.

Eine Manufaktur ist letztendlich mehr als eine Unternehmung; es ist Passion für möglichst alle Mitarbeitenden, Lebensinhalt und ein Stück Sinn für die gesamte Crew.

Nicht selten ist eine Produktionsverlagerung ins Ausland profitabler, als diese in der Schweiz zu behalten. Die handgefertigte Herstellung ist bereits teurer als industrielle, hinzu kommen die höheren Preise für Schweizer Rohstoffe, Mietzinsen und Löhne. Was sind die Gründe, um eine Manufaktur dennoch in der Schweiz aufzugleisen?

Dieser Umstand wird mit den heutigen geopolitischen und umwelttechnischen Gegebenheiten aus einer anderen Perspektive betrachtet. Konsument:innen wünschen sich vermehrt zu vernehmen, wer mit welchem Material, wo welche Leistungen erbringt. Eine Verlagerung der Produktion ins Ausland bringt nebst allfälligen Preisoptimierungen auch Probleme mit sich, sei es in der Kommunikation, in der Verfügbarkeit von Rohstoffen oder in der Lieferfrist.

Manufaktur bedeutet nicht zwangsläufig, dass nur Handarbeit geleistet wird. Dort, wo es Sinn ergibt, sollen Maschinen, Computer und die Digitalisierung den Menschen entlasten, damit sich dieser den komplexen, nicht repetitiven Arbeiten widmen kann.

Nicht zuletzt werden dadurch Beiträge zur Nachhaltigkeit geleistet, Arbeitsplätze erhalten und ausgebaut sowie auch der Diversität durch unterschiedliche Jobopportunitäten Rechnung getragen.

Inwiefern sind Manufakturen nachhaltig?

Durch die Nähe zur Kundschaft und deren Projekte, sind nicht nur die Transport- und Beschaffungswege kürzer, sondern auch die Kommunikation wird effizienter und vertrauensvoller. Manufakturen setzen sich seit jeher mit der Fragestellung der Verschwendung auseinander. Qualität endet letztendlich in langer Lebensdauer, was wiederum unsere Umwelt schont, Stichwort Circular Economy.

Ökonomisch sind die KMUs in der Schweiz die Stütze der Wirtschaft und des Staates. Wir setzen uns deshalb dafür ein, regionale Lösungen für regionale Bedürfnisse zu bieten, um so auch in Zukunft noch Arbeitsstellen in der Schweiz schaffen zu können.

Nicht zuletzt sind Manufakturen immer wieder mit Fachkräftemangel konfrontiert, ebenso aber auch mit der Herausforderung, Prozesse zu optimieren und allenfalls zu automatisieren. Hier hat die Manufaktur allerdings einen entscheidenden Vorteil: in einer Vollkostenrechnung lassen sich gewisse Arbeitsschritte auch durch Menschen, welche keine Gelegenheit der Aus- und Weiterbildung geniessen durften, vollziehen und das noch effizienter als durch eine Maschine.

Text SMA

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