Im Juni letzten Jahres hat die Schweiz ein neues Stromgesetz verabschiedet, das die Energiezukunft des Landes massgeblich beeinflussen wird. Konkret sollen dadurch sowohl die Energieversorgung langfristig gesichert als auch die nationale Klimastrategie vorangetrieben werden. Im Kern dieses Vorhaben steht die Fokussierung auf den Ausbau erneuerbarer Energien. Welche Folgen hat das?
Das Schweizer Stimmvolk hat mit seinem «Ja» zum neuen Stromgesetz einen klaren Kurs in Richtung Nachhaltigkeit vorgegeben: Das Hauptziel des «Gesetzes zur Sicherung der Stromversorgung» lautet, die Energieproduktion aus erneuerbaren Quellen in den kommenden 10 bis 15 Jahren drastisch zu erhöhen. Dies steht im Einklang mit den Verpflichtungen der Schweiz zur Erreichung der Ziele des Pariser Klimaabkommens. Dabei spielen Wasserkraftwerke, die bereits einen erheblichen Anteil an der Stromproduktion des Landes ausmachen, weiterhin eine zentrale Rolle (mehr zu den Zahlen und Fakten der Energieversorgung in der Infobox). Künftig sollen auch Wind- und Solaranlagen erheblich ausgebaut werden, um die Energieversorgung zu diversifizieren und resilienter gegen externe Schocks wie internationale Energiekrisen zu machen.
Nebst der Förderung der erneuerbaren Energien stehen auch die Modernisierung sowie der Ausbau der bestehenden Infrastrukturen im Mittelpunkt. Diese Massnahmen sind notwendig, um eine effiziente Integration von neuen Energiequellen in das bestehende Stromnetz zu ermöglichen. Langfristig wird dies auch zu einer Senkung der CO2-Emissionen beitragen, was wiederum dem Klimaschutz zugutekommt.
Die Kehrseite des neuen Stromgesetzes
Die Vorzüge der neuen Gesetzgebung sind grundsätzlich bestechend. Allerdings bringt das neue Gesetz auch Herausforderungen mit sich, insbesondere im Bereich des Landschaftsschutzes. So erfordert der Ausbau von Windkraft- und Solaranlagen erhebliche Eingriffe in die Landschaft, was in vielen Gemeinden auf Widerstand stösst. Die Balance zwischen dem Schutz der Natur und der Notwendigkeit, den Energiemix zu diversifizieren, ist ein heikles Thema, das die hiesige Politik und Gesellschaft in den kommenden Jahren weiter beschäftigen wird. Denn Fachleute gehen davon aus, dass es durchaus spürbare Auswirkungen auf die Landschaft und die Artenvielfalt geben wird, da diese Infrastrukturen Raum in geschützten Umgebungen einnehmen werden. Allerdings sollen Biotope von nationaler Bedeutung weiterhin geschützt bleiben. Ferner sei ein Szenario mit «Tausenden von Windturbinen», wie es die Gegnerschaft des Stromgesetzes skizziert hat, eher unwahrscheinlich. Gemäss einer Studie der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich würden für die Ziele der neuen Gesetzgebung rund 460 Turbinen ausreichen.
Es steht die Befürchtung im Raum, dass durch die Investitionen in erneuerbare Energien und neue Infrastrukturen die Stromkosten ansteigen.
Doch nicht nur die ökologischen, sondern auch die wirtschaftlichen Auswirkungen des Gesetzes sind von grosser Bedeutung: Es steht die Befürchtung im Raum, dass durch die Investitionen in erneuerbare Energien und neue Infrastrukturen die Stromkosten ansteigen. Dies würde nicht nur für Privatpersonen Mehrausgaben bedeuten, sondern insbesondere für energieintensive Branchen wie die fertigende Industrie merklich höhere Ausgaben nach sich ziehen.
Stromversorgungsunternehmen gehen von merklichen Preiserhöhungen aus, da das Elektrizitätsgesetz mehr Regulierung und zusätzliche Aufgaben für die Netzbetreiber bedeutet – was sich letztlich auf die Stromrechnungen auswirken werde. Langfristig erhoffen sich die Befürworter der Gesetzgebung jedoch, dass die stärkere Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern mittelfristig zu einer Stabilisierung und möglicherweise sogar Senkung der Energiepreise führt. Darüber hinaus schaffe das Gesetz Anreize für Innovationen im Energiesektor, was die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz im globalen Markt stärken könnte.
Und wie steht es um die Versorgung?
Eine weitere Kernfrage lautet, ob die Schweiz in der Lage sein wird, ihren gesamten Strombedarf mit erneuerbaren Energien zu decken. Die schrittweise Stilllegung der Kernkraftwerke, die heute rund ein Drittel des Stroms liefern, stellen in diesem Zusammenhang einen wesentlichen Faktor dar. Die Szenarien für den künftigen Strombedarf sind vielfältig: Die Bundesbehörden schätzen den Stromverbrauch im Jahr 2050 auf 76 Terawattstunden (TWh) pro Jahr (gegenüber rund 67 TWh heute). Der Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen spricht von 80 bis 90 TWh, während eine Studie der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (EPFL) sogar von 110 TWh ausgeht. Es ist daher schwierig, Vorhersagen über die Sicherheit der Stromversorgung in 2 bis 30 Jahren zu treffen. Grosse Chancen sehen Fachleute allerdings in der Weiterentwicklung von modernen Batterielösungen: Wenn sich Storm effizient speichern lässt, erhöht dies die Flexibilität sowie die Versorgungssicherheit.
Wo kommt künftig der Strom her?
Die erneuerbaren Energien (ohne Wasserkraft) müssen bis 2035 mindestens 35 Terawattstunden (TWh) Strom pro Jahr erzeugen (und 45 TWh bis 2050), was gemäss Swissinfo etwa dem Sechsfachen der im Jahr 2022 erzeugten Menge entspricht. Die Sonne wird den grössten Teil dieses grünen Stroms liefern. Es wird erwartet, dass mehr als 80 Prozent der geplanten Solarprojekte auf bestehender Infrastruktur errichtet werden, einschliesslich Dächern und Fassaden von Wohngebäuden und Einkaufszentren. Die Verpflichtung zur Installation von Solarzellen wird jedoch nicht verallgemeinert, sondern gilt nur für neue Gebäude mit einer Grundfläche von mehr als 300 Quadratmetern. Staudämme werden ebenfalls weiterhin eine wichtige Rolle bei der Stromversorgung im Winter spielen: Die Wasserkraftproduktion soll von 37,2 TWh im Jahr 2023 auf 39,2 TWh im Jahr 2050 steigen.
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